Ich habe in der Geschichte der Anhörungen in den Fachausschüssen dieses Landtags ein bisschen nachgeschaut. Nur sehr selten oder überhaupt nicht wurde eine Gesetzesvorlage so eindeutig eingeschätzt, wie wir es in diesem Fall erlebt haben. Diejenigen, die sich dazu geäußert haben - Kinder- und Jugendorganisationen, Ärzte- und Wohlfahrtsverbände -, waren sich alle - bis auf die Lobbyisten vom Hausärzteverband, nach denen Sie lange gesucht haben - in dem Urteil einig: Gerade das verbindliche Einladungswesen, das den Schwerpunkt und die Hauptzielrichtung des vorliegenden Gesetzentwurfes darstellt, ist eindeutig abzulehnen. Es ist zur Bekämpfung von Kindesmisshandlungen schlicht ungeeignet. Das wurde uns auch immer wieder gesagt, und so lautet das vernichtende Ergebnis der angesprochenen Anhörung.
Der Entwurf ist nicht nur sachlich ungeeignet, sondern bringt dazu noch weitere beträchtliche Probleme mit sich. Ärzte befürchten, dass zwischen ihnen und den Eltern ein Misstrauensverhältnis aufgebaut werde. Sie wollen nämlich als medizinische Ratgeber fungieren und nicht als Instanzen, die terminsäumige Eltern unter den Generalverdacht der Kindesmisshandlung stellen.
Die Akzeptanzprobleme, die es bei manchen Eltern schon vorher gegenüber den Vorsorgeuntersuchungen gegeben hat, werden deutlich zunehmen. Das ist wirklich kontraproduktiv und zudem unnötig. Denn es gibt auch nach Erfahrung von Kinderärzten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Nichtteilnahme an Vorsorgeuntersuchungen einerseits und Kindesmisshandlung und -vernachlässigung andererseits. Das müssen wir an dieser Stelle einmal feststellen.
Der Kinderschutzbund weist nach wie vor ausdrücklich darauf hin, dass Misshandlungen zumeist in Überforderungssituationen passieren. Daher ist es für die Linke so bedeutend, dass in einem entsprechenden Gesetzentwurf die Prävention eine entscheidende Rolle spielt und nicht so lax abgetan wird. Das würde allerdings beinhalten, dass man Worten auch Taten folgen ließe. Die Angebote zur Betreuung und Begleitung junger Familien und Alleinerziehender müssten deutlich ausgeweitet werden. Wir sind hier bereits seit Längerem über das Stadium einer Erprobung hinaus; denn die Problemlagen sollten uns allen bekannt sein.
Ein weiterer grundsätzlicher Kritikpunkt ist der laxe Umgang mit dem Datenschutz. Er wurde heute noch gar nicht angesprochen. Ich habe schon bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfes auf die Kritik hingewiesen, die von unabhängigen Datenschützern wie Thilo Weichert aus SchleswigHolstein geäußert wurde. Er hat - neben anderen - kritisiert, dass die mit dem Gesetzentwurf verbundene faktische Abschaffung sämtlicher datenschutzrechtlicher Schranken negative Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern hätte.
Nun zu den strukturellen Fehlern: Der Entwurf widerspricht dem Konnexitäts- und Subsidiaritätsprinzip. Das Land ist hiernach zuständig für die Organisation, Kontrolle und Datenübermittlung an die Kommunen. Den Kommunen obliegt es dann trotz immer weniger Personalstellen in den Jugendbehörden, die Daten zu sichten, Kontrollen durchzuführen etc.
Zum Abschluss ein paar kurze Worte zum Gesetzentwurf der SPD: Gut ist aus unserer Sicht, dass hier die eigentlichen Ansatzpunkte eines verbesserten Kinderschutzes durch den Ausbau und die Entwicklung niedrigschwelliger Hilfsangebote in den Vordergrund gestellt werden. Zu den Familienhebammen hat Herr Schwarz einiges gesagt.
