Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Wir wissen, dass wir bei dem Kurs, der in der Europäischen Union eingeschlagen worden ist, mehr Markt bekommen, und zwar auf den Milchmärkten wie auch insgesamt auf den Agrarmärkten. Ich halte es insgesamt für eine richtige Entwicklung, dass wir versuchen, unsere Landwirtschaft zu mehr Markt hinzuführen. Eine wichtige Voraussetzung aus meiner Sicht ist aber - das sage ich ganz

deutlich -, dass die Landwirte am Markt ihr Einkommen verdienen können, das sie verdient haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die niedrigen Preise, die wir auf dem Milchmarkt haben - die Schweinebauern beispielsweise wissen schon lange, dass es Hochs und Tiefs gibt -, halten jetzt schon viel zu lange an. Wir sind bei den Preisen schon viel zu lange unten. Das bringt die Betriebe wirklich in existenzielle Nöte.

Wir haben in Land und Bund kurzfristige Maßnahmen eingeleitet. Das ist vom Kollegen DammannTamke zum Teil hier schon gesagt worden. Beim Agrardiesel beispielsweise wurden Betriebe entlastet. Das ist ein richtiger Schritt. Aus unserer Sicht brauchen wir in diesem Bereich eine europäische Harmonisierung. Die Maßnahmen auf Bundesebene reichen noch nicht aus. Wir sind aber zumindest einen Schritt vorangekommen.

Ich nenne weiterhin die Zinsverbilligung von Krediten, um die Liquidität zu sichern. Die Liquiditätsfrage ist für die Betriebe die Frage, die am wichtigsten ist. Der Kollege Dammann-Tamke hat hier bereits den richtigen Hinweis gegeben, dass wir über die Finanzämter beispielsweise auch die Steuervorauszahlungen reduzieren könnten, damit nicht weiter Liquidität entzogen wird.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte gern im Zusammenhang vortragen. Wir haben den Kollegen Meyer, obwohl er hier viel Unwahres gesagt hat, auch nicht unterbrochen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Ich lasse Zwischenfragen zu!)

Wir haben Marktordnungsinstrumente befristet eingeführt. Herr Kollege Siebels hat aus meiner Sicht zu Recht gesagt, dass wir mit dem Einsatz dieser Instrumente sehr vorsichtig sein sollten. Wir halten von dem Einsatz solcher Instrumente eigentlich nichts, aber in dieser wirklich dramatischen Situation können wir verstehen, dass die Europäische Union diese Karte gezogen hat. Es soll jetzt noch eine Anpassung bzw. Anhebung erfolgen. Ich glaube, dass dies ein richtiger Weg ist. Ich sage aber auch: Wir müssen von den Marktordnungsinstrumenten in der Europäischen

Union insgesamt wegkommen; denn nur dann können wir am Markt wirklich aktiv und ordentlich arbeiten.

Das Thema Kennzeichnung von Milch ist hier bereits angesprochen worden. Auch das Thema Absatzförderung ist für uns in der Politik sehr, sehr wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Milch konsumiert wird. Mittelfristig wollen wir Grünlandbetriebe durch das PROFIL-Programm stärken. All das ist schon gesagt worden. Das alles hilft mehr als die runden Tische, die eingerichtet werden. Das sage ich immer wieder sehr deutlich. Frau Aigner ist ganz groß darin, alle Leute einzuladen. Nachher kommt aber nichts dabei heraus. Wir müssen konkret handeln und konkret werden.

Ich sage aber auch, Herr Kollege Meyer, dass nationale Alleingänge und alleinige nationale Regelungen überhaupt nichts bringen und nicht dazu führen, dass die Erzeugerpreise steigen. Vielmehr werden solche Maßnahmen dazu führen, dass wir im europäischen Konzert Marktanteile verlieren. Wenn wir in Deutschland weniger Milch produzieren, dann kommen natürlich Molkereien und Milcherzeuger aus anderen Ländern - aus Frankreich, aus Belgien, aus den Niederlanden und aus Dänemark -, und die übernehmen unsere Marktanteile. Das heißt: weniger Einkommen bei den landwirtschaftlichen Betrieben in Niedersachsen. Das aber wollen wir nicht. Das wollen CDU und FDP in diesem Hause nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb glaube ich, dass die vom BDM unterbreiteten Vorschläge und das, was von den Grünen 1 : 1 übernommen wurde, nicht zielführend sind und auch nicht dazu führen werden, dass unseren Betrieben geholfen wird.

Ich sage zum Schluss: Die Grünen sind heute Geisterfahrer gegen den Kurs der Europäischen Union, der damals von Frau Künast mit belebt und eingeschlagen wurde. Deshalb sollten Sie damit aufhören!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Ehlen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle sind uns darüber einig und auch im Klaren, dass sich die Milchviehbetriebe in einer sehr, sehr schwierigen Lage befinden und die Milchpreise zu niedrig sind, wenngleich sich - ich glaube, wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir die Situation richtig erfassen - auf den internationalen Märkten wieder eine leichte Verbesserung - ich sage extra: leichte Verbesserung - abzeichnet. Ich gehe davon aus, dass wir aus diesem Preistal kurzfristig nicht herauskommen werden und dass sich die Tendenz insgesamt nicht so schnell nach oben hin entwickeln wird.

