Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

egal, welches Institut oder welcher Interessenverband mit welchen Szenarien eine Versorgungslücke ausrechnet: Die verbleibende Lücke in der Energieversorgung wird vorhanden sein und aus heutiger Sicht immer größer werden.

Meine Damen und Herren, als Erstes brauchen wir deshalb in der ganzen Debatte Ehrlichkeit, wenn wir eine langfristig kalkulierbare, realistische energiepolitische Marschrichtung festlegen wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Trotz aller Fortschritte bei den regenerativen Energien werden hocheffiziente konventionelle Großkraftwerke auf absehbare Zeit weiterhin Rückgrat einer sicheren Stromversorgung bleiben. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Spätestens bei diesem Punkt zeigt sich auch die Unredlichkeit der Opposition.

(David McAllister [CDU]: Nicht nur bei diesem Punkt!)

Wir haben es eben gehört: Wer eine bezahlbare Energiepolitik will, kann nicht gleichzeitig für den Ausstieg aus der Kernkraft, gegen den Neubau von Kohlekraftwerken und generell gegen die Errichtung von Hochspannungsfreileitungen sein.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Richtig! Ganz genau!)

Meine Damen und Herren, die Opposition will auf der deutschen Insel der Glückseligkeit den Ausstieg aus der Kernenergie. In der Welt um uns herum versteht das kaum jemand, ebenso wenig wie das vorzeitige Abschalten der Kernkraftwerke.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Gordon Brown!)

Wir haben die sichersten Kernkraftwerke. Wie Sie wissen, emittiert ein Kernkraftwerk null CO2.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das stimmt nicht! Sie müssen alles mitein- berechnen!)

Finnland, Frankreich und viele andere europäische Länder werden Energie nach Deutschland liefern. Wir werden also ein Energieimportland werden - und zwar mit Kernkraftstrom. Die Opposition ist grundsätzlich gegen Kohlekraft, solange keine - in bestimmten Fällen unbestritten sinnvollen - KraftWärme-Kopplungen installiert werden. Dies wird damit begründet, dass die Wirkungsgrade weit über 80 % steigen würden. Da müssen Sie sich

sagen lassen: Für die Debatte ist diese Zahl leider überhaupt nicht hilfreich, weil hierbei hartnäckig der elektrische Wirkungsgrad eines Kraftwerks mit dem thermischen Nutzungsgrad verwechselt wird. Mit diesem von Ihnen stets ins Feld geführten Argument tun Sie nichts anderes, als den Bürgern Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen einen technisch und wirtschaftlich vernünftigen Energiemix. Das haben wir immer gesagt. Ich denke, die Zeit der Pflege ideologischer Weltbilder ist vorbei. Herr Wenzel, wenn Sie Daniel Düsentrieb toll finden, dann kann ich nur sagen: Träumen Sie weiter in Entenhausen. Wir jedenfalls haben keine Zeit mehr zu verschenken. Die Wirtschaft braucht Klarheit und vor allem Planungssicherheit. Wir müssen entscheiden und handeln. Wir wollen den Neubau effizienter klimafreundlicher Kraftwerke. Wir wollen Niedersachsen als Kernkraftwerkstandort für die Zukunft sichern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem Kollegen Wenzel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rösler, Ihre Partei ist früher als Marktpartei angetreten. Jetzt fordern Sie die Senkung der Mehrwertsteuer für ein knappes Gut. Dann behaupten Sie noch, das täten Sie aus sozialen Gründen. Wenn Sie wirklich aus sozialen Gründen etwas tun wollen, dann müssen Sie beim Sozialgeld, beim Arbeitslosengeld II oder beim Wohngeld ansetzen. Mit Ihrem Ansatz fördern Sie nur wieder die Konzerne, die hierbei im Zweifel eine Gewinnmitnahme organisieren würden, wie Ihnen die Forschungsinstitute das auch ins Stammbuch geschrieben haben. Deswegen ist Ihr Vorschlag, den Sie hier mit Herrn Westerwelle vorgetragen haben, überhaupt nichts wert und völlig verkehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben früher den Anspruch erhoben, Bürgerrechtspartei zu sein.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist lange her!)

Sie haben offenbar völlig vergessen, wie Bürgerinitiativen eigentlich zustande kommen. Da braucht man keine Ängste zu schüren, Herr Rösler. Die Bürger engagieren sich in ihrem eigenen Bereich, aus ihrer eigenen Betroffenheit.

Wie kommt es denn, dass sieben Inselbürgermeister sagen: Lieber Herr Rösler, lieber Herr Wulff, diese Kohlekraftwerke wollen wir hier nicht haben? - Sind dort auf den Inseln überall Ängste geschürt worden? Was ist mit der Industrie- und Handelskammer im Nordosten und dem Bürgermeister von Emden passiert? Sind dort auch Ängste geschürt worden, oder haben dort Menschen einmal darüber nachgedacht, was Ihre Pläne mit der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrer Region und auch mit zukünftigen Entwicklungen im Bereich des Tourismus zu tun haben?

(Christian Dürr [FDP]: Wo ist Ihr Energiekonzept, Herr Wenzel? Nicht ein einziger Vorschlag!)

Ich sage Ihnen eines, Herr Rösler: Ihr Minister hat sich nach anderthalb Jahren intensivster Debatte über Energiepolitik und Klimaschutz hier vor einigen Wochen hingestellt und gesagt, im Herbst dieses Jahres will er ein Klimaschutzprogramm vorlegen. - Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen schon längst ein durchgerechnetes Energieszenario vorgelegt.