Aus Zeitgründen werde ich das jetzt nicht wiederholen. Warum aber auch hier eine Art Meldewesen installiert wird, ist uns nicht klar. Die Problematik eines solchen Instrumentes habe ich im Zusammenhang mit dem anderen Gesetzentwurf bereits deutlich erläutert. Ich verweise abschließend nochmals darauf, dass wir die Expertinnen und Experten zu diesem Thema bereits angehört haben. Deren ablehnende Haltung sollte doch auch die SPD-Fraktion zur Kenntnis nehmen.
Wir sollten uns in der Tat lieber Zeit lassen. Deswegen sind an dieser Stelle auch ein Entschließungsantrag und die Aufforderung richtig, die Vorlage zurückzuziehen. Wir sollten uns Zeit lassen und unter Einbeziehung der von den bereits erwähnten Fachleuten und Betroffenen angesprochenen Punkte einen vollkommen neuen Gesetzentwurf entwickeln. Wir haben in der bisherigen Beratung schon sehr viel Zeit liegen gelassen. Jetzt kommt es darauf nicht mehr an.
- Ich komme zum Schluss, Herr Schwarz. - Wir sollten uns einen vernünftigen Zeitrahmen vorgeben, um einen für Eltern und Kinder vernünftigen, aussagekräftigen Gesetzentwurf mit einem hohen Gebrauchswert zu entwickeln, etwas anderes als das, was Sie hier vorgelegt haben.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viel Neues haben wir von Herrn Schwarz heute nicht gehört. Er hat fast wörtlich dieselbe Rede wie bereits im Januar gehalten, und die anderen Textbausteine, die ich von ihm vernommen habe, entstammten der Ausschussberatung. Insofern gibt es in Niedersachsen zumindest von dieser Seite nichts Neues.
Es ist hier bereits debattiert worden, dass noch nicht einmal der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion neu ist, was Herr Schwarz ja auch eingeräumt hat. Er stammt vielmehr aus Rheinland-Pfalz, wurde allerdings nicht wortgleich übernommen. Durch einige Einschübe wird das Gesetz, das die SPD hier vorschlägt, noch bedeutend teurer. Ich finde es unredlich, wenn die SPD uns morgens den schlechten Zustand der Finanzen des Landes vor
wirft und nachmittags dazu auffordert, trotz dieser knappen Finanzen, die wir alle miteinander beklagen und mit denen wir politisch arbeiten müssen, mehr Geld auszugeben und erfolgreiche Modelle wieder einzustampfen.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Regierung, den wir heute verabschieden werden, enthält einen wichtigen Gesichtspunkt. Er sieht das Machbare im Mittelpunkt, nicht das Wünschenswerte. An dieses Prinzip sollten wir uns allezeit halten.
In der Ausschussberatung und insbesondere in der öffentlichen Anhörung vom März, über die hier viel Falsches gesagt wurde, hat uns eine ganze Reihe von Aussagen von Verbandsvertretern in der Sicherheit bestärkt, dass dieses Gesetz einen Beitrag dazu leisten wird, die Gesundheit von Kindern zu fördern und zu schützen. Beispielsweise hat Herr Schmidt vom Kinderschutzbund dort vorgetragen, er begrüße den Ansatz, die Kinder näher ans Gesundheitswesen zu bringen. Frau Volland von der Arbeitsgemeinschaft Familienverbände in Niedersachsen hat uns bescheinigt, das Gesetz erhöhe die Chancengerechtigkeit. Herr Hillert von der LAG der Freien Wohlfahrtspflege hat vorgetragen, es werde eine Verbesserung der Gesundheitsförderung erreicht. Die Anhörung war also bei Weitem nicht so kontrovers, wie Sie das hier zum Teil dargestellt haben.
Meine Damen und Herren, es gibt drei wesentliche Unterschiede zwischen dem Gesetzentwurf der Regierung und dem der SPD, wobei Herr Schwarz uns ja damit droht, dass er uns so lange damit verfolgen wird, bis er beschlossen wird. Er wird uns also noch eine ganze Weile damit verfolgen müssen.
