Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie bei aller Notwendigkeit, diese Debatte ernsthaft zu führen - das Feuerwehrwesen in diesem Lande ist keine parteipolitische Diskussion -
den dummen Spruch „und die Feuerwehrautos bleiben rot“ hier wiederholen. Sie haben das wortwörtlich schon in einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses in Richtung meiner Fraktion gesagt mit dem Vorwurf, die SPD kümmere sich doch nur um die Feuerwehren, weil die Autos so schön rot sind. Ich dachte nicht, dass ich es hier wiederholen muss. Ich bedaure nicht, dass mir spontan darauf folgende Antwort eingefallen ist: Dann haben Sie wohl eine hohe Affinität zu Leichenwagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem Umfang der Materie ist selbst die längere Redezeit bei Großen Anfragen kurz. Deswegen will ich auf einige Sachpunkte gezielt eingehen.
In unserem Antrag aus dem Sommer, der uns im Parlament ja weiter beschäftigen wird, stand zu keinem Zeitpunkt, dass wir die Führerscheinthematik aufgeworfen haben, weil Feuerwehren deswegen nicht mehr einsatzfähig wären. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass in der Antwort auf die Große Anfrage ausgeführt wurde, dass das nicht der Fall ist. Aber es ist schwieriger geworden. Gestern hatte meine Kollegin Sabine Tippelt 50 Feuerwehrleute aus dem Flecken Delligsen hier im Hause. Was meinen Sie, was an den Tischen als
wichtigstes Thema angesprochen wurde? - Die Führerscheinproblematik. Sie ist nicht vom Tisch, weil die Tonnage auf einen bayerischen Vorschlag hin erhöht wurde. Herr Minister, wir sind ja an Ihrer Seite. Sie wissen, dass Normfahrzeuge heute weitaus schwerer sind. Das Problem ist nicht gelöst. Wir machen uns Sorgen, dass das nicht von den Kommunen allein gelöst werden kann. Das Land muss hilfreich sein. In unserem Antrag steht: Hilfen geben, etwas in den Landesfeuerwehrschulen beitragen, Kapazitäten auch für freiwillige Feuerwehren bei den Fahrschulen der Berufsfeuerwehren anbieten und vielleicht auch die Frage der Bezuschussung von Feuerwehrführerscheinen ansprechen.
Es kam zwar nicht dazu, dass Einsätze nicht gefahren wurden. Aber - das kann ich beweisen - die Ausrückzeiten haben sich verlängert, weil die ersten nach Alarm am Gerätehaus eingetroffenen Kameraden keinen ausreichenden Führerschein hatten und warten mussten, bis derjenige kam, der das Fahrzeug bewegen darf.
Das ist deutlich schlechter geworden. Deswegen besteht an dieser Stelle Handlungsbedarf. Wir sollten aus einer solchen Großen Anfrage nicht nur eine Jubelveranstaltung machen, sondern wir sollten daraus die Konsequenzen ziehen und die Weichen für die Zukunft stellen.
Herr Minister, wir haben einen hervorragenden Landesbranddirektor bekommen. Auch hier stehe ich an Ihrer Seite. Sie haben eine richtige Personalentscheidung für einen Mann getroffen, der in Hamburg mit hoher fachlicher Kompetenz und hohem Einsatz, mit Erfahrung im Einsatzdienst und in der Verwaltung ein ausgezeichnetes Renommee als stellvertretender Chef der Hamburger Berufsfeuerwehr hatte. Aber dass es ein Jahr gedauert hat, bis Sie Ihr Versprechen an den Landesfeuerwehrverband, das Ihnen ja Weihnachten vor zwei Jahren abgenötigt werden musste, eingelöst haben, ist die Kehrseite der Medaille.
Was wir uns wünschen würden, wäre, dass Herr Schallhorn - ihm und seinen Mitarbeitern möchte ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich für die
Beantwortung der Großen Anfrage danken; denn die haben die Arbeit geleistet - auch für die Bereiche Katastrophenschutz und Rettungsdienst zuständig wird; denn in diesen Bereichen ist er genauso Fachmann und verfügt über umfassende Erfahrungen aus Hamburg. Vielleicht sollten Sie auch über diese Umorganisation in Ihrem Hause noch einmal nachdenken.
