Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zweite Beratung: Altlastenfonds für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/804 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/1305

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Auch hier ist keine Berichterstattung vorgesehen.

Die Fraktionen sind auch hier übereingekommen, sofort abzustimmen. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 804 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dem ist mehrheitlich so gefolgt worden.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Zweite Beratung: Nachhaltige Stärkung der Landesfinanzen statt untauglicher Schuldenbremse - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1215 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 16/1306

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Hier ist ebenfalls keine Berichterstattung vorgesehen.

Auch hier sind die Fraktionen übereingekommen, sofort abzustimmen. - Ich sehe keinen Widerspruch.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 1215 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dem Beschlussvorschlag ist mit großer Mehrheit gefolgt worden.

Jetzt kommen wir zum Tagesordnungspunkt 22:

Einzige (abschließende) Beratung: Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit beim Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1216 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/1328

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zur Beratung hat sich zunächst Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Einzug in den Landtag hat die Fraktion DIE LINKE einen Schwerpunkt auf die parlamentarische und außerparlamentarische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus in unserem

Land gesetzt. Mit Anfragen, Anträgen und eigenen Analysen haben wir uns einen Eindruck verschafft und sind zu der Einschätzung gekommen, dass Niedersachsen - das belegt auch der letzte Verfassungsschutzbericht - ein strukturelles Problem mit dem Rechtsextremismus hat. Im Vergleich zum Jahr 2007 ist die Zahl rechtsextremistischer Straftaten erheblich angestiegen. Deutlich geworden ist insbesondere, dass die Neonazi-Szene parteiübergreifend agiert.

Bei einer gemeinsamen Sitzung der LinksFraktionen in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen Mitte April in Halberstadt sind wir gemeinsam zu der Einschätzung gekommen und haben uns deshalb darauf verständigt, in beiden Landtagen entsprechende Initiativen zu starten, damit die Bundesländer im Kampf gegen den Rechtsextremismus viel stärker als bisher zusammenarbeiten können und müssen.

Dass das erforderlich ist, zeigt sich an konkreten Beispielen: Erst im November des vergangenen Jahres wurde ein in Stadthagen in Niedersachsen geplantes Rechts-Rockkonzert kurzerhand in das sachsen-anhaltinische Harbke verlegt. Die dortige Polizei allerdings erfuhr erst am Tag der Veranstaltung von ihren niedersächsischen Kollegen von der Verlegung der Veranstaltung und war somit nahezu handlungsunfähig. Das Konzert, bei dem einschlägige Bands aus ganz Europa auftraten, wurde von mehreren Hundert Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet besucht. So traten die italienische Band „Gesta Bellica“, die belgische Gruppe „Kill Baby Kill“ und die deutschen Bands „Faustrecht“, „Sturmwehr“ und „Angry Bootboys“ auf. Hinter der Bühne hing übrigens ein Transparent von „Honour & Pride Niedersachsen“, einer Nachfolgestruktur des verbotenen Nazi-Netzwerkes „Blood & Honour“.

Beispiele wie diese gibt es in Deutschland viele. Dies zeigt zum einen, dass die Verlegung von Veranstaltungen über Landesgrenzen hinweg einer klaren Strategie folgt. Es zeigt ebenfalls die noch immer mangelhafte Kooperation staatlicher Institutionen.

Meine Damen und Herren, Rechtsextremismus in Deutschland hat in den letzten Jahren mehrere Entwicklungsphasen erlebt. Viele reden gar von einer Modernisierung. Verändert haben sich nachweislich Inhalte, Organisationsformen und auch Strategien.

Aufgrund der restriktiven Vorgehensweise staatlicher Institutionen gegenüber rechtsextremistischen

Organisationen, Parteien und Verbänden Anfang der 90er-Jahre konnten feste Strukturen zumindest zum Teil zerschlagen werden. Rechtsextreme Aktivisten allerdings fanden rasch eine Antwort auf das staatliche Vorgehen. So entwickelten u. a. die bekannten Neonazis Christian Worch und Thomas Wulff das Konzept der freien Kameradschaften - lokale Zusammenschlüsse von Rechtsextremen, jedoch ohne formale Mitgliedschaft.

Überregional arbeiten viele Kameradschaften bereits seit Langem eng zusammen, entweder im direkten Kontakt über sogenannte Aktionsbüros wie das Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland oder das Nationale und Soziale Aktionsbündnis Mitteldeutschland.

