Protokoll der Sitzung vom 09.12.2008

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Landesregierung hat aber keine Lust auf guten Verbraucherschutz. Wieder sind die Kompetenzen auf die Kommunen übertragen worden, die für die Wahrnehmung der einschlägigen Aufgaben aber mangelhaft ausgestattet sind. Sie weigern sich, schwarze Schafe der Branche und die Ergebnisse im Internet zu veröffentlichen und die Verbraucherinnen und Verbraucher auf diese Weise vor Betrügern zu warnen. Auch das Strafmaß muss deutlich verschärft werden. Die konkret Verantwortlichen müssen besser belangt werden. Es darf nicht so sein, dass im Falle der Insolvenz einer Firma der frühere Betriebsinhaber einen neuen Betrieb aufmacht und sich wieder solche Machenschaften zuschulden kommen lässt. Die konkret Verantwortlichen müssen also besser belangt werden. Das Verbraucherinformationsgesetz muss in Niedersachsen endlich umgesetzt werden. Es gibt immer noch keine Gebührenordnung für die Offenlegung der Daten, wenn man die einschlägigen Informationen haben will. Es ist deshalb kein Wunder, dass Niedersachsen weiter das Land der Billigfleischproduzenten und die Hochburg tierquäle

rischer Massentierhaltung ist. Ich denke hier nur an die rechtswidrigen Legehennenställe. Wir haben darüber hier lange diskutiert. Wer das hinnimmt, dem traut der Verbraucher auch bei der Fleischkontrolle nicht.

Ich komme zum Schluss. Der Weihnachtsbraten in Niedersachsen ist also nicht garantiert rückstandsfrei und genießbar. Nach den Untersuchungen des LAVES war jeder 20. Kassler oder Kochschinken gammelig und ungenießbar. Da vergeht vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht nur zu Weihnachten der Appetit. Die Untersuchung hat ergeben, dass 5,5 % der Lebensmittel ungenießbar waren. Bei dieser Landesregierung sind der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit nicht in guten Händen. Zu den Verlautbarungen - Sie werden gleich wieder sagen, alles sei sicher - fällt mir immer nur ein: verharmlosend und oft ungenießbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Jetzt erteile ich Frau König von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat den Braten gerochen: In der niedersächsischen Fleischverarbeitung geht nicht alles mit rechten Dingen zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erwähne hier nur einige Vorfälle aus diesem Jahr. In meiner ersten Ausschusssitzung im Frühjahr wurde über die Auffälligkeiten bei der Verarbeitung von Schweineköpfen bei einem Fleischverleger in Lohne gesprochen: Gammelfleisch. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Es wurde eine neue Geschäftsführung eingestellt. Der Inhaber des alten Betriebes gründete einen neuen Betrieb, der jetzt nur noch fertige Produkte verkaufen darf, allerdings die gleichen wir vorher. Menschen, die verdorbenes Fleisch am Wochenende mit Frischfleisch vermischen, dürfen nach EU-Richtlinie weiterhin in der Lebensmittelbranche tätig sein. Das ist für die Bevölkerung und für die Verbraucher vor Ort unfassbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer hat angesichts muffiger Schweinsköpfe in Lohne dann noch den Mut, in der Vorweihnachtszeit zum traditionellen Grünkohlessen einzuladen?

Im Sommer wurden dann Dioxin und PCBs im Emsland festgestellt. Die Schafzucht dort ist gefährdet. Wer kein Vertrauen mehr in die heimische Landwirtschaft hat, kauft Importprodukte. Er steht jetzt vor dem neuen Dioxinskandal mit verseuchtem Fleisch aus Irland.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher wurde festgestellt, dass das Fleisch nur an fünf Betriebe in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verkauft worden ist. Wenn diese Betriebe das Fleisch weiterverkauft haben, kann es allerdings auch in Niedersachsen gelandet sein. Darüber gibt es noch keine Informationen. Der Weihnachtsbraten aus dem Ausland ist also auch nicht mehr sicher.

Nun mag gesagt werden: Das ist nicht so schlimm, denn Weihnachten ist schließlich das Fest des Geflügelbratens. Allerdings hat der Pech, der sich auf den Böseler Goldschmaus verlässt und dann unappetitlich duftende Putenhälse dazu bekommt.

Kollege Schminke von der SPD hat hier ausführlich über die Beprobungen und deren Ergebnisse gesprochen. Wenn nur 5 % der Proben mangelhaft waren, sind das 5 % zu viel.

(Beifall bei der LINKEN)

Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Große Macke?

Nein. - Die Produktion von Fleisch in unüberschaubaren Zusammenhängen und die Verarbeitung von großen Transportmengen führen nicht zu besserer Qualität. Wir sehen jetzt auch, dass die Unterbrechung von Kühlketten eine große Gefahr ist. Für die Mitarbeiter herrschen in den Betrieben unzumutbare Zustände. Sie können Verstöße aber nicht anzeigen, weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Anzeigen, die erfolgen, kommen oft viel zu spät; dann ist nichts mehr nachzuvollziehen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert. Die Landesregierung gibt Informationen nur zögerlich. Die Kommunen erfahren die Neuigkeiten oftmals aus der Presse. Für uns hat Verbraucher

schutz die höchste Priorität. Es bedarf der Aufklärung.