(Lachen bei der FDP)

Sie können das kritisieren. Wir warten auf Ihren Beitrag dazu. Aber Sie kommen nur daher, machen Sprüche und legen nicht das geringste Bisschen Substanz auf den Tisch, sondern erzählen heute hier: Wenn wir keine Kohlekraftwerke bauen und keine Atomkraftwerke erhalten, dann gehen die Lichter aus. - Herr Rösler, diese Debatte haben wir vor 20 Jahren geführt. Heute erwarten wir Innovation.

(Christian Dürr [FDP]: Was sagen Sie zur dena-Studie? Antworten!)

Dann bitte ich doch, dass Sie sich einmal damit auseinandersetzen, wie man Kraftwerke baut, die die Primärenergie wesentlich besser ausnützen. Warum sollen wir heute noch Elbe und Ems, Jade und Nordsee mit Kühlwasser aus großen Kondensationskraftwerken aufheizen? Diese Energie kann man besser zum Duschen und zum Heizen benutzen. Das ist die Innovation, die wir heute schon haben, die wir aber auch in die Anwendung bringen müssen. Wenn Sie immer wieder die Kriterien boykottieren, die dazu führen, dass wir im Strom

markt Wettbewerb bekommen - Ihre Partei stand einmal für Wettbewerb -, dann ist es natürlich kein Wunder, dass Sie Angst vor der Zukunft haben.

(Björn Thümler [CDU]: Darauf haben Sie schon das Monopol!)

Ich sage Ihnen: Wir setzen auf Effizienz, auf Einsparung und auf technologische Innovationen. Wir werden uns am Ende durchsetzen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Heinz Rol- fes [CDU]: Das war ja nicht mehr als das Pfeifen im dunklen Wald!)

Ich erteile dem Abgeordneten Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schwach muss ein Koalitionsabkommen sein, wenn man eine Aktuelle Stunde braucht, um es noch einmal zu erklären?

(Beifall bei der LINKEN)

Für mich stellt es sich so dar: Pfeifen im Walde, Herr Rösler, Ablenkung. Beim Spruch „Die Lichter gehen aus“ fragen Sie einmal die Älteren, was Herr Stoltenberg 1980 gesagt hat und was daraus geworden ist.

Der sogenannte gleichberechtigte Mix, von dem Sie sprechen, ist eine einzige Täuschung und Täuscherei der Wählerinnen und Wähler, der Bürgerinnen und Bürger. Mit Ihrer Prioritätenentscheidung für Kohlekraft und Atomkraft, die Sie ganz klar setzen, werden Sie eines bewirken - das ist das Entscheidende in dieser Debatte und das lassen Sie natürlich aus -: Sie werden bewirken, dass gerade das, was Sie hier propagiert haben, nicht stattfindet. Sie werden damit die erneuerbaren Energien für Jahrzehnte zurückdrängen. Wenn Sie die Küste mit Kohlekraftwerken vollpflastern, wie Sie es vorhaben, dann werden Sie dort nicht nur die Bevölkerung tonnenweise mit Schwermetallen berieseln, sondern Sie werden auch dafür sorgen, dass jahrzehntelang weiterhin Großtechnologie statt dezentraler Kreisläufe und Importkohle statt der heimischen, wertschöpfenden Ressourcennutzung angesagt ist.

Sie behaupten, forschen zu wollen. Stattdessen nutzen Sie Steinzeittechnologie.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Nein, neue Technologie!)

Sie heizen die Umwelt auf, anstatt Wohnungen zu heizen. Sie reden über Netze. Herr Rösler, selbstverständlich kosten Wärmenetze Geld. Aber genau an dieser Stelle hat das Land gesetzgeberische Kompetenzen. Wenn Sie diese endlich nutzen wollten, dann kämen wir an dieser Stelle mit einer vernünftigen Wärmenutzung auch weiter. Das ist einer der Hauptfaktoren für den Zuwachs des Energieverbrauchs.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie versprechen - und das ist die Folge Ihres sogenannten Energiemixes - in der Umgebung von Asse II Sicherheit. - Das Ding säuft ab. Sie versprechen in der Umgebung von Gorleben 1 Million Jahre Sicherheit. Wie vernagelt muss man eigentlich sein, wenn man der Meinung ist, dieses halten zu können?

Ich empfehle Ihnen die Studie von Hermann Scheer, Klaus Traube und anderen, wie man zum Beispiel ein Bundesland wie Hessen - zu 60 % von Atomstrom abhängig - ohne AKWs versorgen kann. Dazu muss man die erneuerbaren Energien gar nicht schneller ausbauen als derzeit. Man kriegt das hin. Lesen Sie sich da ruhig einmal hinein. Das sind 100 Seiten, das ist nicht so schwer. Wenn man darüber hinaus auch noch die KraftWärme-Kopplung vernünftig nutzt, kommt man weiter - z. B. auch mit der Rekommunalisierung der Wärmenetze und der Gasnetze, die wir vorhaben. Das wird alles laufen.

Stattdessen machen Sie etwas ganz anderes. Als knallharte Wirtschaftspartei machen Sie natürlich Wirtschaftspolitik. Sie wollen sich mit den 800 Millionen Euro, die Sie Vattenfall mit einer Gesetzgebung als Steuergeschenk gemacht haben, nicht zufriedengeben. Sie wollen noch draufsatteln. Wenn von utopischen Träumereien die Rede ist, dann ist dies eine. Wir jedenfalls stehen für realistische Notwendigkeiten, um endlich mit dem Klimaschutz Ernst zu machen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)