Frau Kollegin Zimmermann, wir hier oben im Präsidium sind ja großzügig. Aber ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen - das habe ich eben schon getan -, dass nach der Geschäftsordnung
das Verlesen von Erklärungen und Reden vor allem bei der Diskussion, die jetzt ansteht, nicht möglich ist. Insofern ist meine Bitte, beim nächsten Mal verstärkt darauf zu achten, dass freie Reden gehalten werden und Beiträge nicht so geleistet werden, wie Sie es eben getan haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das BKA-Gesetz gehört zu den am meisten umstrittenen Gesetzen innerhalb der Innen- und Sicherheitspolitik. Das ist auch gut so; denn dabei werden Grundrechtseingriffe zugelassen, die den Kernbereich der Privatsphäre betreffen. Damit sollte ein Rechtsstaat sehr sensibel und sehr kritisch umgehen.
Mit dem neuen BKA-Gesetz werden dem Bundeskriminalamt erstmalig umfassende Befugnisse gegeben, die zur Gefahrenabwehr im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus benötigt werden, so die Meinung vieler Sicherheitsexperten.
Die Entscheidung, dem BKA in bestimmten Fällen bei der internationalen Terrorismusbekämpfung die Kompetenz für die Gefahrenabwehr einzuräumen, ist schon im Rahmen der Föderalismusreform I getroffen worden. Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus hat nach dem 11. September 2001 und auch nach den Anschlägen von Madrid und London eine völlig andere Dimension angenommen. Sie wird auch in Zukunft eine der zentralen Herausforderungen sein. Das sollte auch die Partei der Linken zur Kenntnis nehmen.
Allerdings befinden wir uns hier in einem Spannungsfeld - das will ich nicht abstreiten - zwischen dem Schutz von Freiheits- und Grundrechten und dem sicherheitspolitisch Notwendigen. Das ist ein sehr schmaler Grat; da haben Sie sicherlich recht. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht hohe Anforderungen an die sogenannte Online-Durchsuchung gestellt und den Kernbereich privater Lebensgestaltung, also die Privat- und Intimsphäre, dabei besonders hervorgehoben.
Ich bin deshalb froh, dass die SPD auf Bundesebene das BKA-Gesetz noch einmal strittig gestellt hat und dass nachverhandelt werden musste. Dabei ging es um die richterliche Kontrolle bei den Online-Durchsuchungen, ein weiteres Zeugnisverweigerungsrecht und natürlich auch die klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem BKA und der Länderebene. Ich gebe gerne zu, dass dieser Kompromiss uns auch nicht wirklich überzeugt. Zumindest im Bereich des Zeugnisverweigerungsrechts haben wir nicht das erreicht, was wir erreichen wollten.
Meine Damen und Herren, nun steht der mühsam gefundene Kompromiss im Bundesrat erneut auf der Kippe, diesmal nicht unbedingt wegen der SPD, Herr Schünemann, sondern weil starke Kritik aus Ihren Koalitionsreihen, nämlich aus der FDP, gekommen ist. Herr Dr. Rösler wird in den Tageszeitungen mit dem Satz zitiert: Wir werden nicht zustimmen. - Tja, Herr Schünemann, was jetzt? Es wäre schon interessant zu erfahren, wie sich Niedersachsen bisher im Bundesrat verhalten hat und wie Sie am 19. Dezember abstimmen werden.
Außerdem hätte die FDP heute die Gelegenheit, auch hier in Niedersachsen deutlich zu sagen, was sie von der Ankündigung von Herrn Schünemann hält, die heimliche Online-Durchsuchung auch in das Polizeigesetz des Landes aufzunehmen. Zeigen Sie Herrn Schünemann seine Grenzen auf! Sagen Sie den Menschen hier im Lande, wie Sie es mit den Freiheits- und Grundrechten in unserem Land halten!