Meine Damen und Herren, ich muss zunächst einmal ein paar Dinge klarstellen. Wir müssen aufpassen - Herr Kollege Meyer, auch Sie sollten dies tun -, dass hier keine Geschichtsklitterung betrieben wird.

(Zuruf von Christian Meyer [GRÜNE])

- Ich sagte ja, Sie sollten jetzt ein bisschen zuhören. Ich kann Ihnen nämlich beweisen, dass ich nicht gelogen habe und auch nicht wortbrüchig geworden bin; denn - zum Teil sind die betreffenden Personen heute auf der Zuschauertribüne - zwei Tage vor der Bundesratsdiskussion, bei der ich unsere CDU-Meinung vertreten habe, habe ich Herrn Schaber, Herrn Morisse und Herrn Böhling bei mir im Büro genau erzählt, wie Niedersachsen und alle anderen CDU-Länder im Bundesrat abstimmen werden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meyer?

Die Frage zum Wortbruch, Herr Minister, bezog sich ja darauf, dass es nach dem Milchstreik einen Milchgipfel gab, den der damalige Bundesagrarminister Seehofer einberufen hatte. Danach hat er eine Erklärung abgegeben, bei der auch die Länderagrarminister zugegen waren. In den folgenden Tagen habe ich von Ihnen aber kein Dementi zu Seehofers Aussage vernommen, dass sich die

Agrarminister einig seien und dass man im Bundesrat dafür sorgen werde, dass die Saldierung ausgesetzt wird und dass der Umrechnungsfaktor geändert wird. Diesen Meinungswechsel dann zwei Monate später zwei Tage vor der Abstimmung im Bundesrat zu sagen, ist schon ein bisschen - - - Geben Sie mir Recht, dass die Darstellung stimmt, dass Herr Seehofer das auf dem Milchgipfel auch im Namen der Länder versprochen hat? - So zumindest die Presseberichte.

Ich darf darauf antworten. - Sie können sich ruhig wieder hinsetzen. - Das ist falsch. Herr Seehofer hat für die Bundesregierung gesprochen, nicht aber für die Länder. Als ich ihn ganz diskret darauf hingewiesen habe, dass die Bundesländer eine andere Meinung haben als der Bundesminister, hat er zu mir gesagt: Ihre Plattform ist der Bundesrat. - Diese Plattform haben wir genutzt und dort unsere Meinung dargestellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch feststellen, dass das Wirtschaftsjahr 2007/2008 für die Milchwirtschaft ein sehr, sehr gutes Jahr war. Das, was Herr Dammann-Tamke hier zum Thema Steuernachzahlungen bzw. Steuervorauszahlungen ausgeführt hat, ist für unsere wirtschaftenden Betriebe ein riesiges Problem.

Jetzt für Sie alle etwas, was zwar noch nicht so ganz belegt, aber relativ neu ist: Wir haben sogenannte Testbetriebe, mit denen wir feststellen, in welcher Lage sich der Milchmarkt in etwa befindet. Wir stellen fest, dass der Abschluss 2008/2009 ähnlich sein wird wie der Abschluss 2006/2007. Ich sage hier: ähnlich und auch ohne Gewähr. Er wird aber nicht so schlecht sein, wie wir das jetzt überall gesagt bekommen.

Meine Damen und Herren, es ist richtig und wichtig, dass wir hier nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern offensiv werden. Ich freue mich, dass Herr Kollege Siebels diese Dinge zumindest in der ersten Halbzeit seiner Rede - in der ersten Halbzeit war er ja noch gut; danach hat er aber ein bisschen nachgelassen - auf den Punkt gebracht und darauf hingewiesen hat, dass bei diesem Thema die großen Parteien hier im Lande sehr nahe beieinander sind.

Meine Damen und Herren, ich fasse kurz zusammen: Wir haben die Dieselbesteuerung zurückgedreht. Wir haben die Auszahlung der Agrarprämien auf den 1. Dezember verlegt. Das ist eine niedersächsische Leistung, was man hier ruhig einmal sagen kann. So etwas fällt nicht vom Himmel. Man muss sich ganz schön mühen, um solche Dinge voreinander zu kriegen. Wir haben das Zinsverbilligungsprogramm der Rentenbank mit in Gang geschoben. 1 200 Betriebe haben dieses Programm in einer Höhe von rund 80 Millionen Euro in Anspruch genommen. Das sind 65 000 Euro je Antragsteller.

Außerdem sagen wir: In dieser Krisensituation muss es möglich sein, auch in den Milchsektor wieder Marktordnungsinstrumente einzubauen. Das heißt, dass wir versuchen wollen, die Exportförderung wieder nach vorne zu bringen.

