Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

(Zuruf von der CDU: In Bayern gibt es vier Laufbahnen!)

Wenn wir nur eine Laufbahn hätten, wäre eine größere Durchlässigkeit des öffentlichen Dienstes gegeben.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Adler. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Briese das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum reden wir heute in diesem Landtag über das Beamtenrecht? - Wir hatten eine Föderalismusreform I; Frau Rübke hat darauf hingewiesen. Wir wollten mit dieser Föderalismusreform eine klare Entflechtung zwischen Bund und Ländern. Eingangs stellt sich zunächst einmal die Frage, ob dies in den verschiedenen Bereichen, die wir zwischen Bund und Ländern entflechtet haben, überhaupt gelungen ist. Ist es im Bereich des Strafvollzugs gelungen? - Nein, es ist kolossal misslungen. Ist es im Bereich des Umweltrechts gelungen? - Nein, da ist sehr vieles komplizierter geworden. Und was haben wir heute im Beamtenrecht? - Wir haben das Phänomen, dass der Bund das Beamtenstatusgesetz, also quasi ein altes Rahmenrecht, erlässt. Darüber hinaus gibt es das niedersächsische Beamtenrecht, und - Herr Adler hat es angedeutet - wir haben die Befugnis zu Verordnungen, Verordnungen und nochmals Verordnungen. Das ist also ein sehr exekutivlastiges Gesetz. Ob das Beamtenrecht damit insgesamt übersichtlicher und verständlicher wird, möchte ich sehr bezweifeln. - Dies als Eingangsbemerkung.

Der zweite Punkt, der entscheidend ist: In diesem Gesetzentwurf ist sicherlich nicht alles falsch. Einiges ist ganz gut gelungen, z. B. die Reduzierung auf zwei Laufbahnen. Man kann darüber streiten, ob es nicht besser gewesen wäre, vielleicht den spannenderen oder sogar revolutionäreren Schritt zu nur noch einer Laufbahn zu gehen. Da war ich selbst etwas hin und her gerissen. Ich finde, wir können in diesem Bereich sogar einmal das Prinzip des Wettbewerbsföderalismus ausprobieren. Die Bayern haben das ja jetzt gemacht. Es ist übrigens interessant, wie nah sich die Linkspartei und die Bayern manchmal sind - Stichwort „Lafontaine und Gauweiler in Sachen EU vor dem Verfassungsgericht“.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Die Bayern haben es jetzt also gemacht. Niedersachsen geht einen anderen Weg. Wir werden sehen, in welchem Land das neue Beamtenrecht

besser funktioniert, wer sich an wem orientiert. Das ist eine ganz spannende Debatte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zentraler Punkt in dieser Debatte bei diesem Beamtenrecht ist sicherlich: Sind wir mit diesem Gesetz konkurrenzfähig zur Privatwirtschaft? Das ist einer der ganz zentralen Punkte. Haben wir ein Beamtenrecht, das so modern, flexibel und attraktiv ist, dass wir auch zukünftig genügend Bewerberinnen und Bewerber für die Beamtenlaufbahn bekommen? - Dazu muss man ehrlicherweise sagen, dass das differenziert zu sehen ist. In einigen Bereichen haben wir das; das ist gar keine Frage. Ich finde, dass wir dies im Polizeidienst erreicht haben. In anderen Bereichen werden wir zukünftig Probleme haben - auch das ist keine Frage -, insbesondere im technischen Bereich, wo die Attraktivität - jetzt wahrscheinlich nicht mehr, aber vor Kurzem war sie es noch - in der Privatwirtschaft höher ist.

Apropos Privatwirtschaft: Auch den Handwerksmeistern wird man mit diesem Gesetz nicht ganz gerecht. Hören Sie gut zu, Herr Bley! Sie sind ja Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages. Die Einstufung der Handwerksmeister in diesem Gesetz ist insofern nicht ganz gerecht, als sie in der Laufbahngruppe 1 sind. Es wäre zumindest überlegenswert gewesen, Handwerksmeister in die Laufbahngruppe 2 zu bringen. Insofern ist die Konkurrenzfähigkeit zur Privatwirtschaft nur halb gegeben, wie ich finde.

