Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

sam danach zu suchen, welche Ursachen überhaupt zu solchen Amokläufen geführt haben. Ich meine entgegen Ihrer Aussage - das habe ich vorhin schon gesagt -, Computerspiele, Spielzeugwaffen und Gewaltvideos bei Kindern und Jugendlichen führen zumindest zum Abbau von Hemmschwellen und gehören daher verboten. Das ist die erste Aussage, die wir machen müssen.

Die zweite Aussage ist: Wir müssen dafür sorgen, dass es keine gescheiterte Integration, vernachlässigte Erziehung und berufliche Perspektivlosigkeit gibt; denn dabei geht es um die Personen, die diese Taten zumeist vollziehen.

(Zustimmung von Klaus-Peter Bach- mann [SPD])

Die dritte entscheidende Aussage ist: Gesetze und Vorschriften, die wir haben, sind nur dann sinnvoll und wirksam, wenn ihre Einhaltung regelmäßig überprüft wird. Auch das haben Sie in Ihrem Antrag geschrieben. Hier sind wir sogar bei Ihnen. Auch in Winnenden wurde die Tat mit einer Waffe durchgeführt, die in einem Waffenschrank abgelegt war, der nicht ordnungsgemäß abgeschlossen war. Wir haben kein Verständnis dafür. Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes kann daher nicht dazu führen, dass die Einhaltung von Gesetzen und Verordnungen hier nicht überprüft wird.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das Grundrecht soll Ihrer Meinung nach nicht mehr gelten?)

- Das ist ein Grundrecht, aber - - -

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Aber nicht so wichtig? - Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das Einzelge- setz geht bei Ihnen vor dem Grund- recht?)

- Ich komme gleich dazu. Ich möchte das noch weiter ausführen. - Auch Schornsteinfeger betreten zur Überprüfung von Brandschutzvorschriften jederzeit die Wohnungen. Dabei gibt es keine Probleme.

Ich bin auch der Meinung: Wenn wir Waffenbesitzkarten ausgeben, dann können wir durchaus den Anspruch erheben, dass wir vor Ort überprüfen können, ob die damit verbundenen Bedingungen eingehalten werden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: So ist es! Wer eine Waffenbesitzkarte haben will, muss das akzeptieren!)

Da müssen Wege gefunden werden, damit das eingehalten wird; denn wie gesagt: Die meisten Taten wurden hier mit Waffen begangen, die nicht ordnungsgemäß weggeschlossen worden waren. Ich habe mit vielen Sportschützen gesprochen, die damit überhaupt gar kein Problem haben, wenn sie ihre Waffen zu Hause lagern, dass sie auch daraufhin überprüft werden.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist so wie mit dem Abhören des Telefons! Ich sage ja nichts Schlimmes!)

Auf einen Widerspruch muss ich noch eingehen: Sie sagen - das haben Sie auch eben ausgeführt -, alle Amokläufe, zu denen es an Schulen gekommen sei, seien mit legalen Waffen durchgeführt worden. Ich habe dazu etwas recherchiert und habe festgestellt, dass es nicht ganz so ist, wie Sie sagen, meine Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sondern?)

Ich habe von 1964 an recherchiert. Seitdem hat es rund 100 größere und kleinere Amokläufe gegeben. Am 11. Juli 1964 hat ein psychisch kranker Mann in Köln-Volkhoven, also in Nordrhein-Westfalen, mit einem selbstgebastelten Flammenwerfer und einer Lanze in einer Schule ein Massaker angerichtet. 28 Kinder wurden schwer verletzt, vier Lehrerinnen wurden schwer verletzt. Von den Opfern starben später acht Kinder und zwei Lehrerinnen. Der Flammenwerfer war eine umgebaute Unkrautspritzpistole, also mit Sicherheit keine registrierte Waffe.

Ein zweiter Fall - Ihr Kollege Briese hatte vorhin die letzten zehn Jahre angesprochen -: Am 19. Februar 2002 ist ein 22-Jähriger aus Freising mit zwei Pistolen - da stand leider nicht dabei, ob sie registriert waren -, drei Rohrbomben - ich gehe davon aus, dass sie nicht registriert waren - und einer Handgranate an seinen ehemaligen Arbeitsplatz gegangen, hat dort zwei ehemalige Vorgesetzte getötet, ist dann zu seiner ehemaligen Wirtschaftsschule gefahren, hat dort den 52-jährigen Rektor erschossen und zwei Lehrer verletzt. Auch das ist sicherlich kein Amoklauf mit registrierten Waffen gewesen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Nicht nur!)

