Protokoll der Sitzung vom 26.08.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Die Neofaschisten und ihre Anhänger in Niedersachsen sind selbstbewusster, dreister und brutaler geworden. Sie sind gut vernetzt, sie werden immer schlagkräftiger, und sie etablieren sich in der Mitte der Gesellschaft; sie hängen Plakate mit dem Schriftzug „Ausländer raus!“ auf.

Wie lange wollen Sie eigentlich noch zusehen, warten und schweigen? Wir fordern eine nachhaltige, offene zivilgesellschaftliche Aufklärung. Wir fordern ein sofortiges Verbot der Kameradschaft 73 Celle.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir fordern Sie auf, alle V-Leute abzuziehen und so den Weg für ein NPD-Verbot freizumachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schünemann, Sie sind auf diesem Gebiet ein Schlaf- und Schnarchminister.

(Björn Thümler [CDU]: Was? Das ist unparlamentarisch, Frau Kollegin! Unerhört! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Unverschämt!)

Ich wünsche mir, dass Sie zukünftig hellwach zu diesem Thema unterwegs sind. Damit Sie in Zukunft immer wissen, wann Zeit zum Schlafen ist, überreiche ich Ihnen heute dieses Sandmännchen. Es soll Ihnen zeigen, wann Zeit zum Schlafen ist.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Wie kann man ein solches Thema so verkaspern! Das ist un- glaublich!)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten - Björn Thümler [CDU]: Wie kann man zu einem so ernsten Thema einen solchen Klamauk machen? Unerhört!)

Herr Kollege, warten Sie bitte einen Augenblick, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Justizminister hat in der vergangenen Woche ein bemerkenswertes Interview im NDR gegeben. Darin sagte er sinngemäß: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist eine Aufgabe für alle Kräfte, für die Justiz, aber auch die Polizei, die Schulen, Vereine und Kommunen. Wir werden Rechtsextremismus vielleicht nie ganz besiegen können. Aber wir können ihn eindämmen. - Gute, richtige Worte. Aber diesen Worten müssen jetzt auch Taten folgen. Sie sind die Regierung, meine Damen und Herren. Sie haben alle Handlungsmöglichkeiten des Staates. Also handeln Sie endlich!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was haben Sie denn konkret vorzuweisen? Den Landespräventionsrat - gut. Die Fortführung des unter der SPD-Regierung initiierten Programms „Aussteigerhilfe Rechts“ - gut und wichtig. Und dann: den Verfassungsschutz, das Lieblingsprojekt dieses Innenministers. Eine Ausstellung hier, eine Tagung da - alles richtig und gut. Und natürlich zahlreiche V-Leute in der Neonaziszene.

Aber ist das genug? Reicht es aus, darauf zu verweisen, dass man überall in der Naziszene V-Leute habe, die über Straftaten berichten, wenn andererseits z. B. in Faßberg Schüsse fallen und dies bis heute nicht aufgeklärt ist, wenn Polizisten bei Einsätzen in Bad Nenndorf oder Faßberg teilweise nicht einmal genau wissen, was eigentlich der konkrete Anlass ihres Einsatzes ist? Was nützen die V-Leute, wenn in Wolfsburg gut recherchierende Journalisten lange vor der Polizei und vor allem lange vor dem Verfassungsschutz über die Museumspläne der Nazis Bescheid wissen?

(Angelika Jahns [CDU]: Woher wissen Sie das denn?)

Ich betreibe hier keine allgemeine Verfassungsschutzschelte, ganz und gar nicht. Aber Sie, Herr

Schünemann, die Sie dieses Thema offenbar so interessiert, dass Sie jetzt intensive Gespräche führen, verweisen immer wieder auf die tollen Aufklärungs- und Präventionserfolge, die Sie mittels Ihrer V-Leute erreichen. Aber wer sind denn die von Ihnen so gepriesenen Informanten? Zahlreiche namenhafte Expertinnen und Experten bezeichnen diese V-Leute schlicht als staatlich bezahlte Nazis, die auch vor Verbrechen nicht zurückschrecken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wie viele der V-Leute vorbestraft sind, lässt sich für uns ja nicht kontrollieren. Das halten Sie alles geheim, Herr Schünemann. Wahrscheinlich wissen Sie es selbst nicht. Aber können Sie denn ausschließen, dass hier seit Jahren immer wieder staatliche Gelder direkt in die Taschen brauner Straftäter fließen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Können Sie ausschließen, dass in Wolfsburg, Faßberg, Bad Nenndorf und anderswo in Niedersachsen rechtsextreme Straftäter mit Geldern des Verfassungsschutzes agieren? Wir Grüne sind jedenfalls der Auffassung, dass ein Rechtsstaat von solchen Leuten keine Informationen abkaufen sollte. Ein Rechtsstaat sollte keine Gelder an Verfassungsfeinde zahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In Wahrheit ist es häufig doch Ihre schwer nachzuvollziehende Begeisterung für den Einsatz von V-Leuten, die eine effektive Bekämpfung der Nazistrukturen verhindert, Herr Schünemann. Ihre V-Leute sind es, die der Naziszene immer wieder Geld zufließen lassen, und die Existenz Ihrer V-Leute ist es nicht zuletzt, die ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren, wie es Grüne, Linke und SPD fordern, verhindert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Warum sieht man Sie eigentlich auf keiner Demonstration, Herr Innenminister?

