Protokoll der Sitzung vom 16.06.2009

Man könnte glatt meinen, die Landesregierung nähme es ganz genau mit den Rechten der Menschen mit Behinderungen. Doch stellt man die Gretchenfrage: „Wie hältst du es mit der Integration, liebe Landesregierung?“, dann findet man die Antwort in der neuen dazugehörigen zweiten DVO. Dort steht nämlich, dass die behinderten Krippenkinder in die I-Gruppen für die über Dreijährigen abgeschoben werden.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Hört, hört! - Ast- rid Vockert [CDU]: Also das „abge- schoben“ nehmen Sie bitte zurück!)

Über dieses Thema haben wir im letzten Plenum ja sehr kontrovers diskutiert.

Was hätte man bei einer Änderung des KitaGesetzes letztendlich nicht alles für die frühkindliche Bildung tun können: die Integration in den Krippen regeln; eine Verbesserung der Personalstandards hätte angeschoben werden können. Man hätte zumindest den Kommunen, die eine dritte Betreuungskraft in den Krippen finanzieren wollen, einen finanziellen Anreiz anbieten können. Von alldem passiert nichts.

Letztendlich müssen wir nur wieder feststellen: Beim Thema Krippenausbau zählt die Niedersäch

sische Landesregierung definitiv zur Achse der Dünnbrettbohrer. Ändern Sie das!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Astrid Vockert [CDU]: Was ist denn mit den 450 Millionen?)

Meine Damen und Herren, als nächstem Redner erteile ich Herrn Brammer von der SPD-Fraktion das Wort.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Brammer freut sich, dass endlich mal was vo- rangeht!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Vockert hat eben gesagt: Wer kann dazu schon Nein sagen? - Was das Ziel angeht, die Bezuschussung der Kommunen, bin ich voll auf Ihrer Linie.

(Astrid Vockert [CDU]: Danke!)

Grundsätzlich begrüßt die SPD-Landtagsfraktion die Absicht, die Kommunen endlich in den Genuss der Betriebskostenförderung ihrer Krippen kommen zu lassen, wie es im Kinderförderungsgesetz vorgesehen ist. Wir halten es ausdrücklich - damit uns hier nichts anderes unterstellt wird - für zwingend erforderlich, dass die Kommunen die ihnen zustehenden Zuschüsse endlich bekommen, damit sie verlässlich planen können.

(Beifall bei der SPD)

Laut Kinderförderungsgesetz hätte die Betriebskostenförderung schon im Jahr 2008 stattfinden sollen. Da die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern aber erst im Oktober 2008 zustande gekommen ist, hat das Land in 2008 nebenbei schon einmal 36,2 Millionen Euro gespart.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Die Erkenntnis und Einsicht, das Kinderförderungsgesetz vom April 2007 und die daraus resultierende Erklärung der Niedersächsischen Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände vom Oktober 2008 jetzt im Kindertagesstättengesetz fixieren zu müssen, meine Damen und Herren von der CDU und FDP, kommt relativ spät. Wir haben schon im vergangenen Herbst, als unser Antrag zur Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten von Ihnen abgebügelt wurde, nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Überarbeitung des KiTaG dringend erforderlich ist,

(Beifall bei der SPD)

und zwar auch vor dem Hintergrund der zwischen Bund und Ländern geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zum Kinderförderungsgesetz. Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, waren damals der Meinung, die gemeinsame Erklärung der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände reiche aus. Während des Mai-Plenums sind Sie in einer Sondersitzung des Kultusausschusses - am 14. Mai morgens um 8.30 Uhr, eine halbe Stunde vor der Plenarsitzung - auf die Idee gekommen „Diese Gesetzesänderung müssen wir auch noch vor der Sommerpause durchziehen, damit die Kommunen endlich in den Genuss der Förderung kommen können“. Da stellt sich die Frage: Scheuen Sie die Diskussion um das KitaG, oder wurde hier geschlafen?

(Zuruf von der CDU: Weder noch!)

Ich glaube eher, Sie scheuen die Fachdiskussion um ein vernünftiges und zukunftsweisendes Kindertagesstättengesetz.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Eine Bereisung des Kultusausschusses am vergangenen Freitag hat deutlich gemacht, dass im Bereich Kindertagesstätten eine Menge Handlungsbedarf besteht. Leider waren von den Regierungsfraktionen so wenige Kultusausschussmitglieder anwesend, dass die Oppositionsvertreter jede Abstimmung mit einer Mehrheit von 70 % für sich hätten entscheiden können. Dies zeigt, welches Interesse hier bei Ihnen wirklich vorhanden ist.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie haben sehr viel Zeit!)