Die zweite wichtige Frage betrifft den Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft. Schafft das Gesetz das? - Dieses Problem sind Sie gar nicht angegangen, Herr Althusmann. Das haben Sie gar nicht angefasst. Sie haben sich nicht getraut. Herr Wiese hat dazu in der Beratung gesagt: Das alles ist sehr kompliziert. Das machen wir einmal irgendwann später. Jetzt wollen wir nicht darüber reden. Das ist uns zu kompliziert.

Zu den Altersgrenzen: Dazu habe ich eine dezidiert andere Meinung als Herr Adler. Herr Adler, ich verstehe den marxistischen Arbeitsbegriff ganz anders als Sie. Karl Marx hat nämlich gesagt: Durch die praktische Arbeit eignet sich der Mensch die Lebenswirklichkeit an. - Marx war gar nicht so arbeitskritisch, wie Sie es sind, und wollte die Leute gar nicht in Rente schicken. Ich weiß nicht, warum Sie das immer wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Das, was Sie heute hier verabschieden, bedeutet eine große Gerechtigkeitslücke; denn Sie wollen nicht darüber reden, dass der normale Arbeitnehmer bis 67 Jahre arbeiten muss. Das ist eine Reform, die Müntefering durchgedrückt und bei der die CDU klammheimlich mitgestimmt hat. Aber hier in Niedersachsen wollen Sie an dieses unbequeme Thema nicht ran. Meine Frau ist Krankenschwester in Oldenburg. Sie macht Sonntagsarbeit sowie Schichtdienst und rettet Leben. Auch Sie muss bis 67 Jahre arbeiten. Warum muss das ein niedersächsischer Lehrer eigentlich nicht? - Das erschließt sich jedenfalls mir nicht. Das ist ein großes Gerechtigkeitsdefizit in dieser Debatte!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie drücken sich drum herum. Herr Wiese hat dazu übrigens gesagt: Eigentlich müssten wir es regeln. Aber wann und wie, das wissen wir nicht.

Auch das Beihilfeprinzip - dies möchte ich Ihnen von der Linkspartei noch einmal sagen - finde ich sehr fragwürdig. Verfassungsrechtlich ist es natürlich schwierig, da herauszukommen. Aber es ist ein sozialpolitischer Skandal in dieser Republik, dass es eine Spaltung in private und gesetzliche Krankenkassen gibt. Das ist ein sozialpolitischer Skandal! Wir wollen eine vernünftige Bürgerversicherung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Briese, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin. - Die große Frage ist: Haben wir hier eine moderne Reform des Beamtenrechts, oder haben wir nur ein bisschen Flexibilisierung? - Eine große Reform ist dies definitiv nicht. Einige Bausteine sind zwar richtig, aber den größten Teil der Arbeit haben Sie liegen gelassen. Halbherzige Reformen unterstützen die Grünen nicht!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Oetjen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Rübke hat vorhin zwar gesagt, dass nur wenige Leute hier seien. Inzwischen hat es sich aber ein bisschen gebessert.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die möchten Sie hören!)

Manch einer könnte denken, dies sei ein langweiliges Thema, wenn sie in der Überschrift lesen, dass es um Beamtenrecht geht. Aber, meine Damen und Herren, in Wirklichkeit sind viele Menschen in Niedersachsen von diesem Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, betroffen. Es geht darum, dass wir für die Beamtinnen und Beamten in Niedersachsen ein modernes, neues Recht auf die Beine stellen, damit wir weiterhin ein aktives und motiviertes Beamtentum haben. Deswegen glaube ich, dass wir mit dem Gesetz insgesamt gut fahren.

Wir machen dieses Gesetz, weil die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern im Zuge der Föderalismusreform grundlegend neu geregelt worden sind; dies ist gerade schon gesagt worden. So liegt im Bereich des öffentlichen Dienstrechts die Befugnis zur Regelung der Statusangelegenheiten weiterhin beim Bund. Man kann sich natürlich fragen, Herr Kollege Briese, ob das so richtig ist. Aber es ist nun einmal so. Der Bund hat das Beamtenstatusgesetz auf den Weg gebracht, das zum 1. April 2009 in Kraft tritt. Für die besoldungs-, versorgungs- und laufbahnrechtlichen Angelegenheiten ist das Land Niedersachsen zuständig. Dies regeln wir in dem neuen Niedersächsischen Beamtengesetz. Wir machen also von unserer Kompetenz Gebrauch, die wir im Rahmen der Föderalismusreform erhalten haben, und bekommen eine zukunftsorientierte Neuordnung des Beamtenrechts.

