Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

Es ist unglaublich wichtig, werdenden Eltern möglichst frühzeitig Unterstützung anzubieten. Alle diese Maßnahmen, die wir implementiert haben, können für sich allein Kinderschutz nicht wirksam fördern, sondern Kinderschutz kann nur dann wirksam sein, wenn wir ein Bündel von aufeinander abgestimmten Maßnahmen haben. Mit unserem heutigen Gesetzentwurf gehen wir einen weiteren Schritt, um das gesunde Aufwachsen von Kindern zu unterstützen. Wir tragen mit dem Gesetz dazu bei, dass die Früherkennungsuntersuchungen von Kindern, durch die auf der einen Seite bestimmte Krankheiten, auf der anderen Seite aber auch Entwicklungsstörungen frühzeitig erkannt werden, verbindlicher als bisher werden. Wir wollen errei

chen, dass noch mehr Kinder als bislang zeitnah und kontinuierlich untersucht werden.

Meine Damen und Herren, je mehr Kinder untersucht werden, je mehr Kinder wir erreichen, umso eher erfahren wir, ob es einem Kind vielleicht nicht gut geht. Wir erfahren das vor allen Dingen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Alter eines Kindes, in dem es noch nicht in einem Regelsystem, also im Kindergarten oder in der Schule, ist.

Deshalb machen wir die Früherkennungsuntersuchungen verbindlicher und haben die einzelnen Verfahrensschritte wie folgt festgelegt: Die Eltern werden mit Kindern zu Früherkennungsuntersuchungen eingeladen. Die Rückmeldung der Ärzte über eine Teilnahme erfolgt. Die Eltern werden bei Nichtteilnahme erinnert. Bei Nichtinanspruchnahme erfolgt die Mitteilung an das Jugendamt. - Sicherlich kann man sich darüber unterhalten, welcher Weg der richtige ist, ob man erst an das Gesundheitsamt herantritt und danach an das Jugendamt, oder ob man gleich an das originär zuständige Jugendamt herantritt. - Wir haben uns dafür entschieden, dass der Hinweis gleich an das originär zuständige Jugendamt gegeben wird, weil ich das für richtiger halte; denn unsere Jugendämter sind die Wächter unseres Staates für das Kindeswohl. Sie haben die besondere Herausforderung und Verantwortung, bei erkennbaren Zeichen von Kindesvernachlässigung die notwendigen Schritte einzuleiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen auf die Sachkunde und die Autonomie der Kommunen und ihrer Jugendämter. Wir dürfen unsere Eltern nicht unter einen Generalverdacht stellen; denn die meisten Eltern sind fürsorglich und gewissenhaft. Es kann ganz unterschiedliche Gründe haben, aus denen eine Früherkennung unterblieben ist. Hier muss sehr sorgfältig geschaut werden. Es kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass Eltern ihrer Fürsorgepflicht nicht in ausreichendem Maße nachkommen. Ich persönlich halte dieses Gesetz als eine weitere ergänzende Maßnahme des Landes zum einen zur Förderung der Kindergesundheit und zum anderen zur Verbesserung des Kinderschutzes für dringend erforderlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die SPD-Fraktion hat nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Schwarz, Sie bekommen zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich habe das Gefühl, Sie sind der Realität zwischenzeitlich ziemlich weit entrückt.

(Widerspruch bei der CDU)

Das Familienhebammenmodell des Landes Niedersachsen ist in der Amtszeit von Frau Dr. Trauernicht eingeführt worden und von Ihnen nach Ablauf des Modellversuchs fortgeführt worden, aber mit dem großen Unterschied, dass Sie die Kommunen sowohl bei den Familienhebammen als auch bei den Erziehungslotsen völlig allein lassen. Wo es sie gibt, hängt von der Kassenlage der Kommune ab.

(Beifall bei der SPD - Detlef Tanke [SPD]: Unglaublich!)

Zweitens. Ich sage Ihnen einmal, wie Sie in den letzten Jahren Kinderschutz hier umgesetzt haben. Im Juli 2007 hat Frau Mundlos hier erklärt, das Land richte ein Kindernotruftelefon ein. 2009 haben Sie das Geld aus dem Haushalt gestrichen. Das Telefon wurde nie eingerichtet. Es war ausschließlich zur Propaganda im Landtagswahlkampf geeignet.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Niedersachsen ist zwar bundesweit das erste Land gewesen, dass das Spielplatzgesetz abgeschafft hat, aber das letzte, das ein Vorsorgegesetz verabschiedet, und das dazu auch noch hoch dilettantisch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Nach dem aktuellen Possenspiel dieser Landesregierung zum Thema „Schulobst“ brauchen wir zusammen über Kinderschutz überhaupt nicht mehr zu reden, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Herr Ministerpräsident hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

(Zurufe von der SPD: Donnerwetter!)

- Ich glaube, das können wir uns schenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin während meiner Zeit als Oppositionsführer