- Zumindest nicht nur. Sie haben es allerdings behauptet. Ich wollte das nur widerlegen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich möchte nun zum Schluss kommen.

Ihren Antrag finden wir trotzdem gut. Wir werden über den Antrag in den Ausschüssen diskutieren. Ich hoffe, dass wir gemeinsam eine Formulierung finden, die wir weitergeben können, mit der wir die Forderung aufstellen, das Waffengesetz zu verschärfen.

Ein letzter Punkt: Auch wir sind der Meinung, dass es sicherlich Möglichkeiten gibt - das wird auch bei uns diskutiert -, Waffen und Munition getrennt zu lagern. Das kann man sicherlich bei den Schützenvereinen machen. Schwierigkeiten wird es sicherlich bei der Jägerschaft geben. Aber ich glaube, dass wir durchaus in der Lage sind, mit Ihnen gemeinsam eine tragfähige Beschlussempfehlung zu finden. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ihren Antrag, wie er zurzeit vorliegt, können wir jedenfalls nicht unterstützen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Hausmann. - Für die CDUFraktion hat jetzt Herr Kollege Götz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns ist der Amoklauf in Winnenden in Erinnerung. Noch vor dem abschließenden Polizeibericht, ohne die Hintergründe zu kennen, wurden geradezu reflexartig vermeintliche Lösungen angeboten, oft mit dem Ziel und dem Hintergrund, das Waffenrecht so zu verschärfen,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Bund Deut- scher Kriminalbeamter!)

dass eine praktikable Handhabung kaum noch möglich ist. Deutschland hat bereits eines der schärfsten Waffengesetze, Herr Briese. Das werden Sie bei Ihren Recherchen wahrscheinlich auch gefunden haben. Aber Sie sind ja nur bereit, das von sich zu geben, was Ihrem Weltbild entspricht. Das ist nicht immer das Weltbild, das hier allgemein mehrheitsfähig ist; Gott sei Dank ist das so.

Man hatte die Konsequenzen aus dem Amoklauf in Erfurt im Jahre 2002 gezogen. Zuletzt wurde das Waffenrecht im April 2008 geändert. Nach dem Amoklauf von Winnenden sind weitere Änderungen durch die Große Koalition geplant. Die Angehörigen der Opfer hatten berechtigte Forderungen gestellt. Der Zugang zu Waffen soll für Jugendliche erschwert werden. Gerade das Verantwortungsbewusstsein der Waffenbesitzer wird gestärkt. Wir

bekennen uns dazu, dass die Verantwortung bei den Waffenbesitzern bleibt. Dies ist der Kern des Waffenrechts.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen geht in eine andere Richtung. Danach will man den privaten Besitz von Handfeuerwaffen verbieten. Das sind Waffen von einer Länge unter 60 cm. Weiterhin fordert man, dass die legal erworbenen Waffen der Sportschützen nicht mehr in Wohnungen gelagert werden dürfen. Eine Auswertung von Straftaten mit Waffen zeigt, dass nur bei 0,03 % dieser Taten eine legal verfügbare Waffe benutzt wurde. Das ist meiner Meinung nach das, worum man sich bei dem Waffengesetz kümmern muss: Es muss verhindert werden, dass Unbefugte die Waffe in die Hand bekommen. Aber über das Waffenrecht allein, denke ich, ist das schwer möglich.

Konsequent, aber sehr verräterisch ist man bei den Grünen, wenn es um die Aufbewahrung von Waffen in Wohnungen geht. Man will dies verbieten. Meine Damen und Herren, wohin würde dies letztendlich führen? - In weiten Teilen unseres Landes würde der Schießsport nicht mehr möglich sein. Auf einem Schießstand außerhalb der Ortslagen könnte man Waffen nur mit einem kaum durchführbaren Aufwand lagern. Für die Sicherheitsbehörden wäre es ein Albtraum, in unbewohnten Gebieten Waffenlager zu haben. Egal, mit welchem Sicherheitsaufwand das geschieht, alle Hindernisse sind überwindbar, wenn man ungestört außerhalb der Ortslagen handeln kann. Ich selbst war zu mehreren Versuchen gerufen worden, Waffen auf Schießständen durch Einbrüche zu erlangen. Ich habe gesehen, was man dort vollführt hat. Es ist im Außenbereich sehr schwer, Waffen zu sichern, egal wie man das anstellt.