In diesen Dank möchte ich auch die Mitarbeiter des Landesfeuerwehrverbandes einbeziehen, nämlich den Geschäftsführer, Herrn Sander, seinen Mitarbeiter, Herrn Buchheister und auch Herrn Fröchtenicht von den Jugendfeuerwehren; denn sie mussten unter großem Einsatz zuarbeiten. Trotzdem aber war es nicht möglich, alle Fragen zu beantworten. Zur Personalsituation sind von 28 gestellten Fragen 13 mit dem Hinweis darauf, dass es keine statistischen Daten gebe, nicht beantwortet worden. Von den zu den Einsätzen gestellten 30 Fragen sind 16 Fragen mit dem Hinweis darauf, dass es keine statistischen Daten gebe, nicht beantwortet worden. Wir haben hier also noch einiges aufzuarbeiten.
Ich möchte jetzt aber nicht mehr Statistiken das Wort reden. Aber gucken Sie einmal ein bisschen mehr in die Praxis. Wenn Sie die jährlichen Berichte des Landesfeuerwehrverbandes, des Deutschen Feuerwehrverbands oder die monatlich erscheinende Zeitschrift Lauffeuer der Jugendfeuerwehr läsen und auswerteten, wären viele Fragen, die Sie gestellt haben, nicht notwendig gewesen. Schön, dass wir jetzt das Kompendium haben. Wir werden das auswerten. Wir waren schon im Sommer des letzten Jahres in der Lage, unsere Vorstellungen und Forderungen zur Weiterentwicklung des Feuerwehrwesens in einen Antrag zu kleiden.
Meine Damen und Herren, jetzt noch ein Wort zur Feuerschutzsteuer. Es stimmt schon verwunderlich - auch hier stehen wir an Ihrer Seite, Herr Schünemann, und sind der Meinung, dass diese Steuer mit ihrer Zweckbindung erhalten werden muss -, dass der Finanzminister und der Ministerpräsident bei der Föderalismusreform II mitmachen, Sie das dann aber merken und die Innenministerkonferenz zurückrudern muss. Was ist das innerhalb Ihrer Landesregierung eigentlich für eine Koordination? - So weit hätte das doch gar nicht kommen müssen.
Wir begrüßen außerordentlich, dass jetzt nach der auf Bundesebene durchgeführten Neuorganisation des Katastrophenschutzes im Haushalt erstmalig 2 Millionen Euro an Landesmitteln für den Katastrophenschutz eingestellt worden sind. Dieser Betrag kompensiert zwar nicht die wegfallenden Bundesmittel, aber er ist ein richtiger Schritt, den wir begrüßt haben. Im Augenblick dürfen diese Mittel aufgrund der Zweckbindung aber nur für die Hilfsorganisationen verausgabt werden, weshalb kommunale Feuerwehren gar nicht bedient werden können. Das ist die Kehrseite der Medaille. Also müssen wir in den nächsten Jahren auch mit Blick auf die Titelbindung dafür sorgen, dass von diesen Mitteln auch die Feuerwehren partizipieren, Herr Minister.
Als Letztes möchte ich die Maut ansprechen. Wer keine Forderungen an die Zukunft stellt, der wird auch nichts verändern. Bisher müssen die Vorhaltekosten für technisches Gerät, das erforderlich ist, um Feuerwehreinsätze an Bundesverkehrswegen, an Bundeswasserstraßen, an Bundesautobahnen, in Tunneln und Ähnlichem mehr zu organisieren, fast ausschließlich von den Kommunen getragen werden. Der Bürgermeister von Friedland hat mir gesagt: Wunderbare Geschichte, Tunnel zwischen Niedersachsen und Thüringen. Warum aber muss ich das Tunnelfahrzeug mit kommunalen Mitteln finanzieren? Warum macht das nicht das Land? - Entweder öffnen wir die Maut - aber nicht über eine Erhöhung, sondern über das zusätzliche Aufkommen aus dem vermehrten Lkw-Verkehr; auch Hessen möchte diesen aus unserer Sicht gerechtfertigten Weg eventuell gehen -, oder wir müssen Landesmittel zur Verfügung stellen, um die Kommunen bei der Finanzierung solcher Ausrüstungen und der Bewältigung solcher Sonderanforderungen aufgrund der Strukturen nicht im Regen stehen zu lassen.