Schirmherr der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ geworden, die das landesweite Hebammenprojekt in Niedersachsen bundesweit einzigartig und vorbildhaft vorangetrieben hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der eigentliche Initiator war Professor Windorfer, der das bis heute betreibt und das mit einem wirklich national, vielleicht bald schon international anerkannten Standard. Das Land hat sich mit Unterstützung aller Parteien und Fraktionen in den letzten Jahren auf diesem Feld eine besondere Poleposition, wie es Herr Wenzel heute schon genannt hat, erarbeitet, weil manche Probleme nicht mit Geld, sondern nur durch menschliche Zuwendung, Beratung und Begleitung zu lösen sind. Sie können als Staat immer Geld geben. Aber die Hand reichen, jemandem etwas zeigen, jemandem auf die Schulter klopfen und ihm Anerkennung geben, das können Sie mit Geld allein niemals erreichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie können sehr aufmerksam verfolgen, dass bei den Tafeln in Niedersachsen und Bremen, deren Schirmherr in Niedersachsen ich heute bin, gerade Obst, Blumenkohl, Grünkohl, Rosenkohl weitgehend liegen bleiben, weil die Eltern nach Fertigprodukten und mikrowellengeeigneten Produkten fragen und gar nicht mehr über die Fähigkeit verfügen, so etwas in der angemessenen Art und Weise und im Übrigen viel preiswerter als Fastfood zuzubereiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben den historisch niedrigsten Milchpreis, und wir haben die historisch niedrigsten Preise für Äpfel. Sie bekommen Äpfel und Milch in allen Mengen beim Discounter zu einem Preis, wie es in diesem Lande oder sonst wo auf der Welt vorher nirgends möglich war. Das Problem ist also nicht die Verfügbarkeit, sondern es geht um besondere Formen von Lebenstauglichkeit und besondere Auswirkungen von Armut und bei ganzheitlicher Betrachtung im Grunde genommen um mangelnde Lebensfähigkeit. Die Stiftung „Eine Chance für Kinder“ kümmert sich mit Unterstützung der Sozialministerin Ross-Luttmann darum, dass vor allem Mütter, die persönlich nur begrenzt geeignet sind, alles das zu tun, was die Kinder benötigen, dazu in die Lage versetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich empfehle Ihnen sehr den gerade erstellten Werbefilm dieser Stiftung mit den Einzelfällen, die dort beschrieben werden. Wenn sie ihn angeschaut haben, werden Sie hier sachlicher, differenzierter und ohne Schaum vor den Mund, Herr Schwarz, über dieses Thema reden.

Wir befähigen dort Menschen bereits während der Schwangerschaft und in den ersten Wochen und Monaten des Kindes, mit diesen Kindern so umzugehen, dass die Kinder nicht von vornherein wegen ihrer Herkunft schlechtere Bildungs- und Lebenschancen als andere Kinder haben.

Begleiten Sie dieses Projekt, und hören Sie auf, aus jeder Sache immer Ihre parteipolitischen Süppchen zu kochen! Ich bin dankbar, dass Frau Ross-Luttmann dieses Projekt so energisch vorantreibt, und freue mich darüber, dass wir hier Vorreiter bleiben.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Schwarz [SPD] meldet sich zu Wort.)

Herr Schwarz, ich gehe davon aus, dass dies eine Wortmeldung ebenfalls nach § 71 Abs. 3 ist. Ist das korrekt?

(Uwe Schwarz [SPD]: Ja!)

- Sie haben noch 1:30 Minuten.

So viel Zeit brauche ich nicht. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich bin Mitglied des Kuratoriums dieser Stiftung. Deshalb weiß ich, wie diese Stiftung jedes Jahr darum betteln muss, dass sie wenigstens den Landesanteil fristgerecht überwiesen bekommt, damit die Koordinierungsstelle ihre Arbeit nicht einstellen muss.

(Zurufe von der SPD: Aha! Empö- rend!)

Wissen Sie, das genau ist der Fall, den ich bei Ihnen so schätze: Hier halten Sie Sonntagsreden, und wenn es darauf ankommt, lassen auch Sie diese Stiftungen im Regen stehen, meine Damen und Herren!

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Schwarz, es wird nicht besser, wenn Sie Ihre Vorstellungswelt um die Dimension, um die es hier geht, nicht erweitern.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das rate ich Ih- nen! Nur zu!)

Die Fakten sind so, dass das Modellprojekt zu Ihren Zeiten an der einen oder anderen Stelle und inzwischen landesweit ausgedehnt wird, und zwar mit Unterstützung des Sozialministeriums, allerdings auch mit einem immer höheren Beitrag durch private Stifter und Förderer - Sie werden das bei der nächsten Kuratoriumssitzung hören - und natürlich mit Hinweisen des Landesrechnungshofes. Ich sage Ihnen auch: Bei Stiftungen, bei denen ich selbst Schirmherr war oder jetzt meine Frau Schirmherrin ist, bin ich nach den mit Ihnen gemachten Erfahrungen allerdings besonders vorsichtig, dass wir jeden einzelnen Hinweis des Landesrechnungshofes 1 : 1 umsetzen.

(Detlef Tanke [SPD]: Also kein Wider- spruch zu den Aussagen von Herrn Schwarz?)

- Aber selbstverständlich!

(Detlef Tanke [SPD]: Dann sagen Sie es doch mal!)

Die Förderung zu Ihren Zeiten war gegenüber der Förderung, die diese Stiftung heute durch diese Landesregierung erfährt, überhaupt nicht erwähnenswert.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben jetzt das Problem, dass wir die Hinweise des Rechnungshofs 1 : 1 zu beachten und umzusetzen haben, weil ich nicht bereit bin, dass wir uns von Ihnen irgendwann den Vorwurf gefallen lassen müssen, wir hätten Geld ausgezahlt, ohne den Hinweisen des Rechnungshofs im Detail nachgegangen zu sein. Das heißt, diese Probleme müssen jetzt geklärt werden. Der Sozialausschuss und der Rechnungsprüfungsausschuss sind dabei. Anschließend wird diese Stiftung weiterhin vorbildhaft für andere Bundesländer, die sich daran jetzt alle orientieren, ihre Arbeit machen. Es wäre gut, wenn Schirmherr und Kuratoriumsmitglieder als politisch Verantwortliche einer solchen Stiftung an

einem Strang zögen und gemeinsame Interessen verfechten würden und nicht versuchen, ihr eigenes Süppchen zu kochen.