Protokoll der Sitzung vom 15.01.2009

Das wäre doch nahe liegend gewesen. Immer dann, wenn Sie Regierungsverantwortung hatten, wenn Sie es hätten machen können, haben Sie nichts getan. Aber wenn Sie in der Opposition sind, dann sagen Sie, jetzt müssten wir es unbedingt machen. Das aber nur als Feststellung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Langsam wird es albern! Stehen Sie einmal zu Ihrer eigenen Verantwortung!)

Vielleicht noch einmal ein Blick nach BadenWürttemberg, Herr Jüttner. Ich habe heute einmal im Internet geguckt; das war ganz interessant. Was mich allerdings ein bisschen stutzig gemacht hat, war, dass die Zahlen alle noch in D-Mark ausgewiesen waren. Deswegen kann der Beitrag nicht ganz aktuell gewesen sein; aber er stand ganz oben. In Baden-Württemberg hat man das gemacht, was Sie in Niedersachsen versäumt haben. Dort hat man nämlich einen Altlastenfonds aufgelegt. Man hat ihn erst mit 10 Millionen Euro bestückt und nach und nach aufgestockt, weil man sehr schnell erkannt hat, dass man mit ein paar

Millionen nichts machen kann. Wenn man in einen solchen Fonds einsteigt, muss man schon mit hohen Beträgen arbeiten. Das ist aber Ende der 90er-Jahre wieder zurückgegangen. Man hat damals konsolidieren müssen, was hier leider ausgeblieben ist. Man hat den Fonds dann immer weiter heruntergefahren und im Zuge der Haushaltskonsolidierung umgeschichtet. Man hat Schulsanierung und solche Dinge gemacht.

Uns wird ja noch dargestellt werden, wie die Erfahrungen in anderen Bundesländern sind und was auf dem Gebiet passiert ist und heute noch passiert. Aber wie gesagt: Hätten Sie es getan, hätten wir in der Zwischenzeit immerhin schon ein ganz erklecklichen Betrag aufbringen können.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Sie sollten im Ausschuss präzisieren, was Sie mit dem Altlastenfonds im Einzelnen machen wollen. Wollen Sie die Erkundung bzw. die Untersuchung oder die Sanierung finanzieren, oder beides? Oder wollen Sie die Sanierungskosten von den Kommunen oder von den Eigentümern übernehmen? - Der bitterste Fall ist ja, wenn ein Eigentümer, ein Privatmann als sogenannter Zustandsstörer, der irgendwo eine Eigentumswohnung hat, beispielsweise hier in Hannover, plötzlich eine Altlastensanierung bezahlen soll, für die er gar nicht verantwortlich ist, weil der Verhaltensstörer, der die Altlast verursacht hat, nicht mehr zu belangen ist. Ein solcher Fall ist für die Betroffenen, die wirklich nichts dafür können, sehr ärgerlich. Hier wäre es wünschenswert, wenn man helfen könnte. Aber da gibt es leider eine klare Rechtslage, die Sie kennen und an die man sich halten muss, um dort weiterzukommen. Ich warne deswegen vor der Euphorie, dass man es mit überschaubaren Mitteln hinbekommen könnte, die Betreffenden aus der Pflicht zu entlassen. Wir müssen nun sehen, wie das Ganze ausgeht.

Eines noch zum Schluss: In Ihren Anträgen fordern Sie immer Aktionspläne, Programme oder, wie in diesem Fall, ständige Arbeitsgruppen. Ich glaube nicht, dass wir so etwas unbedingt immer gleich einrichten müssen und brauchen. Ich meine, wenn wir im Ausschuss das Thema beraten - der Sachverhalt und die Rechtslage ist ja soweit klar; die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, wie weit sie mit ihren Bestrebungen gekommen sind, kann man ganz gut abgreifen; dies lässt sich ja problemlos zusammentragen -, dann sind wir durchaus dazu in der Lage, uns eine Meinung zu bilden und