Wir versuchen insbesondere - dies hat der Kollege Wiese bereits gesagt -, mehr Familienfreundlichkeit in das Berufsbeamtentum zu bringen, und zwar durch mehr Flexibilität im Beamtenrecht. Hier ist beispielsweise die Flexibilisierung des Laufbahnrechts zu nennen. Die Laufbahnverordnung ist bereits am 24. Februar durch das Kabinett gegangen. Wir reduzieren die Zahl der Laufbahnen deutlich auf nunmehr zehn. Die Laufbahngruppen werden zu zwei Laufbahngruppen zusammengefasst: der einfache und mittlere Dienst in der Laufbahngruppe 1 und der gehobene und höhere Dienst in der Laufbahngruppe 2. Das ist eine Flexibilisierung. Das bringt mehr Flexibilität für den

Arbeitgeber. Dies bringt aber auch mehr flexible Möglichkeiten für die Arbeitnehmer, was wir nicht aus den Augen verlieren dürfen und was für uns als FDP ganz besonders wichtig ist. Wir stärken damit nämlich das Leistungsprinzip; denn die Beförderungen hier in Niedersachsen werden weiterhin nach dem Grundsatz des lebenslangen Lernens, der Qualifizierung und der Leistung vonstatten gehen.

Die Kollegin Rübke hat sehr kritisch bemerkt, dass die Probezeit auf drei Jahre festgelegt wird. Aus meiner Sicht muss man das auch im Zusammenhang damit sehen, dass wir die Altersgrenze anfassen und von der bisher geltenden Mindestaltersgrenze von 27 Jahren weggehen. Dies ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt gerade für die jungen Beamtinnen und Beamten, die in das Berufsbeamtentum einsteigen. Von daher glaube ich, dass dies im Gesamtzusammenhang positiv zu sehen ist. Deswegen tragen wir als FDP das sehr deutlich mit.

Außerdem haben wir es durch unseren Änderungsvorschlag ermöglicht, Beförderungen schon in der Probezeit auszusprechen. Dies ist von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert worden. Deswegen glaube ich, dass wir damit ein weiteres Leistungselement einbringen, das bei den niedersächsischen Beamtinnen und Beamten hoffentlich auf fruchtbaren Boden fallen wird.

Mit diesem Gesetz, meine Damen und Herren, sind CDU und FDP in Niedersachsen Vorreiter für ein modernes Beamtenrecht, das flexibel und zukunftsorientiert ist. Daher möchte ich Sie alle sehr herzlich um Zustimmung bitten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Oetjen. - Für die Landesregierung hat sich Herr Innenminister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, gerade die Modernisierung des Beamtenrechtes hat gezeigt, dass die Föderalismuskommission richtig entschieden hat, dass es hier eine Flexibilität gibt und dass die Länder hier selber entscheiden können. Wenn Sie sich das Gesetz des Bundes anschauen, ist zwar festzustel

len, dass der große Wurf nicht geglückt ist. Wir auf Länderebene - gerade hier in Niedersachsen - haben aber gezeigt, dass wir unsere Chancen in diesem Zusammenhang nutzen. Insofern bin ich dem Ältestenrat sehr dankbar, dass er diesen Gesetzentwurf heute um 15.15 Uhr auf die Tagesordnung gesetzt hat. Damit stimmt das, was der Kollege Wiese gesagt hat, nämlich dass wir die Ersten sind, die die Chance genutzt haben. Um 17 Uhr steht das Gesetz in Schleswig-Holstein auf der Tagesordnung. Wenn wir jetzt nicht mehr sehr lange reden, werden wir tatsächlich die Ersten sein.

Warum sage ich das? - Ich sage es, weil wir von Anfang an deutlich gemacht haben, es sei sinnvoll, in diesem Punkt auf norddeutscher Ebene zusammenzuarbeiten. Es ist wirklich beispielhaft, wie wir diesen Gesetzentwurf gemeinsam erarbeitet haben und dass wir zumindest in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen das neue Recht gemeinsam zum 1. April umsetzen. Zu den Details will ich nichts weiter sagen, weil sie hier dargestellt worden sind.