- Herr Klare, wir haben nicht Zeit, sondern wir hatten einen Termin des Kultusausschusses. Wenn Sie nicht dagewesen sind, spricht das für sich.

(Beifall bei der SPD)

Zurückkommend auf den vorliegenden Gesetzentwurf weise ich noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass sich die SPD-Landtagsfraktion nachdrücklich dafür ausspricht, dass die Kommunen die geplanten Fördermittel schnellstmöglich erhalten können.

Wir werden dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf aber aus folgenden Gründen nicht zustimmen:

Erstens. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, dass alle Betreuungsplätze - auch diejenigen, die vor dem 18. Oktober 2007 geschaffen wurden - wirklich gefördert werden können.

(Astrid Vockert [CDU]: Das ist falsch!)

Hier erinnere ich eindringlich an die kritischen Anmerkungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes.

(Heinz Rolfes [CDU]: Nein, der hat etwas anderes vorgeschlagen! Das ist doch falsch, was Sie sagen!)

Der GBD - das ist dem schriftlichen Bericht zu entnehmen - hat sich alle Mühe gegeben, den rechtlichen Pfusch in Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf auszubügeln.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Das können Sie doch gar nicht beurteilen! Das ist doch Unsinn!)

Wenn Sie den jetzigen Gesetzentwurf lesen, dann stellen Sie fest, dass eine Restunsicherheit bleibt - auch das hat der GBD gesagt -, weil ganz einfach zu wenig Zeit war, die Historie eines durch Änderungen und Durchführungsverordnungen mittlerweile verwurschtelten Gesetzes ordentlich aufzuarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir lehnen es ab, dass der Elternanteil auf 25 % festgeschrieben wird. Dies bedeutet einen Elternbeitrag von 250 Euro monatlich. Da stellt sich z. B. vor Ort auch die Frage, wie man eine gerechte und faire Staffelung in der Beitragshöhe hinbekommen soll.

Drittens. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie durch die DVO viele gewichtige Entscheidungen dem Parlament entziehen wollen. Ich verweise in diesem Zusammenhang - - -

(Heinz Rolfes [CDU]: Es hat immer eine Durchführungsverordnung gege- ben! Die gab es beim Kindertagesstät- tengesetz auch immer!)

- Herr Rolfes, Sie können sich gern zu Wort melden.

(Heinz Rolfes [CDU]: Dann erzählen Sie doch nicht so etwas!)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die ausführliche schriftliche Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist wieder einmal mit der heißen Nadel gestrickt.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Überhaupt nicht!)

Aus der Sicht eines Handwerkers würde ich sagen: Das ist Murks. Wenn sich ein Klempner eine solche Arbeit erlaubt, dann leckt am anderen Tag der Wasserhahn. Wenn ein Chirurg so arbeitet, ist der Patient am anderen Tag tot. Wir erwarten von diesem Parlament etwas mehr als einen solchen Pfusch.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention auf Herrn Brammer hat sich Frau Vockert von der CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erstens nur davor warnen, in irgendeiner Form Verunsicherung zu betreiben und hier anzudeuten, dass nicht alle Plätze für unter Dreijährige finanziell entsprechend ausgestattet würden. Es ist im Ausschuss mehrfach danach gefragt worden. Im Gesetz ist eine klare Linie fixiert: Es werden alle Plätze tatsächlich finanziert, Herr Kollege Brammer.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens wissen Sie ganz genau, dass eine Durchführungsverordnung oder auch Erlasse notwendig sind. Wir haben wenig Neigung, in allen Gesetzen festzuschreiben - es war zur Zeit der von SPD und Grünen geführten Landesregierung und zur Zeit der SPD-geführten Landesregierung schon so, dass wir das immer in Durchführungsverordnungen geregelt haben -, wie bestimmte Stichtage sind und wie die Finanzhilfe umgesetzt werden soll. Wir treffen hier per Gesetz die grundsätzliche Aussage, dass eine Finanzhilfe für alle unter Dreijährigen gezahlt wird; das ist das Entscheidende. Insofern ist es schade, dass Sie sich sträuben, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Das ist auch ein Warnsignal an die Kommunen.

(Beifall bei der CDU)