Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Drittens. In den letzten Jahren sind bekanntlich zwei große neue Justizvollzugsanstalten in Sehnde und Rosdorf gebaut worden, und auf dem Gelände der ehemaligen Luftwaffenkaserne in Bremervörde ist eine weitere Justizvollzugsanstalt in Planung. Sie sehen daran: Die Modernisierung unserer Justizvollzugsanstalten insgesamt geht konsequent weiter. Auch das ist ein Erfolg dieser CDU/FDP-Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Viertens. Die Beschäftigungsquote der Häftlinge ist mit ca. 76 % hervorragend. Die Quote wurde seit 2002 um mehr als die Hälfte gesteigert. 4 710 Inhaftierte haben dadurch einen strukturierten Tagesablauf.

(Zustimmung bei der CDU)

Fünftens. Seit 2002 wurde die Zahl der Aus- und Fortbildungsplätze um 18 % auf 1 366 Plätze gesteigert.

Sechstens. Im Jahr 2007 gab es keinen einzigen Ausbruch. Unter der SPD-Regierung waren es 2002 noch zwölf Ausbrüche aus dem geschlossenen Vollzug.

Diese Fakten zeigen: Die Sicherheit der Menschen und die Resozialisierung der Gefangenen sind bei dieser Landesregierung in guten Händen. Der Justizvollzug hat in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren eine außergewöhnlich gute Entwicklung genommen. Der Justizvollzug in Niedersachsen ist eine Erfolgsgeschichte. Die Opposition sollte diese Fakten endlich zur Kenntnis nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Abgeordneten Haase von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber David McAllister, die Vernebelung geht weiter. Zu dem Thema, worüber Niedersachsen seit Wochen spricht, haben Sie nichts gesagt.

(Zustimmung bei der SPD - David McAllister [CDU]: Kommt doch noch!)

Meine Damen und Herren, es ist in der Tat auch die Aufgabe des Parlaments, einer Regierung auf die Finger zu schauen, zu gucken, was da eigentlich passiert ist, und sie zu kontrollieren. Dann reicht es nicht, wenn Minister in Fragestunden oder in Ausschusssitzungen zwar viel erklären, aber keine Antworten geben.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das stimmt ja gar nicht!)

Der Vorfall in Salinenmoor ist das Thema. Der Vorfall in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar fordert unsere Aufmerksamkeit heraus; denn es gibt mehr als offensichtliche Parallelen zu Siegburg, hier allerdings erfreulicherweise mit einem glücklichen Ausgang.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja un- glaublich!)

Bis heute ist der Sachverhalt, der von der Staatsanwaltschaft untersucht wird, nicht abschließend geklärt. Deswegen hätte ich heute gerne neue

Fakten zur Kenntnis genommen, wobei eine Aktuelle Stunde dafür allerdings wohl nicht der richtige Platz ist.

Wahrheit ist aber auch, Herr McAllister: Sehnde und Rosdorf haben SPD-Regierungen auf den Weg gebracht. SPD-Regierungen haben hier die Überkapazitäten oder die Überbelegung abgebaut.

(Beifall bei der SPD)

Und Fakt ist auch: In Salinenmoor kam es zu einer Gewalttat. Nach Aussage der Rechtsmediziner wurde ein Häftling mit potenziell lebensbedrohlichen Schlägen malträtiert, vermutlich gewürgt und sogar vergewaltigt. Ein solcher Vorgang ist nicht alltäglich, und wir müssen ihn untersuchen. In der Regel führt ein solcher Vorgang unverzüglich zur Benachrichtigung der zuständigen Ausschüsse. Erst vor ein paar Tagen kam wieder eine solche Mitteilung. In diesem Fall entschied das Justizministerium allerdings am 22. Januar, den Landtag trotz der brutalen Merkmale dieser Tat erst zu informieren, wenn die angeordnete rechtsmedizinische Untersuchung zu einem Ergebnis gekommen ist. Dies geschah dann am 6. Februar. Warum die Justizministerin so entschied, ist bis heute unklar.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist auch nicht wahr!)

Es kann nicht daran liegen, dass es kein besonderer Vorfall war; denn noch am folgenden Tag, am 23. Januar, informierte das Justizministerium in einer umfassenden E-Mail die Staatskanzlei, also den mitten im Wahlkampf stehenden Ministerpräsidenten Wulff, mit der Überschrift „Besonderes Vorkommnis in der JVA Celle, Abteilung Salinenmoor“ und grenzte diesen Vorfall in einem Vermerk gegenüber den Siegburger Vorfällen ab. Es geht also nicht um eine Alltäglichkeit, sondern der Vorgang war offensichtlich von höchstem Interesse für den Ministerpräsidenten.

