Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Bode, wir wollen eine gemeinsame Position entwickeln, aber der Kompromiss muss nicht gesucht werden, sondern er ist gefunden worden. Es gibt nur eine kleine Gruppe, die ihn nicht will. Die ist allerdings groß genug, um ihn zu verhindern. Diese Gruppe, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, muss sich bewegen, nicht Sie, nicht wir. Herr

McAllister und Herr Wulff müssen da helfen. Sie haben doch Einfluss bei dieser Bundestagsfraktion.

(Jörg Bode [FDP]: Scholz muss sich bewegen!)

Das ist unsere Bitte. Auf der Basis können wir gemeinsam einen Beschluss fassen. Aber wir stimmen keinem Beschluss zu, der da lautet, wir sollen einen neuen Kompromiss suchen. Das kann doch wohl nicht sein. Es war schwer genug, den Kompromiss zu finden. Jetzt ist er da, und jetzt müssen wir alle springen. Da können nicht die einen sagen: Wir halten an der Ausgangsposition fest. Ein Kompromiss sieht anders aus; das wissen Sie doch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Mundlos hat sich noch einmal gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jüttner, ich höre sehr wohl, was Sie sagen. Aber eines muss man auch sehen: Man darf nie nur in eine Richtung gucken. Das, was vorgelegt wurde - ich habe das ja in meinen Ausführungen deutlich gemacht -, entspricht nicht so ganz dem, was wir hier beschlossen haben.

(Zustimmung bei der FDP)

Man muss auch in die eigene Richtung, in den eigenen Spiegel und auch in die eigene Bundestagsfraktion gucken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Herr Scholz hat das nicht hingekriegt! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Es gibt keinen Scholz- Vorschlag, sondern einen Kompro- miss!)

Meine Damen und Herren! Wenn die Fraktionen Wert darauf legen, kann ich die Sitzung unterbrechen. Dann können Sie sich austauschen. Wenn das nicht gewünscht wird, würde ich jetzt Frau Ministerin Ross-Luttmann das Wort geben. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was war das Ziel der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Jahr 2004? - Ziel war es, Arbeitsuchenden eine Leistung aus einer Hand zu bieten. Diesem Ziel verpflichtet, haben Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen effektiv und gut gearbeitet.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Arbeitsgemeinschaften für verfassungswidrig erklärt hat, hat sich doch an unserer Intention nichts geändert. Ich sage Ihnen auch hier ganz deutlich: Es gilt doch, bis 2010 entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine sachgerechte Lösung zu finden, mit der wir dieses Ziel weiterhin umsetzen, mit der wir an diesem Ziel festhalten und mit der wir vor allen Dingen - ich glaube, es ist ganz wichtig, das an dieser Stelle zu betonen - den Kommunen wie den Arbeitsgemeinschaften Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen geben zum Wohle der Beschäftigten und zum Wohle und im Interesse der Arbeitsuchenden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hier im Niedersächsischen Landtag waren uns doch immer einig. Wir haben frühzeitig im Sommer mit den Stimmen der CDU, der FDP, der SPD und den Grünen einmütig eine Landtagsentschließung verabschiedet, die genau das zum Inhalt hatte, dass nämlich erstens Leistungen und Hilfen der Grundsicherung für Arbeitsuchende weiterhin aus einer Hand erbracht werden sollen und dass zweitens die derzeit zugelassenen kommunalen Optionen unbefristet verlängert werden sollen. Vor allen Dingen sollten weitere kommunale Träger zugelassen werden. Den letzten Punkt haben wir im November mit großer Einmütigkeit noch einmal bestätigt.

Meine Damen und Herren, das war für die Niedersächsische Landesregierung die Grundlage ihres Handelns. Wir haben uns mit dieser überzeugenden Landtagsmehrheit im Rücken in der Ministerpräsidentenkonferenz und in Konferenzen der Arbeits- und Sozialminister vehement für die Umsetzung der Entschließung eingesetzt, und wir haben sogar einen eigenen Verfassungsvorschlag vorgelegt. Wir haben unsere Position auch im Rahmen eines Fachkongresses mit Experten aus dem gesamten Bundesgebiet, u. a. auch mit Staatssekretär Scheele aus dem Bundesarbeitsministerium, diskutiert.

