Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann.

Sehr geehrte Frau Heiligenstadt, Sie haben eben zwei Dinge miteinander vermischt, nämlich die abgerufenen Mittel und die bewilligten Mittel. Ich habe bei den 5 Millionen Euro von den abgerufenen Mitteln gesprochen. Das sind die, die tatsächlich schon verwendet werden. Die bewilligten Mittel liegen weitaus darüber. Da sind wir bei etwa 24 Millionen Euro.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Von 74 Millionen Euro!)

Eine letzte Zusatzfrage liegt mir von der CDUFraktion vor: Frau Kollegin Ernst!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Frage tut sich für mich noch auf. Wenn 20 Anträge zurückgezogen worden sind und fünf nicht beschieden wurden, würde mich doch interessieren, aus welchen Gründen die Anträge zurückgezogen bzw. abgelehnt wurden. Denn ich gehe davon aus, alle Kommunen bemühen sich, das Ziel 2013 zu erreichen.

Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Bitte schön!

Die Investitionsmittel werden für neu zu errichtende Plätze im Krippenbereich zur Verfügung gestellt. Die neu zu errichtenden Plätze beziehen sich auf einen bestimmten Zeitpunkt, nämlich den 18. Oktober 2007. Es sind auch Förderungen für Plätze beantragt worden, die bereits vorher errichtet waren. Diese Anträge haben wir entsprechend den Vorgaben ablehnen müssen. Das ist das eine.

Zu den zurückgezogenen Anträgen: Das hat häufig etwas damit zu tun, dass bestimmte Unklarheiten im Hinblick auf die Beantragung von Mitteln für Neubauten oder für Umbauten bestanden haben. Dabei haben wir unterschiedliche Abstufungen bei den Zuweisungen. Dann muss man noch einmal miteinander ins Gespräch kommen. Ich gehe davon aus, dass die Antragstellung erneuert wird, aber dann korrekt auf die entsprechenden Dinge.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Jetzt habe ich noch eine weitere Zusatzfrage von der SPD-Fraktion: Frau Kollegin Heiligenstadt!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die Ministerin erklärt hat, dass die Anträge die Mittel überzeichnen, frage ich die Landesregierung: Wann sind Sie bereit, endlich Ihren Drittelbeitrag, den der Bund an die Länder weiterreicht und der den Kommunen zur Verfügung stehen soll, aufzustocken, damit endlich alle Anträge, die gestellt worden sind, bewilligt werden können? Das wären noch einmal ungefähr 175 Millionen Euro, die das Land den Kommunen vorenthält.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung antwortet Ministerin Frau Heister-Neumann.

Liebe Frau Heiligenstadt, wenn Sie die Drittelregelung ansprechen, dann sollten Sie mit im Blick haben, dass es einerseits um die Investitionsmittel,

andererseits aber auch um die Betriebsmittel geht. Wir hatten gestern das Thema Betriebskostenzuschüsse. Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden bezüglich beider Dinge Vereinbarungen getroffen. Wenn Sie diese Dinge zusammennehmen, werden Sie feststellen, dass wir genau innerhalb der Drittelregelung liegen. Wir sind nämlich bei den Betriebskosten erheblich über dem Satz, den andere Beteiligte hierbei tragen. Vor diesem Hintergrund bin ich der festen Überzeugung, dass wir als Land einen sehr großen und positiven Beitrag geleistet haben.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit ist die Behandlung der Dringlichen Anfragen insgesamt beendet.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Besprechung: Soziale Lage der Studierenden in Niedersachsen - Große Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/603 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/1175

Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung - das wissen Sie alle - einer der Fragestellerinnen oder einem der Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung. Nicht dass Sie sich bei den Rednereinsätzen wundern.

Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Lesemann. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geld, Gebühren, Bachelor - das ist das Dreigestirn, das Niedersachsens Studierende unter Druck setzt. Denn hier gilt das Motto: Nur wer Scheine hat, kann auch Scheine machen. Jeder dritte Studierende liegt mit seinen Einnahmen unter dem neuen BAföG-Höchstsatz von 648 Euro. Für diese Studierenden sind 500 Euro Studiengebühren beileibe kein Kleckerbetrag.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Dabei können die Hochschulen gar nicht so viel ausgeben, wie sie an Studiengebühren einnehmen, wie wir immer wieder den Presseartikeln

entnehmen können. Mit dem Geld soll die Lehre verbessert werden, doch finanziert werden Fernreisen, USB-Sticks, Espressomaschinen oder auch Drachenboote.

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Die Unis sammeln auf ihren Rückstellungskonten immer größere Geldberge an, weil die Studiengebühren nicht hinreichend ausgegeben werden, während sich Studierende das Geld vom Munde absparen müssen. Kein Wunder, dass heute an zahlreichen Universitäten und Hochschulen gestreikt wird. Wir als SPD bleiben dabei: Diese Hochschulpolitik ist unsozial. Die Studiengebühren müssen weg.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Zunächst möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des zuständigen Ministeriums meinen Dank und meine Anerkennung für die Beantwortung der zahlreichen Fragen aussprechen. Die Antworten sind für uns grundlegend für die weitere Erarbeitung von Initiativen zur Verbesserung der Studienbedingungen und für die Qualitätsentwicklung der Studien- und Serviceberatungsangebote.

Im Wesentlichen basieren die Aussagen auf der vom HIS durchgeführten 18. Sozialerhebung zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland. Die Daten stammen aus dem Jahr 2006. Zurzeit werden neue Daten erhoben, denen dann entnommen werden kann, wie sich die Studiengebühren tatsächlich auswirken.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Die nächste Anfrage kommt!)