Der Regierungsentwurf ist kurz und folgt damit einer guten Gesetzespraxis: Kurze Gesetze verursachen wenig Bürokratie. Er ist preiswert; denn er verursacht Kosten von ungefähr 2 Millionen Euro, während der Gesetzentwurf der SPD 14 bis 15 Millionen Euro kosten wird.
Verehrter Herr Kollege Schwarz, in Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie in § 8 Abs. 2, dass das Gesundheitsamt sich auf der Grundlage der ihm nach Abs. 1 Satz 2 übermittelten Daten unverzüglich mit der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter des Kindes in Verbindung setzt und in geeigneter Weise auf die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchung hinwirkt.
Ich bin sehr gespannt, wie das Gesundheitsamt dies in geeigneter Weise tun soll. Am Ende steht doch der Büttel vor der Tür und holt das Kind zur Untersuchung. Das kann im Einzelfall nicht unbedingt immer der richtige Weg sein.
Ich finde Ihre Argumentation in sich auch unplausibel. Sie beklagen hier einen wahnwitzigen Verwaltungsaufwand - das haben Sie vor einigen Minuten noch gesagt -, schaffen aber selber einen noch wahnwitzigeren. Außerdem haben Sie ja auch zweimal an diesem Mikrofon gesagt, dass die Menschen die Jugendbehörde oder das Jugendamt als eine Drohgebärde empfinden, aber gleichzeitig soll nach Ihrem Gesetzentwurf das Jugendamt die zentrale Stelle für die lokalen Netzwerke sein. Das, was wir im Vertrauen zu den Menschen niedrigschwellig ansetzen, versehen Sie - ich benutze Ihre eigenen Worte - mit einer Drohgebärde. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte allen Kindern von Beginn an gute Entwicklungschancen bieten, sie umfassend schützen und ihre Position in der Gesellschaft stärken. Bei allen Maßnahmen haben das Kindeswohl und die Beachtung der Rechte von Kindern im Vordergrund zu stehen. Sicher ist es zuvörderst das Recht, aber auch die besondere
Pflicht von Eltern, das Wohl ihrer Kinder im Auge zu haben. Es ist aber auch die Aufgabe der staatlichen Gemeinschaft, Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe frühzeitig zu unterstützen. Deshalb haben wir werdenden Eltern - bereits vor der Geburt ihrer Kinder - Angebote zur Unterstützung unterbreitet, gerade auch bei der Bewältigung problematischer Lebenslagen.
Wir geben 110 000 Euro dazu, und wir haben die Ausbildung der Familienhebammen gefördert. Wir haben dafür gesorgt, dass der Einsatz der Familienhebammen über die Stiftung koordiniert wird. Sie, sehr geehrter Herr Schwarz, haben lediglich ein Modellprojekt gestartet.
Ende der 80er-Jahre, zu Zeiten der Regierung Dr. Albrecht, hat das Land Familienhebammen in Hannover gefördert. Sie haben diese Förderung Ende 1995 auslaufen lassen. So und nicht anders hat Ihre Förderung von Familienhebammen ausgesehen.
Es ist unglaublich wichtig, werdenden Eltern möglichst frühzeitig Unterstützung anzubieten. Alle diese Maßnahmen, die wir implementiert haben, können für sich allein Kinderschutz nicht wirksam fördern, sondern Kinderschutz kann nur dann wirksam sein, wenn wir ein Bündel von aufeinander abgestimmten Maßnahmen haben. Mit unserem heutigen Gesetzentwurf gehen wir einen weiteren Schritt, um das gesunde Aufwachsen von Kindern zu unterstützen. Wir tragen mit dem Gesetz dazu bei, dass die Früherkennungsuntersuchungen von Kindern, durch die auf der einen Seite bestimmte Krankheiten, auf der anderen Seite aber auch Entwicklungsstörungen frühzeitig erkannt werden, verbindlicher als bisher werden. Wir wollen errei