Das sportliche Schießen bei den deutschen Schützenverbänden würde so weit erschwert, dass dieser Sport sterben würde. Ich frage mich, ob Sie nicht diesen geheimen Wunsch haben und dies in diesem Antrag mit Ihren Begründungen durchsetzen wollen. Aber sprechen Sie es dann doch bitte aus und verstecken Sie das nicht hinter unerfüllbaren Vorschriften! Sie haben noch weitere Verbote vor: Das Schießen mit großkalibrigen Waffen sollte in den Vereinen verboten werden. Auch hier gilt: Was bleibt dann noch vom Schießsport übrig?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Kleinka- liberschießen, Bogenschießen!)

Eine Analyse der Amoktat in Winnenden ergibt, dass ein Verstoß gegen das bisherige Waffenrecht

vorlag. Hätte man die Vorschriften eingehalten, wäre die Waffe nicht zugänglich gewesen.

Meine Damen und Herren, der Bundesgesetzgeber hat vor, neue Anforderungen für die Aufbewahrung von Waffen und Munition zu regeln. Auch neue und bessere Sicherungen sollen geprüft und erlaubt werden. Die Behörden erhalten weitere Vollmachten bei der Überwachung, restriktiver vorzugehen. Hierbei ist allerdings dafür Sorge zu tragen, dass man die Balance nicht verliert. Es wäre falsch, über das Ziel hinauszugehen, Straftaten mit Waffen zu verhindern. Die bisherigen Vorschläge zur Kontrolle und Aufbewahrung stellen einen Kompromiss dar. Der Schutz der Wohnung wird beachtet. Nur bei einer dringenden Gefahr darf die Wohnung gegen den Willen des Bewohners betreten werden.

Meine Damen und Herren, Tatsache ist - ich habe es bereits erwähnt -: Die überwiegende Zahl der Straftaten geschieht mit illegalen Waffen. Es darf nicht zu einem Generalverdacht gegenüber allen Waffenträgern kommen. Unser Waffengesetz ist streng und hat sich bewährt. Es ist ein Bundesgesetz, das eine Änderung nach den schmerzlichen Erfahrungen erfährt. Wir als CDU-Fraktion werden die Gesetzesänderung in Berlin begleiten. Bislang werden dort akzeptable Lösungen vorgelegt und angestrebt.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz herzlichen Dank, Herr Götz. - Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Zimmermann. Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Reaktion der Politik auf solche Ereignisse wie den schrecklichen Amoklauf von Winnenden vollzieht sich immer nach einem bestimmten Schema: Es gibt aufgeregte Diskussionen. Alle möglichen Vorschläge geistern durch den Blätterwald. Aber was bleibt letztlich davon übrig? Nichts. - Auch dieses Mal ist das der Fall, und das hat einen Grund. Die Politik fällt immer wieder vor der riesigen und offensichtlich mächtigen Waffenlobby in diesem Land auf die Knie. Auch in Niedersachsen scheint das der Fall zu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Innenminister Schünemann lässt sich dafür feiern, dass eine unwesentliche Zahl von Waffen freiwillig abgegeben worden ist, und sieht somit sein Prinzip der Freiwilligkeit bestätigt. Aber das ist angesichts der Schrecklichkeit des Vorfalls in Winnenden aus meiner Sicht eher lächerlich. Für die Linksfraktion ist das Prinzip der freiwilligen Abgabe keine ausreichende Antwort auf den Amoklauf von Winnenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus unserer Sicht muss der Zugang zu Waffen massiv und konsequent eingeschränkt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu möchte ich Ihnen Zahlen aus dem Freistaat Sachsen präsentieren. In Sachsen gibt es mehr als 136 000 Schusswaffen im privaten Besitz. Diese gehören knapp 39 000 Personen, die aus verschiedenen Gründen über eine Erlaubnis dafür verfügen. Das ergab eine Anfrage der sächsischen Linksfraktion im dortigen Landtag. Meine Damen und Herren, wir sind auf das Ergebnis einer vergleichbaren Anfrage an die hiesige Landesregierung gespannt.

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion fordert die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass Waffen und Munition künftig nur noch in entsprechend gesicherten Arsenalen von Organisationen und Vereinen aufbewahrt werden dürfen. Natürlich sind Schranken immer überwindbar. Es hat sich aber gezeigt, dass auch der Waffenschrank vom Papa überwindbar ist.

Die Tatsache, dass in Deutschland 20-mal mehr Waffen in Privathand als bei der Polizei sind, macht die Dimension des damit verbundenen Risikos deutlich.

(Beifall bei der LINKEN)