Natürlich sind viele Aspekte auf die eine oder andere Weise spannend. Mit besonderem Interesse habe ich allerdings die Antworten auf die Fragen zur Situation von Studierenden mit Kind, von ausländischen Studierenden und auch von Studierenden mit Behinderungen gelesen. Was auf Studierende im Allgemeinen zutrifft, trifft auf die Studierenden der genannten Gruppen in zugespitzter Form umso mehr zu.

Meine Damen und Herren, 80 % der Studierenden wünschen sich eine Zukunft mit Kindern und Beruf. 44 % denken dabei sogar an zwei Kinder. Die Verwirklichung dieses Wunsches rückt für viele allerdings in weite Ferne, wie wir erkennen können. Das ist schade. Darum müssen wir etwas ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Künftige Akademikerinnen und Akademiker könnten durch Elternschaft bereits im Studium den Zeitstau umgehen, den viele von ihnen empfinden, wenn es darum geht, in einem schmalen Zeitfenster zwischen Ende 20 und Anfang/Mitte oder gar Ende 30 Kinder, Karriere und Konsum unterzubringen. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für Kinder? - Das hat sich sicherlich auch mancher von Ihnen hier schon gefragt. Für viele Akademikerinnen nie, aber für manche schon mitten im Studium. Nur ca. 7 % der Studierenden in Niedersachsen haben jedoch Kinder. Mütter und Väter an der Uni können oft nur mit halber Kraft studieren. Unter ihnen sind vergleichsweise zahlreiche Studienabbrecher; denn mit Kind zu studieren ist und bleibt eine Gratwanderung. Studium, Kindererziehung und die Sicherung des Lebensunterhaltes unter einen Hut zu bringen, ist angewandte Lebenskunst und setzt bei Vätern und Müttern eine ausdauernde Energie sowie eine sehr gute Arbeits- und Zeitplanung voraus.

(Zustimmung bei der SPD)

In Niedersachsen muss noch eine ganze Menge getan werden, damit die Rahmenbedingungen für studierende Eltern stimmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die starre Studienstruktur insbesondere in den BA-/MA-Studiengängen ist ein Problem. Ohne Umstrukturierungen in diesem Bereich wird das Studium für Studierende mit Kind nahezu unmöglich gemacht. 30 Semesterwochenstunden mit den entsprechenden Vor- und Nachbereitungszeiten addieren sich rasch auf knapp 90 Stunden pro Woche. Seminare, die zum Teil bis 20 Uhr dauern, stellen Eltern vor hohe Hürden. Wer übernimmt dann die Kinderbetreuung? - Kitas schließen in der Regel früher. Auch an dieser Stelle wird akuter Handlungsbedarf sichtbar; denn nicht jede Hochschule hat eine Notfallkinderbetreuung. Hier ist es besonders wichtig, dass endlich vor allem genügend Seminare angeboten werden, die sich an den Öffnungszeiten der Kindertagesstätten orientieren.

An einigen niedersächsischen Hochschulen sind Teilzeitstudiengänge eingeführt worden. Das Problem der studierenden Eltern ist aber, dass Stipendienprogramme und BAföG-Zahlungen nicht auf ein Teilzeitstudium ausgerichtet sind. Aber auch hier werden wir aktiv werden.

(Beifall bei der SPD)

Studierende mit Kindern sollen sich an den Hochschulen natürlich willkommen fühlen. Vielfach wird Kinderbetreuung aber noch als Privatproblem der Studierenden angesehen. Dabei ist es eine familienpolitische und angesichts aktueller Diskussionen auch eine vordringlich hochschulpolitische Aufgabe, Studium und Elternschaft vereinbar zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der zeitliche Spagat zwischen Studium, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit wirkt sich vor allem bei Alleinerziehenden - das sind in der Regel überwiegend Frauen - nachteilig auf den Studienverlauf aus. Einige Hochschulen schmücken sich inzwischen mit dem Label der Hertie-Stiftung und wollen Familienfreundlichkeit auch wirklich leben. Doch das muss mehr sein, als nur Wickeltische aufzustellen und Eltern-Kind-Räume einzurichten. Studierende mit Kind brauchen mehr. Sie brauchen angemessene Flexibilität im Studienverlauf. Sie brauchen elterngerechte Teilzeit- und BAföG-Regelungen. Sie brauchen flexible, auf die universitären Zeitstrukturen abgestimmte Betreuungsmöglichkeiten. Sie brauchen die Berücksichtigung von Elternschaft in Studien- und Prüfungsordnungen. Sie brauchen vor allem aber auch zeit- und präsenzunabhängige Studienformen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Antworten der Landesregierung zeigen allerdings auch: Von flächendeckend familienfreundlichen Studienbedingungen sind wir in Niedersachsen noch weit entfernt. Herr Minister Stratmann, hier gibt es noch eine ganze Menge zu tun. Es ist höchste Zeit dafür.

(Beifall bei der SPD)

Während sich Familienfreundlichkeit an Hochschulen erst allmählich als Qualitätsmerkmal etabliert, gilt das für das Thema Internationalisierung schon länger. Die Hochschulen verfolgen Internationalisierungsstrategien und bemühen sich mit Erfolg um mehr ausländische Studierende. Allerdings beklagen die Hochschulen eine zu restriktive Auslegung der Aufenthaltsbedingungen mit der Folge, dass ausländische Studierende aus Nicht-EULändern ihr Studium immer nur für jeweils ein Jahr planen können. Auch wenn die Gründe dafür zum Teil nachvollziehbar im sicherheitspolitischen Bereich liegen, bedeutet diese Praxis eine erhebliche Beschwernis für die Betroffenen. Wer einen Bachelorabschluss machen will, muss in dieser Zeit

sage und schreibe viermal bei der Ausländerbehörde vorstellig werden.

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Das halten wir für völlig überzogen.