Leider - das bedauere ich sehr - sind die Landtagsentschließungen beim Bund nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Niedersachsen hat weiterhin ein hohes Interesse daran, dass ein Kompromissvorschlag auf Basis des Vorschlags, den der Bund, vertreten durch den Bundesarbeitsminister, und die Länder, vertreten durch die Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, ausgehandelt haben, zum Tragen kommt, wonach, legitimiert durch eine Verfassungsänderung, Zentren für Arbeit und Grundsicherung für die Arbeitsuchenden zuständig sein und natürlich zusätzliche kommunale Lösungen möglich bleiben sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Watermann, dies ist ein Kompromiss. Das heißt, die Länder sind in diesem Fall eindeutig auf den Bund zugegangen. Wenn ich „Kompromiss“ sage, dann muss ich noch einen Punkt erwähnen, Herr Watermann. Ich habe mich immer für eines ausgesprochen. Wenn wir für die Zentren für Arbeit Rechtsklarheit durch eine Verfassungsänderung haben wollen, dann brauchen wir eine entsprechende Rechtsänderung auch für die Optionskommunen. Auch diese müssen verfassungsrechtlich abgesichert werden.

Sehr geehrter Herr Jüttner, das ist eben bei diesem Kompromissvorschlag nicht der Fall. Eine verfassungsrechtliche Absicherung der Optionskommunen sieht dieser Kompromissvorschlag leider nicht vor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Er sieht auch nicht die Möglichkeit der Ausweitung der Optionskommunen vor.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt! Da haben Sie recht!)

Dafür haben wir uns an dieser Stelle, hier in diesem Landtag, immer vehement eingesetzt. Niedersachsen hat zwar, weil es eben ein Kompromiss ist und wir zügig Planungssicherheit haben wollen, diesem Kompromissvorschlag zugestimmt, aber wir haben auch gesagt: In der Frage der Sicherstellung der Option wünschen wir uns weiterhin Nachbesserung.

Wir alle in diesem Haus wissen doch sehr genau: Für einen Kompromiss brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Ich bitte Sie hier wirklich eindringlich - daran sollten wir alle arbeiten - um weitere Überzeugungsarbeit, damit es zügig zu einer sachgerechten Lösung kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Zu Punkt 1 d liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 e auf:

Nach der Tragödie von Winnenden: Die Gesellschaft braucht weniger Waffen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1086

Meine Damen und Herren! Zur Einbringung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Briese gemeldet. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es gibt nach einer so grausamen Tragödie, nach einem so unfassbaren Verbrechen sicher keine schnellen Lösungen. Es bleibt immer etwas Unerklärliches und Unverstehbares, wenn Menschen so wahllos töten, wie das hier passiert ist. Der Mensch bleibt sicher ein großes und manchmal auch dunkles Geheimnis und lässt sich nicht in ein einfaches Raster oder Schema pressen.

(Unruhe)

Herr Briese, entschuldigen Sie! Warten Sie bitte einen Moment. - Meine Damen und Herren, ich möchte Sie herzlich bitten, die Gespräche mit den Nachbarn jetzt einzustellen. - Danke.

Meine Damen und Herren, die Politik ist natürlich trotzdem aufgerufen, nach so einem Verbrechen sogar verpflichtet, über Ursachen, über Prävention, über Risikominimierung, über Konsequenzen zu diskutieren. Der Spiegel erscheint in dieser Woche mit einer richtigen und wichtigen Titelgeschichte und mit einem sehr provokanten Titel und stellt die Frage: Warum sind in dieser Gesellschaft eigentlich so unwahrscheinlich viele legale Waffen, nämlich über 10 Millionen, zugelassen?