dieses Thema zu entscheiden. Dies sollten wir tun und sehen, was dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Herzog das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Zahlen brauchen wir nicht zu streiten. In Niedersachsen gibt es laut offizieller Angabe des LBEG rund 83 000 Altlastflächen bzw. Verdachtsflächen. Auch die Zahl der Sanierungen ist bekannt: Es sind 1 100. Sie können die Prozentzahl ausrechnen. Es ist herzlich wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Beinahe wie bestellt oder - sagen wir lieber - exemplarisch kam die Altlastproblematik Riedel-de Haën. Zeigt sie doch genau das Dilemma auf, das durch fehlende gesetzliche Grundlagen, zögernde Behörden und schlicht aussitzende politische Entscheidungsträger entsteht. Verursacher sind oft schwer dingfest zu machen. Behörden wählen den einfacheren Weg, indem sie heutige Besitzer, die oft völlig unschuldig sind, zu Kosten heranziehen wollen. Die ganze Angelegenheit zieht sich unter Umständen Jahre hin, in diesem Fall mit hohem Gefährdungspotenzial mitten in der Wohnbebauung.

Und die Landesregierung? - Tja, die hat faktisch resigniert.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Der zuständige Minister, Herr Sander, reduziert sich auf weinerliche Rückzugsrituale. Diese Regierung, meine Damen und Herren, für die es laut Aussage ihres Ministerpräsidenten das Wichtigste ist, das strukturelle Defizit der Haushalte auf null zu bringen, um nachfolgende Generationen nicht zu belasten, hat überhaupt kein Problem damit, riesige Schulden im Umweltbereich anzuhäufen und an kommende Generationen zu vererben.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das ist der Punkt!)

Das ist im Übrigen das gleiche Prinzip wie beim Atommüll. Aber damit werden Sie auch an dieser Stelle nicht durchkommen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Und ob!)

Dass aber die Sozialdemokraten einen Antrag schreiben nach dem Motto „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis“ zeugt nicht gerade von treffgenauer Tatkraft.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, da haben Sie recht!)

Dies kommt nicht von ungefähr. Hatten doch auch Sie, Herr Jüttner, in Ihrer Regierungszeit bei diesem Thema das politische Handeln ersatzlos eingestellt. Dabei gibt es ja erfolgreiche Vorbilder, wie beispielsweise die Schweiz, die einen zig Millionen schweren Altlastenfonds per sogenannter Kehrrichtabgabe auf nationaler Ebene eingeführt hat. Der Freistaat Bayern legte im „Umweltpakt Bayern“, wie der Fonds dort heißt, mit 50 Millionen Euro den Grundstock, und die Wirtschaft beteiligt sich an den 35 Millionen Euro Bestückung pro Jahr. Noch eines ist dort vorbildlich: Über den Finanzausgleich werden an die Kommunen 2 Euro pro Jahr und Einwohner für Sanierungsprojekte gezahlt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, meine Damen und Herren, wie Sachsen und Baden-Württemberg beispielsweise, bleibt Niedersachsen hingegen abschreckendes Beispiel.

(Beifall bei der LINKEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Na, na, na!)

Gerade einmal eine schlappe Million im Haushalt, Herr Biallas. Die von den Linken beantragte Aufstockung im Haushalt 2009 wurde von Ihnen schlankweg abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir Linken werden deshalb vor Ort alle Betroffenen und Initiativen weiterhin unterstützen, damit die Verursacher zur Rechenschaft gezogen werden. Wir Linken werden uns weiter für verfassungskonforme Landesregelungen, für die schnelle Aufstockung der notwendigen Sanierungsmittel im Landeshaushalt und für die Aktualisierung des niedersächsischen Altlastenkatasters einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bis zur Einrichtung einer bundeseinheitlichen Regelung halten wir das bayerische Modell für nachahmenswert, inklusive eines Pro-Kopf-Betrages für die Kommunen.

Mein Fazit der politischen Versäumnisse dieser Regierung lautet abschließend wie folgt: Herr Ministerpräsident Wulff, Herr Minister Sander, Schulden machen zulasten kommender Generationen sind auch der ungebremste Ressourcenverbrauch,

die Umweltzerstörung und das schlichte Nichtstun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Darin wiederum ist diese Regierung vorbildlich. Deshalb ist Ihre Haushaltspolitik nicht mustergültig, sondern schlicht eine Mogelpackung und ein Wechsel in die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzter Satz: Meine Damen und Herren des rechten Lagers, die Altlast sind Sie, und zwar die politische. An deren Sanierung und Entsorgung arbeiten wir.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Dürr zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Herzog, bei der Analyse der Regierungszeit der SPD bin ich durchaus bei Ihnen. Ich weise nur der Ordnung halber darauf hin, dass man in Niedersachsen nicht einfach etwas hinschütten kann, ohne dass es Rechtsfolgen gibt. Manchmal wird ja etwas anderes behauptet. Wir reden an dieser Stelle ausdrücklich über Altlasten, also über Dinge, bei denen es unter Umständen keinen Rechtsnachfolger gibt, sodass die Sanierungspflichten am Ende beim Staat liegen. Sie haben natürlich Recht, dass dann dafür zu sorgen ist, dass der Schaden wieder in Ordnung gebracht wird.

