Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

und dass andere, flexible Arbeitszeitmodelle genutzt werden.

Mögliche Staatshilfen für Conti und Schaeffler darf es nur unter strengen Auflagen geben. Diese rechtsverbindlichen Auflagen sind unserer Meinung nach erstens die Sicherung des Standortes, zweitens die volle Beschäftigungssicherung und drittens die massive Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bei allen Entscheidungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mögliche Finanzhilfen dürfen nur in Form von Beteilgungen der öffentlichen Hand an Conti und Schaeffler und deren aktiver Mitwirkung an der Geschäftspolitik erfolgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert eine umfassende Demokratisierung und den grundlegenden Ausbau der Mitbestimmung bei Conti und Schaeffler.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundestagsfraktion der Linken hat dazu bereits vor einem Jahr konkrete Vorschläge in ihrem Gesetzentwurf zur Stärkung der Interessen der Beschäftigten bei Massenentlassungen unterbreitet. Wir fordern die Landesregierung daher auf, in einer Bundesratsinitiative sofort darauf hinzuwirken, dass die Rechte der Beschäftigten nachhaltig gestärkt und dass das Kündigungsschutzgesetz dementsprechend novelliert wird.

Die Niedersächsische Landesregierung muss ihren Gesprächen mit den Verantwortlichen von Conti und Schaeffler endlich Taten folgen lassen. Nach Karmann in Osnabrück dürfen keine weiteren Industriebrachen hinterlassen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zugleich sollten sich Ministerpräsident Wulff und Wirtschaftsminister Rösler bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland so reguliert wird, dass Entscheidungen über Standortverlagerungen bzw. Massenentlassungen einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat bedürfen. Die LINKE sagt, ohne gesetz

lich verankerte Zweidrittelmehrheit sind Massenentlassungen verboten, nicht nur bei VW, sondern generell! Mit diesem Votum werden wir uns für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Conti und anderen Betrieben voll einsetzen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Thümler für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nachricht von der Schließung der LkwReifenproduktion von Conti in Hannover-Stöcken war für alle Beschäftigten ein Tiefschlag. Lassen Sie mich an dieser Stelle zunächst deutlich ausdrücken, dass trotz der gegenwärtigen Absatzkrise Conti in Hannover auch künftig eine Zukunft haben muss. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Conti gehört wie die Deutsche Messe und wie VW zu Hannover. Deswegen setzt sich auch die CDULandtagsfraktion für den Erhalt der Arbeitsplätze in Hannover-Stöcken ein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Absatzkrise als Vehikel heranzuziehen, um zu erklären, dass jetzt ein ganzes Werk für die Reifenproduktion geschlossen werden muss, ist nach unserer Auffassung unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir dürfen - das lassen Sie mich deutlich erklären - das verantwortliche Management mit dieser Haltung nicht durchkommen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir dürfen es deswegen nicht damit durchkommen lassen, weil es der Vorstand nach unserer Auffassung versäumt hat, ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept für die Reifenproduktion in Hannover vorzulegen, und kein Geschäftsmodell entwickelt hat, wie er gedenkt, die Krise zu bewältigen. Ich denke, es gehört zur staatlichen Verantwortung, dafür zu sorgen, dass zwischen Betriebsräten und Vorstand Gespräche geführt werden, wenn dies bislang nicht der Fall gewesen ist. Deswegen sind wir ausgesprochen dankbar dafür, dass der Ministerpräsident Wulff und Wirtschaftsminister Rösler darauf hingewirkt haben, dass die Gespräche

zwischen Betriebsrat und Vorstand wieder aufleben, um die Punkte zu besprechen, die zu besprechen sind.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Machen Sie mehr Gesetze für Mitbestim- mung!)

- Frau Flauger, das ist der Unterschied! Wenn Sie die soziale Marktwirtschaft verstanden hätten, was ich jetzt nicht unterstelle, dann würden Sie begreifen, dass es Tarifpartner gibt, die sich unterhalten müssen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie betreiben Apellpolitik!)

Das ist hier wichtig. Es funktioniert nicht, sozialistische Strukturen zu schaffen, um mit Gesetzen irgendjemanden zu zwingen.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Was Sie unter Mit- bestimmung verstehen, das wissen wir ja!)

Der Gesprächsfaden zwischen Vorstand und Betriebsrat ist wieder aufgenommen worden. Gestern haben die ersten Gespräche stattgefunden. Es muss darum gehen, dass diese Gespräche fortgesetzt werden, dass die Bereitschaft zum Zuhören auch beim Vorstand weiter kultiviert wird und dass das, was der Betriebsrat vorschlägt, nicht nur geprüft wird, sondern dass auch die Ideen, die dahinterstecken, ernst genommen und umgesetzt werden.

Der Conti-Betriebsrat fordert völlig zu Recht, dass alle zurzeit denkbaren Instrumente, z. B. Kurzarbeit inklusive Qualifizierung sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle, genutzt werden müssen, um einer Schließung des Werkes vorzubeugen.