Das ist, wie ich finde, eine unglaublich hohe Zahl, die mich selber sehr verwundert hat. Man kann gleichzeitig noch eine Frage stellen: Wenn in der gesamten Bundesrepublik 10 Millionen Waffen legal zugelassen sind, wie viele haben wir dann

eigentlich in Niedersachsen? Wie viele Waffen gibt es hier in den Haushalten? Es geht dabei um Waffenbestände, die, wie gesagt, ganz legal zugelassen sind. Warum hatte eine Familie eigentlich die Erlaubnis, nicht weniger als 16 Pistolen und Gewehre und mehrere Hundert Schuss Munition zu Hause zu lagern? Wozu eigentlich das Ganze? Mir jedenfalls erschließt sich das nicht. Das hat mit Vernunft, mit Verstand und auch mit Mäßigung in meinen Augen überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn wir über dieses schwierige Thema reden, gehört zur Ehrlichkeit die Feststellung, dass wir in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik nicht weniger als fünf Amokläufe hatten. Das bedeutet, dass wir jedes zweite Jahr eine solche Katastrophe haben. Immer - ich betone: immer - sind diese Amokläufe mit legalen Waffen verübt worden. In diesem Fall sind 15 Menschen getötet, viele schwer verletzt und viele traumatisiert worden. So etwas muss einfach endlich Konsequenzen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das noch einmal deutlich machen: Der Innenminister ist in dieser Frage ganz konkret angesprochen. Herr Schünemann, Sie sind ja sonst nicht bange und verlegen, nach stärkeren Verboten und Kontrollen zu rufen, ganz egal, ob es dabei um PCSpiele, um alkoholisierte Jugendliche oder um Moscheekontrollen geht. Man kann über das eine oder andere Instrument ja ruhig einmal reden. Sie betonen jedenfalls sehr gerne das Gewaltmonopol des Staates und das Recht auf Sicherheit und Leben. Ich frage mich nur immer wieder: Warum sind Sie eigentlich so seltsam stumm, warum sagen Sie gar nichts, wenn es um das Waffenrecht geht? Dann wiegeln Sie auf einmal ganz schnell ab oder melden sich gar nicht mit Pressemitteilungen zu Wort. Mich irritiert, dass Sie monatlich das Verbot von Killerspielen fordern, aber bei echten Waffen anscheinend gar keinen Handlungsbedarf sehen. Das müssen Sie hier einmal erklären!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir sollten zu einer aufgeklärten Kriminal- und Präventionspolitik zurückkehren. Ich biete Ihnen heute an, darüber zu reden, ob wir auf dem PCSpielemarkt nicht zu viel Schund haben, ob wir da

vielleicht strengere Gesetze brauchen. Vielleicht muss man das eine oder andere Spiel schneller auf den Index setzen. Vielleicht können wir da etwas verändern. Aber wenn wir Risiken minimieren wollen, dann müssen wir auch ganz klar sagen: Wir haben einen viel zu hohen legalen Waffenbestand in der Bundesrepublik Deutschland. Den müssen wir signifikant absenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in der FAZ vom Montag einen sehr interessanten Satz gelesen. Das ist eine sehr kluge Tageszeitung, die vielleicht auch der eine oder andere auf der rechten Seite dieses Hauses dann und wann liest.

(David McAllister [CDU]: Was soll das denn?)

Die FAZ hat geschrieben:

„Der Hinweis aufs Nicht-Verhinderbare ist das bequeme konservative Argument aller Besitzstandswahrer. Die Waffenlobby führt es im Augenblick besonders frech im Munde.“

Ich kann nur sagen: Lesen Sie sich diesen Satz noch einmal sehr langsam und sehr gründlich durch!

1997 gab es in Schottland ein ähnlich trauriges Ereignis wie jetzt in Winnenden. Ein Mann hat an einer Schule 16 Menschen getötet. Danach war dann in Großbritannien Schluss mit falscher Liberalität und Waffen. Wie auch jetzt in der Bundesrepublik haben Opferverbände und die betroffenen Familien gesagt: Das muss jetzt endlich einmal Konsequenzen haben! Wir wollen diese liberale Waffengesetzgebung nicht mehr. - Die Regierung hat das dann konsequent durchgesetzt. Es gab keine falschen Kompromisse. Großbritannien hat seitdem eines der schärfsten Waffengesetze in Europa, und - man höre und staune! - es gab danach in Großbritannien keine Amokläufe an Schulen mehr. Das wirkt also, meine sehr verehrten Damen und Herren.