Fakt ist also, Herr McAllister: MJ schickt per E-Mail einen Waschzettel für den MP, damit dieser als CDU-Spitzenkandidat gut präpariert in das abendliche Duell mit Wolfgang Jüttner gehen kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für den MP war dieser Vorfall vor dem Wahltermin im Gegensatz zu vielen Hunderten Fällen in all den Jahren wichtig, vielleicht sogar brisant, für das Parlament nicht. Das war die Entscheidung der Ministerin. Es wäre ja vielleicht auch fatal gewesen, wenn auf einmal deutlich geworden wäre,

dass in Niedersachsen eben nicht alles so schön ist - nicht Wohlfühlland, nicht Kuschelland und Land des Lächelns -, sondern dass es auch bei uns Probleme im Justizvollzug gibt.

(David McAllister [CDU]: Auch in der SPD!)

Ich nenne das, was dort passiert ist, einen Versuch des Verschleierns, und es drängt sich der Verdacht auf, dass hier parteipolitische Interessen Vorrang vor dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit und des Parlaments nach Information haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, was ist aus Ihren hehren Ansprüchen aus dem Jahr 2003 mit der Offenheit gegenüber dem Parlament geworden? Ich kann dazu nur sagen: Geworden ist daraus verschleiern, mit Informationen hinter dem Berg halten oder, wie einige Kollegen sagen, tricksen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Vorfall in Salinenmoor ist schlimm und bedeutend und bis heute nicht wirklich aufgeklärt. Auch wenn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren läuft, sehe ich die Regierung nach wie vor in der Pflicht, uns und die Öffentlichkeit wirklich rückhaltlos zu informieren.

(Heinz Rolfes [CDU]: Wo waren Sie denn im Ausschuss? Das ist doch al- les passiert!)

Zu viele Fakten sind noch offen. Alle Fakten müssen auf den Tisch.

Der Ministerpräsident hat uns allerdings zusätzlich noch zu erklären, weshalb auch er trotz seines Wissens nicht bereit war, die Fehler der Justizministerin zu korrigieren und gleich nach seiner Kenntnisnahme der E-Mail zu verfügen, das Parlament und die Öffentlichkeit zu informieren, und weshalb seine Sprecherin noch am 1. April vor der LPK in diesem Zusammenhang davon sprach,

(Heinz Rolfes [CDU]: Haase, die Schonzeit ist vorbei!)

der MP werde in Wahlkampfzeiten auch über belanglose Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt. Belanglos war Salinenmoor nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hier schwebte ein Mensch in Lebensgefahr. Der neue Justizminister mag noch so viel von diffusen

Verdachtsmomenten sprechen, hier bleibt Aufklärungsbedarf, hier bleibt auch mehr als ein Geschmäckle. Wir fragen weiter.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort an die Adresse von Herrn McAllister: Das Justizvollzugsgesetz, das Sie hier so lobend erwähnt haben, ist verfassungswidrig. Das ist nicht meine Meinung, sondern die Meinung des Oberlandesgerichts Oldenburg, festgestellt im Urteil vom 12. Februar 2008. Der Landtag wäre gut beraten, alte Fehler zu korrigieren und dieses Gesetz noch im Laufe des Verfahrens in einen verfassungskonformen Zustand zu bringen. Das habe ich im Justizausschuss vorgeschlagen, aber die Mehrheit des Ausschusses, also Ihre Mehrheit, wollte das nicht. Nun müssen Sie die Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht kriegen. Warten wir ab, was passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Der Fall Salinenmoor ist bislang nicht vollständig geklärt. Wir werden ihn natürlich unterschiedlich beurteilen je nach dem, was aus dem Strafverfahren wird, das nun gegen den Täter kommen wird. Aber eines ist klar: Der Fall hatte vor dem Hintergrund der Niedersachsenwahl und auch vor dem Hintergrund der Wahl in Hessen eine besondere Brisanz; denn in Hessen war es der frühere Ministerpräsident Koch - jetzt ist er ja nur noch geschäftsführender Ministerpräsident -,

(David McAllister [CDU]: Er ist immer noch Ministerpräsident!)

der das Wahlkampfthema der verschärften Strafverfolgung von Jugendlichen auf den Tisch gelegt hatte. Ihm waren dann die Defizite im Vollzug seines eigenen Landes vorgehalten worden. Der Stein, den er erhoben hatte, war schon dabei, ihm auf die eigenen Füße zu fallen. Deshalb war dem Ministerpräsidenten Wulff völlig klar, dass das ein höchst gefährliches Thema ist. Deshalb war es ihm sehr wichtig, dass er bei diesem Thema ein Informationsmonopol hat und dass dieses Thema in der Podiumsdiskussion auf keinen Fall angesprochen

werden sollte. - Das ist der Hintergrund, warum das Parlament nicht informiert worden ist. Das muss man im Zusammenhang mit der Wahl in Hessen sehen.