Protokoll der Sitzung vom 26.08.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt keine saubere Gewaltenteilung. Ich erwähne als Beispiel nur das fehlende Initiativrecht des gewählten Parlaments. Die Rechte des Bundestags sind nicht gewährleistet, auch nicht die der Länderparlamente, sodass über die EU-Ebene an Bundestag und den Länderparlamenten vorbei Regelungen getroffen werden können, denen die gewählten Volksvertreter in Deutschland nicht zugestimmt haben. Insofern kann ich nur sagen: Europa sollte nicht Chefsache sein, sondern Parlamentssache - um das auch noch einmal deutlich auf den Punkt zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus Liebe zu Europa sind wir gegen diesen Lissabon-Vertrag, weil wir nicht wollen, dass Europa so gebaut wird, dass es den Interessen der Menschen zuwiderläuft und dass sie nur Objekte von Entscheidungen sind, auf die sie keinen Einfluss haben. Wir wollen kein Europa, das die europäische Idee mit Füßen tritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin stolz, Mitglied der einzigen Partei zu sein, deren Bundestagsfraktion von Anfang an die Probleme im Lissabon-Vertrag klar benannt hat, die deutlich gemacht hat, wo die Konflikte mit dem Grundgesetz liegen. Wir freuen uns zwar über die Grundgesetzausgaben, die wir heute vorgefunden haben. Aber für unsere Fraktion war das wohl am wenigsten nötig.

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Ach herrje!)

Weil wir von der europäischen Idee überzeugt sind, haben wir Klage gegen dieses Vertragswerk erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt und damit viele verfassungsrechtliche Bedenken der Linken bestätigt. Ich zitiere aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1. Juli:

„Ein deutlicheres Attest ihrer Selbstentmündigung hätten die Parlamentarier kaum ausgestellt bekommen können.“

Es gibt weitere ähnliche Presseartikel, die allesamt betonen, dass alle, die zugestimmt haben, Rechte des Bundestages, der Landesparlamente, des Bundesrates und des Bundesverfassungsgerichts beschnitten haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür kann es nur zwei Gründe geben: Entweder Sie wussten nicht, was Sie taten, oder Sie haben das so gewollt.

Nachdem nun das Bundesverfassungsgericht aufgrund der Klage der Bundestagsfraktion der Linken gesprochen hat, müssten Sie eigentlich klein mit Hut hier stehen und sich dafür entschuldigen. Sie müssten entweder sagen: Tut uns leid, das war unschlau, wir wussten es nicht besser. - Oder Sie müssten sagen: Tut uns leid, war eine ziemliche Sauerei, was wir da versucht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn Sie ganz viel Anstand hätten, dann würden Sie sagen: Danke, Linke, dass ihr so gut auf unsere Demokratie, auf unsere Verfassung, auf

unser Grundgesetz aufgepasst habt und dass wir jetzt die Chance haben, unsere Fehler zu korrigieren. - Aber das wird wohl erst passieren, wenn die Hölle zufriert.

(Oh! bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Gauweiler und die Linke brin- gen uns voran! - Weitere Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP - Glocke des Präsidenten)

Zumindest aber müssen Sie umsetzen, was in dem Urteil steht. Aber was machen Sie stattdessen? Sie schreiben nur das aus dem Urteil in Ihre Gesetzentwürfe, woran kein Weg mehr vorbeiführt, und das noch nicht einmal vollständig. Sie nehmen keine der Anregungen auf, die das Bundesverfassungsgericht zur Stärkung der Demokratie gemacht hat. Sie sind nicht bereit, klarzustellen, dass Deutschland nur innerhalb der Grenzen des Lissabon-Vertrags und im Rahmen der Vertragsauslegung des Bundesverfassungsgerichtsurteils handeln wird. Sie wollen nicht den Klageweg zur Überprüfung von Rechtsakten der EU regeln. Sie wollen zwar grundsätzlich die Bundesregierung an Stellungnahmen binden, aber sie soll bei wichtigen außenpolitischen und integrationspolitischen Interessen davon abweichen können. - Damit machen Sie die Hintertür gleich wieder auf, weil Sie echte parlamentarische Entscheidungsbefugnisse nicht wollen.

Sie verweigern die Umsetzung der Grundausrichtung des Urteils, weil Sie es entweder nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke hat einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Geist dieses Karlsruher Urteils umsetzt: für mehr Demokratie, mehr Transparenz, mehr parlamentarische Kontrolle, insgesamt für eine menschenfreundlichere EU. Unsere Bundestagsfraktion wird heute gegen die Gesetzentwürfe der anderen Fraktionen stimmen.

Sie werden uns natürlich wieder Europafeindlichkeit vorwerfen. Aber eines ist auch klar: Immer mehr Menschen wird deutlich - auch mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts, von Attac, von Verdi, von Pax Christi und anderen Organisationen -, wo die wahren Europafeinde sitzen. Bei den Linken jedenfalls nicht.