Deswegen ist es doppelt wichtig, dass das Management ein langfristiges Konzept entwickelt, das tragfähig und marktfähig ist, das den Standort Hannover in Gänze erhält und das dazu führt, dass Forschung und Entwicklung am Standort Hannover gestärkt, aber auch die Reifenproduktion sowohl im Pkw-Bereich als auch im Nutzfahrzeugbereich erhalten bleibt.

Wenn das so umgesetzt wird, wäre das im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gute Ausgangslage für Hannover.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auf Herrn Thümler folgt jetzt Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schutzschilde in der Krise dürfen nicht so einfach gestrickt werden, wie es uns die LINKE hier vorschlägt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei Conti wird ganz offensichtlich die Wirtschaftskrise als Anlass missbraucht, um einen lange vorher einkalkulierten weiteren Rationalisierungsschritt durchzuziehen. Das Konzept hat noch der inzwischen im Streit mit goldenem Handschlag verabschiedete ehemalige Konzernchef Wennemer vorbereitet. Das Modell kennen wir: In den Aufschwungjahren wurden in Billiglohnländern gezielt Überkapazitäten in der Reifenproduktion errichtet, um in der nächsten Abschwungphase in scheinbar betriebswirtschaftlich zwingender Logik weniger profitable Altstandorte unter Hinweis auf die Kostendifferenz schlicht liquidieren zu können.

Dieser Karawanenkapitalismus hat eine zerstörerische Eigendynamik, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP,

(Beifall bei den GRÜNEN)

weil er in immer schnellerer Folge Produktionsstandorte nur so lange nutzt, wie sich weltweit kein günstigerer findet. Diese kaltschnäuzige Profitmaximierungsstrategie verweigert sich der Verantwortung und den Chancen, die auch für die Arbeitgeberseite in der Innovationskraft der sozialen Marktwirtschaft stecken. Das ist die gestern auch vom Bundespräsidenten kritisierte Freiheit ohne Verantwortung.

Deshalb greift die LINKE mit ihrer Forderung nach einer Beschäftigungssicherung im Status quo zu kurz, weil dies vorhandene Strukturen subventioniert und festschreibt. Wenn sich der Staat bei der Rettung von Arbeitsplätzen engagiert, Frau Weisser-Roelle, ist er gefordert, mit dem Geld zur Unternehmensrettung auch einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen, und nicht durch die Beschirmung nur Altstrukturen und Aktionäre zu schützen. Wenn der Staat helfen soll, muss die Krise deshalb für einen Richtungswechsel in den Unternehmen bei den Themen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Materialeffizienz und Kreis

laufwirtschaft genutzt werden. Nur dann ist das ein zukunftsfähiges Investieren des Staates.

Nur mit dieser Umorientierung im Rahmen einer modernisierten ökologischen und sozialen Marktwirtschaft kann die fatale Logik des KarawanenKapitalismus zugunsten eines Verbleibs von zukunftsfähiger Produktion am Standort Deutschland durchbrochen werden. Darum geht es hier in der Auseinandersetzung um die Reifenproduktion bei Conti.

Deshalb geben wir Grünen bei der Auswahl der staatlichen Unterstützung von angeschlagenen Unternehmen Anteilsscheinen gegenüber Bürgschaften bzw. Krediten, wie Herr Rösler sie vorgeschlagen hat, oder stillen Einlagen klar den Vorzug. Damit erhalten die Steuerzahler einen Gegenwert für die Übernahme wirtschaftlicher Risiken und können an künftigen Wertsteigerungen beteiligt werden. Dabei kann der Staat, wenn er Geld gibt, vorübergehend auch Kontrollrechte ausüben. Das ist gut so; denn damit kann dafür gesorgt werden, dass die Förderung nicht z. B. für überhöhte Managergehälter, Abfindungen wie bei Herrn Wennemer, Abflüsse ins Ausland und Steuerflucht missbraucht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich sollte nicht der dauerhafte staatliche Besitz angestrebt werden. Da ist VW aus historischen Gründen klar eine Ausnahme. Nach einer Intervention in der Krise, wie sie bei Conti/Schaeffler inzwischen notwendig zu sein scheint, muss so bald wie möglich und wirtschaftlich vertretbar der Wiederverkauf erfolgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Beschäftigten des Conti-Lkw-Reifen-Werks brauchen unsere uneingeschränkte Solidarität. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir die richtigen Bedingungen stellen, damit die Hilfe ankommt und dauerhaft wirkt. Unsere gemeinsame Verpflichtung ist es, in der Weltwirtschaftskrise möglichst viel Beschäftigung am Standort Deutschland und speziell in Niedersachsen zu halten und dafür zu sorgen, dass unsere Unternehmen nach der Krise gestärkt und zukunftsgerecht aufgestellt sind.

Vielen Dank.