Eines ist mir wichtig. Unsere Landwirte in Niedersachsen haben solche Zustände nicht verdient. Sie bekommen immer weniger Geld für ihre Produkte. Die Gewinne bleiben auf der Strecke. Die Finanzbroker wollen gerade in der Lebensmittelbranche tüchtig verdienen. Das macht die Sache noch komplizierter. Wir Linke können eine solche Entwicklung nicht mittragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Devise ist: kurze Wege, regionale Produkte und vor allen Dingen ökologische Produkte. Damit verbessern wir die Qualität, die Arbeitsbedingungen und das Auskommen der Landwirte. Deshalb schlagen wir vor, in den Landwirtschaftshaushalt Mittel für Pilotprojekte und für die Verbraucherberatung einzustellen. Darauf kommen wir in der späteren Debatte noch zu sprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist Herr Oetjen von der FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Verbraucherschutz eignet sich immer sehr dafür, Emotionen zu schüren und hier im Parlament heftige Debatten zu führen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Herr Meyer und Herr Schminke, ich sage ganz ehrlich, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie in solch einer Debatte, in der Sie sich auf Daten des LAVES beziehen, ein bisschen tiefer in die Materie eingestiegen wären und sich wirklich darüber informiert hätten, was hinter solchen Zahlen steckt, dass Sie die Zahlen hier also nicht einfach platt dargestellt hätten, ohne sie zu hinterfragen. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will gar nicht auf die Ausführungen von Frau Kollegin König eingehen, die hier von Geflügelprodukten von Böseler Goldschmaus gesprochen hat. Dieser Betrieb stellt nur Schweineprodukte her. Das tut hier aber nichts zur Sache. Mich stört wirklich ernsthaft, dass hier Redebeiträge von den Kollegen Meyer und Schminke geleistet wurden, die aus meiner Sicht nicht nur einer kritischen

Überprüfung nicht standhalten, sondern auch einer sachlichen Debatte in diesem Hause nicht würdig sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch gerne, warum. Ich möchte vorausschicken, dass für die FDP-Fraktion und mich außer Frage steht, dass Verstöße gegen das Lebensmittelrecht durch Menschen, die mit Lebensmitteln nicht ordentlich arbeiten und die versuchen, mit krimineller Energie Profit für sich zu generieren, knallhart verfolgt und knallhart bestraft werden müssen. Das darf aus meiner Sicht überhaupt nicht zur Debatte stehen. Ich glaube, dies will hier im Hause auch niemand infrage stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir müssen einmal ganz klar hinterfragen, wie eigentlich die Probenahme durch die Behörden vor Ort, durch die Landkreise funktioniert, wie Lebensmittelüberwachung in Niedersachsen funktioniert. Damit Sie verstehen, wie der Ablauf ist, möchte ich mich auf einen Bereich beziehen, den Sie selber kennen. Das ist der Bereich der Verkehrsüberwachung. Jeder von uns ist schon einmal von der Polizei überwacht worden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Über- prüft, hoffe ich nur! Überwachung ist etwas anderes!)

- Überprüft, richtig. - Die Polizei führt solche Verkehrskontrollen insbesondere an solchen Stellen durch, wo sie eine höhere Häufigkeit von Auffälligkeiten erwartet, beispielsweise nachts an einer Disko-Strecke. Dann untersucht sie und stellt fest: Ja, dort gibt es mehr verkehrsrechtliche Verstöße als im normalen Bereich. Deswegen gibt es einen höheren Prozentsatz bei der Anzahl der Stichproben.

Meine Damen und Herren, genauso geht die Lebensmittelüberwachung vor. Sie geht in die Betriebe, die öfter auffallen. Sie kontrolliert solche Produkte, die einen höheren Auffälligkeitsgrad und eine höhere Verderblichkeit haben.

Deswegen gibt es bei einer niedrigen Zahl von Stichproben einen sehr hohen Anteil von auffälligen Proben, weil diese Proben risikoorientiert genommen werden, meine Damen und Herren. Solange Sie das verschweigen und von 25 % Fehlerquote darauf schließen, dass 1,1 Millionen geschlachtete Tiere im Landkreis Cloppenburg nicht in Ordnung sind, Herr Meyer, sollten Sie damit aufhören, solche Dinge in den Raum zu stellen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: So ist es!)

Das ist des Parlaments nicht würdig, Herr Kollege Meyer.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: 900 Pro- ben landesweit!)

Herr Kollege Schminke, Sie haben davon gesprochen, dass die Stellen in der Lebensmittelüberwachung bei den Landkreisen im Nordwesten nicht besetzt werden. Sie beziehen sich dabei auf einen Artikel vom 1. Dezember; das weiß ich. Aber wenn Sie das hinterfragt hätten, Herr Kollege, dann wüssten Sie, dass dort nicht acht Stellen vorhanden sind, sondern fünf, und drei zusätzliche Stellen für das Jahr 2009 geschaffen worden sind, dass am 15. Dezember die Leitungsstelle der Lebensmittelüberwachung im Landkreis Diepholz besetzt wird und dass die Ausschreibungsverfahren für zusätzliche Stellen laufen, und zwar schon, bevor dieser Artikel auf den Weg gebracht worden ist. Informieren Sie sich doch, Herr Kollege Schminke! Dann können Sie sachliche Daten in den Raum stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Was sagt denn die Amtsleiterin dazu?)

Ich sage ganz deutlich: Sie wissen genau, dass von den 27 % der Fälle 22 % Kennzeichnungsmängel sind. Das heißt, das kann falsch verpackt, aber auch eine falsche Schriftgröße sein. Das kann ein fehlendes bzw. nicht leserliches Datum oder Ähnliches sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns auf den Boden der Tatsachen zurückkommen! Lassen Sie uns sachlich diskutieren! Dafür haben wir im Ausschuss Gelegenheit. Ich glaube, dass wir das dort tun. Aber machen Sie hier nicht solch einen Popanz und versuchen Sie nicht, eine ganze Branche zu diskreditieren!

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Als nächster Redner hat sich Herr Minister Ehlen zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Ehlen!