Mit meinen letzten Bemerkungen - ich habe nur noch eine Minute - möchte ich noch etwas zur Wertschätzung des Ehrenamtes sagen. Ja, wir stehen an der Seite des Präsidenten Graulich, wenn er heute über die Presse fordert, dass Feuerwehren auch Anreize brauchen. Feuerwehrleute - insbesondere die Angehörigen der freiwilligen Feuerwehren - bringen noch Geld mit für ihren öffentlichen Dienst, der eigentlich ein Staatsauftrag ist, der im Brandschutzgesetz beschrieben ist und für den die Kommunen zuständig sind. Sie bringen
Geld mit für Benzin und für die Reinigung ihrer Dienstkleidung. Deswegen geht es nicht nur um eine Wertschätzung in Worten. Deshalb müssen wir ernsthaft über neue Einnahmequellen nachdenken. Ich erlaube mir, auch zu fragen: Warum soll nicht ein Steuerfreibetrag für aktive Feuerwehrleute eine Zukunftsperspektive sein, um ein solches Engagement für die Allgemeinheit zu finanzieren?
Herr Minister, um Ihren freiwilligen Ordnungsdienst ist es stiller geworden. Gott sei Dank. Aber da haben Sie die Bezahlung zum System gemacht. Feuerwehrleute jedoch dürfen ihr eigenes Geld mitbringen. Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die wir hier gemeinsam loben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Gemeinsam sind wir stark - Feuerwehr ohne Alternative“ - mit diesem Slogan wirbt der Landesfeuerwehrverband Niedersachsen auf seiner Internetseite. Ein bestechendes Motto. Damit das auch so bleibt, gibt es in diesem Bereich unserer Meinung nach noch einiges zu tun. Wir unterscheiden zwischen freiwilligen Feuerwehren mit ihren Ortsfeuerwehren, den Berufsfeuerwehren und den Werksfeuerwehren. Ich werde mich im Wesentlichen auf die freiwilligen Feuerwehren beziehen.
Mit mehr als 130 000 Mitgliedern ist die Gruppe der freiwilligen Feuerwehren mit Abstand die größte. Die Werksfeuerwehren liegen bei ca. 4 800 Mitgliedern und die Berufsfeuerwehren bei ca. 1 900 Mitgliedern. Doch was sagen uns diese Zahlen eigentlich? Warum gibt es in einem Flächenland wie Niedersachsen nur so wenige Berufsfeuerwehren? Können wir uns wirklich in Sicherheit wiegen? - Ostfriesland z. B. hat keine Berufsfeuerwehr, weil keine Stadt die notwendigen Bedingungen erfüllt. Wie wäre es also, wenn es keine oder nicht ausreichend flächendeckend die bestens ausgebildeten freiwilligen Feuerwehren gäbe? - An dieser Stelle darf es uns auf gar keinen Fall beruhigen, dass Niedersachsen, was die Mitgliederzahlen angeht, im Bundesvergleich noch ganz gut dasteht. Das sagt im Übrigen auch der Ver
bandspräsident Hans Graulich. Zwischen 1997 und 2005 haben mehr als 4 800 Mitglieder die freiwilligen Wehren verlassen, und 38 Ortsfeuerwehren verschwanden ganz von der Bildfläche. Das ist alarmierend.