Das Problem, Frau Kollegin Schröder-Ehlers, ist in Ihrem Antrag durchaus richtig benannt. Ich empfinde es allerdings als spannend, dass jetzt gerade die SPD von einem solidarischen Verfahren - so habe ich es vorhin Ihrer Rede entnommen - spricht. Herr Kollege Henning Brandes hat das eben schon ganz richtig dargestellt: Im Jahr 1990 - wir gehen einmal 18 Jahre zurück - war tatsächlich eine Gesellschaft zur Altlastenbehandlung in Gründung, und zwar solidarisch, nämlich in Kooperation mit der Wirtschaft. In diesen Altlastenfonds sollten damals etliche D-Mark fließen, und die Wirtschaft war bereit, ihren Anteil zu zahlen. Bedauerlicherweise gab es im Jahr 1990 einen Regierungswechsel zu Rot-Grün. Das Erste, was seinerzeit Ihr Namensvetter - jedenfalls bei dem

einen Teil des Namens -, Herr Schröder, machte, war, diese Kooperation in Sachen Altlastenfonds aufzukündigen und die Wirtschaft mitsamt der Millionen D-Mark vor die Tür zu setzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat mit Altlastensanierung und vernünftiger solidarischer Politik gar nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben damals die Wirtschaft, von der Sie jetzt wieder verlangen, bei diesem Thema finanziell tätig zu werden, vor den Kopf gestoßen. Stattdessen hat die SPD - darauf hat Kollege Brandes zu Recht hingewiesen - eine Abfallabgabe, also eine Zwangsabgabe, eingeführt. Man könnte hier noch sagen, die SPD sei damals so staatsgläubig wie heute gewesen

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Nicht so stark wie Teile einer Regierungsfrakti- on!)

und habe nicht an Kooperationen glauben, sondern mit staatlichen Gebührenmechanismen arbeiten wollen. Aber Ende der 90er-Jahre ist die SPD mitsamt den an der Regierung beteiligten Grünen mit dieser Abfallabgabe vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Nicht nur, dass man keinen Altlastenfonds hatte - da könnte man noch sagen, Rot-Grün habe einfach nur Mist gebaut -, sondern am Ende hat es das Land Niedersachsen auch noch Millionen D-Mark gekostet, weil Gelder an die Wirtschaft zurückgezahlt werden mussten! Das ist die Wahrheit über den Altlastenfonds der SPD.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich kann die Unternehmerverbände heute relativ gut verstehen, wenn sie sagen, nachdem die SPDPolitik in Niedersachsen sie so vor den Kopf gestoßen hat, dass es ihnen schwerfalle, jetzt wieder eine Einladung zur Kooperation anzunehmen. Gleichwohl wollen wir, wie es auch der Minister eben gesagt hat, an diesem Thema dranbleiben und mit den Unternehmen weiter im Gespräch bleiben. Es ist nicht so, dass das Land gar nichts täte. Wir werden europäische Strukturmittel, nämlich EFRE-Mittel, einsetzen. Damit werden im Landeshaushalt 2010 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Zum Abschluss gebe ich einer Analyse des Kollegen Herzog auch noch Recht: Wenn das Motto „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis“ die Maxime der SPD und ihr einziger Beitrag zur Altlastensanierung in Nieder

sachsen ist, dann ist mir der Zustand dieser Partei noch einmal sehr deutlich geworden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Sander das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Altlasten sind auch für diese Landesregierung ein Problem. Aufgrund der Dinge, die Sie in den 90er-Jahren veranstaltet haben, ist aber die Durchsetzbarkeit ein noch größeres Problem. Sie haben hier zwar beispielhaft dargelegt, wie gut das Problem in anderen Ländern angegangen wird. Da Sie aber, Herr Jüttner, in den 90er-Jahren mit Frau Griefahn keine Umweltpolitik mit den Menschen machten, wie wir sie betreiben, brauchen Sie sich über die Ergebnisse auch nicht zu wundern.