Besonderen Wert lege ich in diesem Zusammenhang auf Folgendes: Das Deutsche Institut für Lebensmittelforschung, das dieser Tage in Quakenbrück für seinen Anbau das Richtfest feiert, ist voll darauf ausgerichtet, zusammen mit anderen privatwirtschaftlich arbeitenden Molkereien, aber auch mit Molkereien aus dem genossenschaftlichen Bereich die Produktforschung - neue Produkte, innovative Produkte - nach vorne zu bringen. Ich glaube, wir sollten besonders stolz darauf sein, dass gerade diese Institution in Niedersachsen ihre Möglichkeiten hat.

Ich will hier noch ein Weiteres sagen - denn das muss einmal gesagt werden -: Der Bund Deutscher Milcherzeuger hat eine Reihe von Mitgliedern, die selber überliefern. Ich kenne eine ganze Reihe Mitglieder, die zu mir sagen: Das machen ja alle, dann mache auch ich das. - Von den rund 760 Anträgen auf Agrarförderung kommen ungefähr 20 % - ich weiß nicht, welcher Antragsteller nun im BDM ist - von BDM-Mitgliedern, die alle wachsen und größer werden wollen. Ich schätze, um die 50 Kühe im Durchschnitt. Dafür müssen andere Betriebe aufhören, wenn wir eine Mengendisziplin haben wollen. Ich verwehre mich gegen scheinheilige Diskussionen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir als Niedersachsen sind - hier ist ein Selbstversorgungsgrad von 170 % genannt worden - dazu verdonnert, auch über die Grenzen Niedersachsens hinaus in andere Bundesländer, über die Grenzen Deutschlands hinaus in andere europäische Länder und über die Grenzen Europas hinaus in Drittländer zu exportie

ren. Der Milchmarkt ist ein internationaler Markt. Mehr als 40 % der Produktion werden außerhalb Deutschlands vermarktet. 40 % der Milch werden exportiert. Ähnliche Mengen werden importiert. Dieses Beispiel zeigt uns aber, dass wir nicht irgendwo eine Insel sind. Ich verwahre mich gegen nationale Alleingänge. Jeden Liter, den nicht wir liefern, werden die Kollegen aus den Niederlanden oder aus Dänemark mit großer Freude nach Niedersachsen oder Deutschland exportieren. Wenn wir diese verlorenen Marktanteile irgendwann wiederhaben wollen, müssen wir sie uns dann teuer zurückkaufen.

Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass der Antrag, der von den Fraktionen von CDU und FDP eingebracht worden ist, zielführend ist. Wir werden uns dafür einsetzen, dass er letztendlich umgesetzt wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 3 erteile ich der CDU-Fraktion einschließlich der Restredezeit eine Redezeit von zweieinhalb Minuten. Bitte schön, Herr Kollege Dammann-Tamke!

Herr Präsident! Insbesondere in Richtung der Grünen möchte ich etwas aus dem Pressedienst des Bayerischen Bauernverbandes zitieren. Dort ist unter der Überschrift „Milchquote dem Markt anpassen“ Folgendes zu finden - ich zitiere -:

„Die Verbesserung der Marktsituation ist nach Auffassung des Deutschen Bauernverbandes nicht allein durch die Milchwirtschaft, sondern zwingend auch durch politische Entscheidungen zu erreichen. Die nach wie vor nicht beseitigte Überproduktion an Milch in der EU ist mitverantwortlich für die derzeit verheerende Erlös- und Einkommenssituation der deutschen Milchbauern. In einer Entschließung fordert das DBV-Präsidium daher die Bundesministerin … erneut nachdrücklich auf, sich auf europäischer Ebene für eine flexiblere Anwendung der Milchquotenregelung einzusetzen. Auch in Kenntnis der politischen Widerstände muss es möglich sein, Mehrheiten innerhalb der Europäi

schen Union für eine marktangepasste Festsetzung der Milchquoten zu finden.“

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

„Unverzüglich sollte eine flexible Anpassung der Saldierungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene durchgesetzt werden. Darüber hinaus fordert der Deutsche Bauernverband die Bundesministerin … auf, alles daranzusetzen, die für 2006 vorgesehene Quotenerhöhung um 1,5 % auszusetzen.“

Quotenerhöhung 2006 - für den Fall, dass jetzt jemand stutzt: Ich habe nicht ganz korrekt zitiert. Ich habe immer nur von der Bundesministerin gesprochen. Hier steht: die Bundesministerin Renate Künast.

(Oh! bei der CDU)

Was ich den Grünen damit vorhalten will, ist: Sie gehen hier populistisch durch die Lande. Vor wenigen Tagen ist Eduard Zimmermann verstorben. Er hatte nicht nur die Sendung „Aktenzeichen XY“, er hatte auch die Sendung „Vorsicht, Falle!“, Nachklang: „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. - In dieser Art und Weise ziehen Sie hier durch das Land.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)