(Zurufe von der CDU)

- Sie scheinen die Demonstrationsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz ja sehr witzig zu finden. Lesen Sie das einmal nach, Herr Klare.

Während die Innenminister von Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt regelmäßig an Demonstratio

nen gegen Nazis teilnehmen, sich also mit den Gegendemonstranten solidarisieren, brüsten Sie sich hier im Landtag peinlicherweise damit, in Ihrem Leben an noch keiner Demonstration teilgenommen zu haben.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ach du liebe Güte! Ein Grundrechtsverweige- rer!)

Jemandem, der als Demokrat stolz darauf ist, diese demokratische Ausdrucksform nie in Anspruch zu nehmen, dem bleiben wohl nur noch V-Leute, um irgendein Handeln vorzuweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir fordern den Abzug der V-Leute aus NPD und Kameradschaften, um endlich ein neues Verbotsverfahren zu ermöglichen und weil wir einfach nicht hinnehmen wollen, dass staatliche Gelder in rechtsextreme Strukturen fließen.

Wir wollen, dass es wie schon in zahlreichen anderen Bundesländern endlich auch in Niedersachsen mobile Beratungsteams für Opfer rechter Gewalt gibt.

Wir wollen ein landesweites Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, das lokale Initiativen und vor allem auch die Kommunen mit Rat und Tat unterstützt, das praktische Hilfestellung leistet sowie alternative Jugendkultur und alternative Jugendzentren fördert.

Wir fordern ein entschlossenes Handeln gegen Rechtsextremismus, damit Neonazis in Niedersachsen wirklich keine Chance mehr haben.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Oetjen von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Limburg, Sie haben hier im Wesentlichen zum NPD-Verbotsverfahren gesprochen. Ich stelle fest, dass Sie dem eigentlichen Thema ausweichen, weil Sie nicht darstellen können, wo die wirklichen Verfehlungen dieser Landesregierung sind.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Hören Sie einmal genau zu, Herr Oetjen!)

Verehrte Kolleginnen von den Linken, Sie sagen, die Landesregierung müsse aufwachen. Ich sage Ihnen aber ganz, ganz deutlich: Hier in diesem Hause sind CDU und FDP hellwach, wenn es darum geht, gegen Rechtsradikalismus in Niedersachsen vorzugehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das, was Sie, Frau Zimmermann, hier vorgetragen haben, dass es nämlich bei rechtsextremistischen Kameradschaften Waffenfunde gegeben hat, zeigt doch, dass die Polizei dort hingeht, dass die Polizei wachsam ist, dass Kontrollen vorgenommen und solche Waffen beschlagnahmt werden. Das, was Sie, verehrte Frau Kollegin, hier dargestellt haben, ist der beste Beweis dafür, dass wir aktiv gegen Rechtsradikalismus in Niedersachsen vorgehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der LINKEN)

Natürlich müssen wir als Parlamentarier in einer freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung aktiv gegen Rechtsradikalismus, gegen alle Formen von Fremdenfeindlichkeit und Menschenverachtung vorgehen und uns für die Menschenwürde einsetzen. Dazu stehen wir als Liberale in ganz, ganz besonderer Weise.

Diese Landesregierung hat in einer langen Tradition des Kampfes gegen den Rechtsextremismus viele gute Projekte der Vorgängerregierung fortgesetzt - das ist eine gute Tradition - und diese um weitere Maßnahmen ergänzt.

Sie sagen ja immer wieder, dass die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern nicht klappt. Über dieses Thema haben wir erst neulich gesprochen. Aber gerade die Kooperation zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir die Dinge nicht nur für uns selbst betrachten, sondern auch grenzüberschreitend mit anderen Bundesländern. In diesem Bereich sind wir sehr aktiv und, meine Damen und Herren, auch sehr erfolgreich.