Ich will nur noch auf einige Punkte eingehen, die hier kritisch angeführt worden sind.

Zum einen ist es richtig, Herr Adler, dass wir das Verhandeln nicht zugelassen haben. Wir haben aber - das kann man sich gut merken - am 07.07.2008 mit den Spitzenorganisationen und den Gewerkschaften hier in Niedersachsen einen Vertrag geschlossen, in dem wir ganz klar die Beteiligung, die Kooperation in allen Fragen des öffentlichen Dienstes verabredet haben. Dieses Gesetz, so wie wir es vorbereitet haben und wie wir es auf dem Weg über Kongresse und auch über Kooperationsverhandlungen auf den Weg gebracht haben, ist ein Musterbeispiel für die neue Kooperation und den neuen Geist. Verhandeln - das müssen Sie als Rechtsanwalt eigentlich wissen, wenn Sie es sich genau anschauen - ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Das wird mittlerweile auch von den Gewerkschaften anerkannt. Wir haben das, was möglich ist, vereinbart. In der Hinsicht besteht Konsens.

Der zweite Punkt: Es ist richtig, dass in Bezug auf die Altersgrenze und auch den Bereich Altersteilzeit und Versorgung noch keine Vereinbarungen getroffen worden sind. Wir haben im Dialog mit den Spitzenverbänden und mit den Gewerkschaften klar gesagt, dass wir hier ein Paket schnüren wollen. Deshalb haben wir eine Abkoppelung vorgenommen. Auf der Arbeitsebene ist man schon sehr weit. Der Bericht zu diesem Thema wird in

diesen Tagen vorliegen. Wir wollen in den Spitzengesprächen möglichst einen Konsens erreichen. Klar ist, dass wir auch bei der Altersgrenze möglichst eine maximale Flexibilität erreichen wollen. Ich hatte an anderer Stelle schon einmal dargestellt, dass man sich eine Flexibilität im Bereich zwischen 60 und 70 Jahren mit Zuschlägen und mit Abschlägen vorstellen kann. Wir werden sehen, was wir gemeinsam erarbeiten können. Insgesamt sind wir aber schon auf einem guten Weg.

Zusammengenommen möchte ich sagen: Ich freue mich sehr, dass wir hier jetzt ein solches modernes Beamtenrecht vorlegen können. Die Bayern waren diejenigen, die am meisten gebremst haben. Sie haben gesagt: auf gar keinen Fall irgendwann eine Reduzierung der Zahl der Laufbahngruppen. - Es gab in Bayern dann eine Wahl. Sie alle können sich daran erinnern. Ganz kurz vor der Wahl hat man im Kabinett noch Eckpunkte beschlossen. Dabei ist dann tatsächlich verabschiedet worden, nur eine Laufbahngruppe vorzusehen. Der Gesetzentwurf wird erst im Mai eingebracht. Schauen wir einmal, wie es dann insgesamt weitergeht.

Verfassungsrechtlich sind wir mit den zwei Gruppen sehr gut gefahren und sicherlich auch sehr gut aufgestellt. Natürlich kann man sich in einigen Jahren anschauen, ob man in diesem Bereich noch flexibler sein sollte. Das, was jetzt vereinbart worden ist und was hier heute Gott sei Dank mit sehr breiter Mehrheit beschlossen werden wird, ist etwas, wovon wir sagen können: Niedersachsen hat ein modernes Beamtenrecht. Das ist für die Beamten und damit für den öffentlichen Dienst in unserem Lande eine sehr gute Grundlage und wird auf jeden Fall insgesamt einen Anreiz für Motivation im öffentlichen Dienst darstellen. - In diesem Sinne freue ich mich auf eine breite Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Ich schließe die Beratung.

Bevor wir in die Einzelberatung über den Gesetzentwurf zur Modernisierung des niedersächsischen Beamtenrechts eintreten, möchte ich darauf hinweisen, dass in der Beschlussempfehlung des Ausschusses bei § 105 Abs. 2 NBG versehentlich der redaktionelle Hinweis „Unverändert“ fehlt.