Meine Damen und Herren, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit muss gewahrt bleiben, damit die Menschen das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und auch in unsere Sicherheitskräfte behalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, in diese schwierige Debatte ein paar Zwischentöne einzubringen. Natürlich kann man das BKA-Gesetz in Bausch und Bogen verurteilen und sagen, das sei ein massiver Schritt in den Überwachungsstaat, das sei ein massiver Angriff auf die Privatsphäre. Ich finde aber, dass wir die Debatten zur inneren Sicherheit oftmals zu schrill führen. Dabei muss betont werden, dass wir das auf beiden Seiten machen. Was dem einen der Terrorismus, ist dem anderen der Leviathan.
Ich glaube nicht, dass das BKA-Gesetz ein so massiver Anschlag auf die Privatsphäre ist, wie es teilweise dargestellt worden ist. In der Anhörung im Bundestag kam von verschiedenen Rechtsprofessoren durchaus deutliche Kritik; das ist gar keine Frage. Aber es kamen keine Totalverrisse, wie es immer an die Wand gemalt wird.
Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, ist folgender: Kam denn definitiv Kritik, gab es Ungereimtheiten oder wurden Nachbesserungen am BKA-Gesetz eingefordert? - Ja, das gab es in vielen Bereichen. Der Gesetzentwurf ist nicht besonders gut gemacht. Er ist voll von Widersprüchen. Es gibt unterschiedliche Zeugenschutzregime; das wurde hier angesprochen. Das werden wir auf gar keinen Fall mittragen. Es ist völlig widersprüchlich, dass es z. B. einen unterschiedlichen Informantenschutz gibt. Es ist völlig widersprüchlich, dass es Zeugenschutzregime erster und zweiter Klasse gibt. Das ist völlig falsch.
Insbesondere für Journalisten und auch für das vertrauliche ärztliche Gespräch sind die gleichen Schutzregelungen wie für Parlamentarier und Seelsorger erforderlich; das ist gar keine Frage.
Der zweite große Fehler in diesem Gesetzentwurf war - ich weiß nicht, ob die Große Koalition das noch ändert - die sogenannte Eilkompetenz bei der Online-Durchsuchung. Ich habe große Zweifel, ob wir das Instrument der Online-Durchsuchung überhaupt brauchen. Aber wenn die Große Koalition es zulässt, dann braucht man auf jeden Fall - das ist ganz entscheidend wichtig - sehr harte Verfahrensregelungen. Das kann nur mit einem strengen Richtervorbehalt zugelassen werden. Das ist ganz entscheidend wichtig für uns. Es kann nicht sein, dass man diesen schweren Grundrechtseingriff in den Selbstvollzug, in die Eigenkompetenz der Po
Jetzt kommt auch schon die Landesebene ins Spiel. Ich bin sehr gespannt darauf, was der Kollege Bode gleich in Bezug auf das BKA-Gesetz sagen wird. Da machen Sie auf Bundesebene ja ganz große Backen. Wissen Sie, was ich sehr interessant finde, Herr Bode? - zeitgleich mit dem BKA-Gesetz verhandeln wir in Niedersachsen das Verfassungsschutzgesetz. Darin ist auch der Große Lauschangriff enthalten. Da kann die Verwanzung der Wohnung bei Gefahr im Verzug sogar ohne Richtervorbehalt angeordnet werden. Was Sie auf Bundesebene lauthals beklagen, das lassen Sie hier in Niedersachsen zu. Das halte ich für zutiefst unlauter.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist Folgendes: Das Rechtsschutzregime ist eigentlich Kernaufgabe einer liberalen Partei. Wissen Sie, wo Sie das in Niedersachsen andocken? - Bei den völlig überlasteten Amtsgerichten in Hannover. Die saufen heute schon ab, weil die Landesregierung die Gerichte nicht adäquat ausstattet.
Das ist das Rechtsschutzverständnis der FDP in Niedersachsen! Im Bundesrat machen Sie in dieser Sache dicke Backen, und in Niedersachsen machen Sie viel zu wenig. Das, finde ich, ist zutiefst unlauter.