Die Vernetzung funktioniert somit von der lokalen Ausgangsebene über regionale und nationale Netzwerke bis hin zu einer internationalen Zusammenarbeit. Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass man organisiert ist, ohne eine feste Organisation zu haben. Somit können die Kameradschaften zeitnah auf etwaige Ereignisse reagieren und bundesweit miteinander kommunizieren. Darauf muss von staatlicher Seite reagiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir schlagen in unserem Antrag eine Reihe konkreter Maßnahmen vor. Dazu gehört eine engere Kooperation von Polizei und Ordnungsbehörden insbesondere mit dem Ziel, bei Veranstaltungen wie den rechtsextremistischen Konzerten schnell und nachhaltig zu reagieren. Dazu gehört auch der Vorschlag der Bildung von mobilen Sondereinheiten - die kann man durchaus auch anders nennen -, die insbesondere an Wochenenden bekannte Treffpunkte der Neonazi-Szene aufsuchen. Dazu gehört aber auch, dass die Polizei länderübergreifend mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren in den Austausch tritt.

Meine Damen und Herren, um das anzugehen, bedarf es des politischen Willens und der Einsicht, dass es hierbei in unserem Land Niedersachsen Defizite gibt. Da habe ich bei Herrn Innenminister Schünemann so meine Zweifel.

(Minister Uwe Schünemann: Was?)

Herr Schünemann, Sie ignorieren das Problem, und zwar aus rein ideologischen Gründen.

(Beifall bei der LINKEN - Angelika Jahns [CDU]: Lächerlich! - Heinz Rol- fes [CDU]: Das ist völlig unbegründet! Das ist auch eine Frechheit!)

- Herr Rolfes, ich freue mich, dass Sie aufgewacht sind und mir auch zuhören. Das finde ich ganz prima.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schünemann, Ihre Strategie der Verharmlosung muss endlich beendet werden. Niedersachsen braucht endlich - - -

(Zurufe von der CDU)

- Ich freue mich, dass ich Sie endlich auf Temperatur gebracht habe. Ganz klasse!

Niedersachsen braucht endlich

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

eine nachhaltige gesamtgesellschaftliche Gegenstrategie gegen Rechtsextremismus. Und wenn ich mich an dieser Stelle auch wiederhole:

(Clemens Große Macke [CDU]: Da- durch wird es auch nicht besser!)

Dazu gehört auch, dass die Voraussetzungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren geschaffen werden. Ihr Vorschlag, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen, Herr Schünemann, hat keine Erfolgsaussichten. Ich bin auf die Ausschussberatungen zu dem vorliegenden Antrag sehr gespannt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Unglaublich!)

Eine Ausschussberatungewerden wir nicht mehr haben, Frau Kollegin. - Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Krogmann für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war gerade ganz erschrocken; denn ich habe mich auf eine abschließende Beratung eingestellt. Trotzdem möchte ich für die SPD-Fraktion zu diesem Antrag Stellung nehmen.

Lassen Sie mich zunächst einige Vorbemerkungen machen. Vor wenigen Wochen, im Mai-Plenum, haben wir in diesem Hause das 60-jährige Jubiläum unseres Grundgesetzes gefeiert, ein Grundgesetz, das darauf angelegt war, eine Wiederholung der nationalsozialistischen Diktatur, des braunen Terrors in Deutschland für immer unmöglich zu machen. Heute müssen wir leider feststellen,

dass rechtes Gedankengut, Rassismus, Chauvinismus und Antisemitismus nicht nur überlebt haben, sondern sich zu einer wachsenden Bedrohung unserer freiheitlichen und toleranten Gesellschaftsordnung entwickeln.

Der Verfassungsschutzbericht - Frau Zimmermann hat das erwähnt - weist eine deutliche Zunahme rechtsradikaler Straftaten aus. Es tröstet wenig, dass Niedersachsen dabei etwas besser abschneidet, dass also der Zuwachs etwas weniger groß ist. Trotzdem haben wir eine Häufung auch spektakulärer Fälle. Denken Sie an die Funde von Waffen in Wohnungen einschlägig bekannter Rechtsradikaler. Die Häufung dieser Fälle ist alarmierend.