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Na, na, na!)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Die Leistung des Bundestages und des Bundesrates in den letzten Sommerwochen ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.

(Zustimmung von der CDU)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stammt vom 30. Juni. Wir haben es in intensiven Beratungen geschafft, dass wir die Ratifikationsurkunde vermutlich schon am 2. Oktober hinterlegt haben werden. Das ist der Tag des Irland-Referendums. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen für den Vertrag von Lissabon, weil er Europa voranbringt.

Der Gesetzentwurf wird heute in den Deutschen Bundestag eingebracht. Es wird eine Anhörung von Bundestag und Bundesrat zu den Gesetzentwürfen geben. Auch daran wird sich die Landesregierung über den Bundesrat intensiv beteiligen.

Ich begrüße es außerordentlich, dass der Landtag, dass die Landesregierung, dass das Bundesverfassungsgericht Ja zu dem Entwurf des LissabonVertrages gesagt haben - mit Ausnahme der Linken, die hierbei völlig falsch aufgestellt sind, wie der Beitrag eben noch einmal deutlich gemacht hat. Es reicht eben nicht, Dinge zu behaupten, man muss sie auch begründen können, Frau Flauger. Wenn Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lesen, dann werden Sie feststellen, dass Ihre Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde.

(Zuruf von Kreszentia Flauger [LIN- KE])

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat über die von Ihnen vorgetragenen Einwände entschieden und z. B. die Behauptung zurückgewiesen, dass der Vertrag von Lissabon der Europäischen Union den Zugriff auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten ohne Zustimmung der nationalen Parlamente ermöglicht oder dass mit ihm die sozialpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages beschränkt und damit das Sozialstaatsprinzip verletzt würde.

Worüber wir hier reden, ist das sogenannte Ausweitungsgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht im Gegensatz zum Zustimmungsgesetz

beanstandet. Dagegen aber hatte die Fraktion DIE LINKE überhaupt nicht geklagt.

Diejenigen, die in Karlsruhe gewonnen haben, waren also nicht Sie. Sie, die Sie in Karlsruhe geklagt haben, haben verloren. Das muss man hier in dieser Schlichtheit einfach einmal klarstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Kreszentia Flauger [LINKE])

Jenseits der europafeindlichen Positionierung der Linken, die bekannt ist und die hier verschiedentlich und zu Recht kritisiert wurde, bemühen sich CDU, CSU, FDP und SPD gemeinsam darum, für die Zukunft zu einem Zustimmungsgesetz und zu verbesserten Mitwirkungsrechten von Bundestag und Bundesrat zu kommen. Dabei halte ich es für legitim, dass jetzt um einen Entschließungsantrag zur Kontrolle von kompetenzüberschreitenden oder identitätsverletzenden Rechtsakten der Europäischen Union gerungen wird, wie sie das Bundesverfassungsgericht ja angemahnt hat. Wenn der Bundestag in der nächsten Legislaturperiode die Einführung einer derartigen Kompetenzkontrollklage prüft, kann man dagegen nichts einwenden.

Uns ist es wichtig, dass die Gesetzentwürfe schnell den Bundestag und den Bundesrat passieren, damit der Vertrag von Lissabon schnell auf den Weg gebracht werden kann. Im Übrigen, Frau Flauger: Wenn Ihnen alle widersprechen, sollten Sie sich einmal fragen, ob Sie nicht vielleicht die Geisterfahrerin in dieser Debatte sind, wie es die Kollegin Polat zu Recht gesagt hat.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Mit Si- cherheit nicht!)

Wir liegen auf einem richtigen Kurs, der Europa stärkt, demokratischer und handlungsfähiger macht. Wir als Niedersachsen profitieren sehr stark von Europa und können deswegen die Europafeindlichkeit nicht verstehen. Wir halten sie für niedersachsenfeindlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Ralf Briese [GRÜNE])

Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1 c liegen mir nicht vor. - Ich eröffne damit die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 1 e:

11 % mehr Ausbildungsverträge im niedersächsischen Handwerk - Niedersachsen deutlich besser als der Bundesdurchschnitt! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/1535

Dazu erteile ich dem Kollegen Bley von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vieles hat sich in den vergangenen sechs Jahren in Niedersachsen zum Positiven geändert.

(Beifall bei der CDU)

Die Erfolge unserer geradlinigen und soliden Regierungsarbeit unter Ministerpräsident Christian Wulff sind sichtbar.

(Beifall bei der CDU)

Die jüngsten Verhandlungen zum VW-Gesetz und die Auseinandersetzungen mit Porsche haben gezeigt, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit, ja weltweit Anerkennung und Lob finden.

(Beifall bei der CDU)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opel würden einen Luftsprung machen, wenn in ihren Standortländern Christian Wulff Ministerpräsident wäre.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Falsches Manuskript, Herr Bley!)