Es ist keine Frage: Beim BKA-Gesetz muss in vielen Bereichen nachgearbeitet werden. Es bedarf sicherlich einer Komplettrevision bzw. Komplettüberarbeitung. Der Schutz des Kernbereichs ist schlecht geregelt. Die Rasterfahndung gehört da eigentlich gar nicht hinein. Aber wenn dieses Gesetz kommt - wahrscheinlich wird die Große Koalition es so verabschieden -, dann müssen wir in Niedersachsen darüber reden, was wir bei unseren Sicherheitsgesetzen abrüsten können. Das ist die entscheidende Frage, die der Landtag klären muss. Ich bin sehr gespannt darauf, auf welche Zugeständnisse sich der Innenminister einlassen wird und was die FDP aushandeln wird, wenn es darum geht, welche Regelungen wir eigentlich im Verfassungsschutzgesetz brauchen.
Letzter Satz, der in dieser Debatte sehr wichtig ist: Wir müssen sicherlich darüber reden, welche Befugnisse der Staat im Kampf gegen den Terrorismus braucht. Aber wir müssen auch endlich einmal eine Debatte über die Ursachen von Terrorismus führen. Das ist eine große politische Aufgabe, die mir immer viel zu kurz kommt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das BKA-Gesetz ist ein Beispiel dafür, dass man über Bürger- und Freiheitsrechte und den Schutz der Bevölkerung, der Menschen in diesem Lande, in Konkurrenz zueinander ernsthaft diskutieren und dabei eine Güterabwägung vornehmen muss. Genauso selbstverständlich ist, dass man nach einer ellenlangen Diskussion irgendwann zu einem Ergebnis kommen muss. Hierbei geht es um nichts anderes, als Möglichkeiten für das BKA zu schaffen, beispielsweise terroristische Anschläge zu verhindern. Wenn ein mögliches Netzwerk von Terroristen - hervorragend organisiert, technisch bestens ausgestattet - innerhalb der Bundesrepublik gleichzeitig in verschiedenen Bundesländern tätig wird, dann liegt es nahe, dass das BKA die richtige Dienststelle ist, die sich damit befasst, und zwar natürlich in Abstimmung mit den Ländern, was ja im BKA-Gesetz auch vorgesehen ist. Die Befugnisse orientieren sich an den Gefahrenabwehrbefugnissen der Länderpolizei und Bundespolizei.
Besonders strittig - das wurde eben angesprochen - war die Online-Durchsuchung. Aber man wird die Augen nicht davor verschließen können, dass auch die staatliche Seite technische Höchststandards - über die auch diejenigen verfügen, die terroristische Anschläge verüben wollen - nutzen muss, um solche Anschläge zu verhindern. Wer will denn diese Gefahren offenen Auges in Kauf nehmen und die Verantwortung übernehmen, wenn Anschläge verübt werden, die hätten verhindert werden können, wenn die entsprechenden technischen Möglichkeiten eingesetzt worden wären?
ger oder Abgeordnete geführt worden. Im Laufe der Diskussion ist ein Kompromiss erarbeitet worden, der jetzt auf dem Tisch liegt und im Grunde verabschiedet werden kann. Wenn man in Berlin Koalitionspartner ist, kann man sich nicht einfach davonmachen.
- Es ist immer das Gleiche: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Das ist die Politik, die hier umgesetzt werden soll.
Ich kann an dieser Stelle unmöglich zu allen Punkten etwas sagen. Der Zwiespalt zwischen den Freiheitsrechten der Bürger und dem Schutz von Leib, Leben, Hab und Gut der Bürger ist natürlich ernst zu nehmen, darf aber nicht zu Handlungsunfähigkeit führen. Deswegen ist es, meine ich, jetzt an der Zeit, das BKA-Gesetz entschlossen zu verabschieden.