Meine Damen und Herren, nicht nur wegen des Bevölkerungsrückgangs, sondern auch mangels Attraktivität schrumpfen die Mitgliederzahlen. Fort- und Weiterbildung, die technische Ausstattung, der Führerschein für die Einsatzfahrzeuge oder die gesellschaftliche Anerkennung sind nur einige Beispiele dafür, woran es hier und da hapert. Entlang der A 2 z. B. haben die Feuerwehren eine besonders schwere Belastung, weil dort wöchentlich mehrere Tote aus Fahrzeugen geborgen werden müssen. Die psychische Belastung ist unbeschreiblich. In diesem Bereich mangelt es nicht nur an Anreizen, um diesen gesellschaftlich unverzichtbaren Job interessanter zu machen, sondern hier mangelt es auch an psychologischer Unterstützung für die Kolleginnen und Kollegen.
Was ist eigentlich mit der Berufstätigkeit der Freiwilligen? - Viele gehen nach einem nächtlichen Einsatz zur Arbeit, weil so mancher Arbeitgeber wenig bis gar kein Verständnis für die dauernden Ausfälle bei der Arbeit hat. Hier ist noch ein gutes Stück Überzeugungsarbeit zu leisten. Eine gesellschaftliche Anerkennung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit ist noch lange nicht zur Zufriedenheit ausgereift.
Meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zur Jugendarbeit: Es gibt noch mehr als 1 000 Ortsfeuerwehren, die keine Jugendfeuerwehr haben. Aber gerade im ländlichen Raum ist die Jugendfeuerwehr oftmals der einzige Treffpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene. Hier können soziale Kompetenzen erworben werden. Hier lernen junge Menschen Solidarität, ehrenamtliches Engagement und Verantwortungsbewusstsein. Hier ist der Ort, an dem Aktivitäten und gemeinsames Handeln stattfinden.
Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass diese Thematik jetzt endlich auch im Innenministerium angekommen ist. Der Landesbranddirektor, den wir jetzt ja haben, hat die Nachwuchsgewinnung zur dringlichen Aufgabe erklärt und zu dieser The
matik eine Projektgruppe eingerichtet. Ich bin schon jetzt sehr gespannt darauf, welche Ergebnisse diese Gruppe erarbeiten wird.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Wir haben in der neuen Legislaturperiode bis jetzt jedenfalls eine ziemlich schlappe Regierung. Das haben wir gestern festgestellt. Wir stehen momentan auch vor sehr großen Herausforderungen in diesem Land, sowohl was die Wirtschaftskrise als auch die Problematik des Klimawandels angeht. Man muss trotzdem nicht alle Hoffnung fahren lassen und muss nicht in den allgemeinen Pessimismus verfallen, weil wir immer noch sehr gute Institutionen in diesem Land haben. Zu diesen Institutionen gehört die Polizei, zu diesen Institutionen gehört die Justiz, und zu diesen Institutionen gehört ohne Zweifel auch die verdammt gute Institution Feuerwehr. Daran gibt es gar keinen Zweifel.
Die Feuerwehren sind sehr breit und sehr gut aufgestellt. Das wird in der Großen Anfrage deutlich und ist auch in allen Redebeiträgen deutlich geworden. Trotzdem gibt es große Herausforderungen oder Veränderungspotenziale für die Zukunft. In meinen Augen ist die zentrale Herausforderung die Erhaltung der breiten ehrenamtlichen Basis. Die Feuerwehr hat in dieser Hinsicht ihre Hausaufgaben zum Teil schon gemacht. Ich erwähne in diesem Zusammenhang Jugendfeuerwehren und Kinderfeuerwehren, die sehr gute Nachwuchsprogramme darstellen. Die Überführung von der Jugendfeuerwehr in die Erwachsenenfeuerwehr gelingt zum Teil sehr gut. Das ist keine einfache Aufgabe. Das wissen wir. Übrigens war auch nicht jede bildungspolitische Entscheidung in Niedersachsen in der jüngsten Vergangenheit klug, z. B. die Entscheidung für das achtjährige Gymnasium. Dies erschwert auch Ehrenamtlichkeit.