Lassen Sie uns die Kinderrechte in die Landesverfassung aufnehmen! Wir setzen damit ein deutliches Signal zum Schutz und Wohl unserer Kinder. Die Aufnahme der Kinderrechte als Staatsziel in unserer Verfassung bietet den richtigen Ausgleich zwischen verfassungsrechtlicher Diskussion und Unterstützung landespolitischer Aktivitäten im Bereich des Kinderschutzes.
Ich bitte Sie alle zum Wohle unserer Kinder: Stimmen Sie diesem Antrag zu; denn unsere Kinder haben es verdient.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Das war ein recht allgemeiner Beitrag zum Thema Kinderrechte und Kinderschutz.
Heute geht es darum, dass Kinderrechte in Niedersachsen Verfassungsstatus erlangen sollen. So weit sind wir alle uns einig. Dies haben wir im vergangenen Plenarsitzungsabschnitt im April feststellen können, als dieses Anliegen auf Antrag der SPD-Fraktion schon einmal hier diskutiert wurde.
In der Zwischenzeit hat keine beratende Ausschusssitzung stattgefunden. Trotzdem steht das Thema heute wieder auf der Tagesordnung; denn CDU und FDP sowie die Linkspartei haben nun eigene Entwürfe eingebracht.
Ich möchte zunächst einmal rekapitulieren, was in der letzten Wahlperiode geschah. Wie Sie alle wissen, brauchen wir für eine Änderung der Verfassung eine Zweidrittelmehrheit. In der letzten Wahlperiode ist diese Zweidrittelmehrheit für Kinderrechte trotz ausgiebiger Diskussionen und trotz vielfältiger Willensbekundungen nicht zustande gekommen, weil man sich nicht auf die genauen Formulierungen einigen konnte. Jeder beharrte auf seinem Entwurf. Was haben wir daraus gelernt? - Leider nicht viel, meine Damen und Herren; denn in dieser Wahlperiode wird nicht etwa da weitergemacht, wo wir letztes Mal aufgehört haben.
Die SPD stellt ihren Antrag noch einmal wortgleich. Auch die CDU und die FDP stellen ihren Antrag noch einmal wortgleich. Wahrscheinlich folgt nun eine Expertenanhörung mit denselben Experten, die zu denselben Anträgen genau dieselben Anmerkungen machen werden.
Neu ist nun, dass heute auch DIE LINKE einen eigenen Vorschlag ins Plenum einbringt, ganz selbstlos als Kompromissvorschlag tituliert. Das Problem ist nur, Frau Reichwaldt, dass man einen Kompromissvorschlag gemeinsam erarbeitet und nicht gleich das eigene Logo draufsetzt.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, es geht hier leider ein bisschen sehr um Selbstdarstellung und nicht wirklich um die Sache. Aber vielleicht denken Sie ja auch, dass das Babyschritttempo dem Thema Kinderrechte irgendwie angemessen erscheint. Mir ist es schleierhaft, wie man solch ein Verhalten an den Tag legen kann. Als Neue im Landtag fällt es mir schwer, solche auf Abgrenzungsrituale fixierte Parteipolitik zu akzeptieren.
Ich setze meine ganze Hoffnung auf die Ausschussberatung. Wir werden uns mit unserem grünen Arbeitspapier mit den aus unserer Sicht wichtigen Forderungen in die Diskussion einbringen. Wir haben Forderungen, die über die reine Staatszielformulierung hinausgehen; denn wir haben die Anregungen der Expertenanhörung aufgenommen. Aber wir Grünen sind auch bereit, die Gemeinsamkeiten zu betonen, statt die Unterschiede in den Vordergrund zu stellen.
Denn nur so kann es das werden, was wir schon in der letzten Plenarsitzung angemahnt haben: ein gemeinsames Bekenntnis, dass uns das Schicksal von Kindern berührt, dass wir das in unserer Macht Stehende tun wollen, um Kinderrechte wie das Recht auf Leben ohne Misshandlung und Vernachlässigung zu sichern.
Nach Frau Staudte spricht jetzt Herr Stefan Klein von der SPD-Fraktion. Herr Klein, Sie erhalten das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Belange in allen Lebensbereichen zu berücksichtigen, ihre Interessen zu vertreten, sie an Prozessen zu beteiligen und selbstverständlich auch, sie im höchsten Maße zu schützen, muss unsere gemeinsame Aufgabe sein.
In einer Gesellschaft, in der die Zahl der Geburten weiter zurückgeht und der Anteil der jungen Menschen an der Bevölkerung insgesamt sinkt, hingegen die Anzahl der Minderjährigen, die in Armut leben, stetig zunimmt, wird es immer wichtiger, die Rechte von Kindern und Jugendlichen festzuschreiben. Überfällig ist das schon lange; denn bereits am 20. November 1989 wurde die UNKinderrechtskonvention verabschiedet, und 1992 wurde sie von der Bundesrepublik ratifiziert. Im Jahr 2000 haben Kinderrechte über Artikel 24 Eingang in die Grundrechte der Europäischen Union gefunden. Mittlerweile hat ein Großteil der deutschen Bundesländer Kinderrechte in der Verfassung verankert. Das ist gut so und aus guten Gründen geschehen. Niedersachsen hinkt hier wie in vielen anderen Politikfeldern deutlich hinterher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben bereits im Januar des vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, um Kinderrechte explizit in die Verfassung aufzunehmen. Natürlich sind Kinder bereits Träger von Grundrechten. Das steht im Grundgesetz und ist durch Artikel 3 Abs. 2 in die Niedersächsische Verfassung übertragen worden. Zudem sind Kinder durch die starke verfassungsrechtliche Stellung der Familie berücksichtigt. „Berücksichtigt“ reicht aber nicht, weil es vor allem die Eltern sind, die hierbei geschützt werden. Obwohl der allergrößte Teil der Eltern sich verantwortungsvoll um seine Kinder
kümmert, treten immer wieder Verwahrlosungen, Vernachlässigungen und Misshandlungen von Kindern in unserem Land auf. Wöchentlich sterben in Deutschland nach Angaben von UNICEF zwei bis drei Kinder an diesen Folgen.
Das ist der entscheidende Punkt: Das Elternrecht muss dort seine Grenzen finden, wo das Kindesrecht verletzt wird.
Hier gilt: Kindeswohl geht vor Elternwille. Kinder brauchen eigene, individuelle Rechte, die in der Verfassung zu verankern sind. Der Vorrang des Kindeswohls wird dazu führen, dass noch stärker als bisher die Rahmenbedingungen für Kinder bei allem staatlichen Handeln im Fokus stehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der CDU und der FDP, in Ihrem Gesetzentwurf sprechen auch Sie sich für die Festschreibung von Kinderrechten in der Verfassung aus. Ich habe mir einmal den am Ende der letzten Legislaturperiode von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf angesehen. Etwas großartig Neues steht nicht in Ihrem jetzigen Entwurf. Das überrascht uns umso mehr, als Professor Zielke im letzten Plenum gesagt hat, unser Entwurf sei eine Art Recycling der letzten Periode. Ich weiß nicht, wie Sie dann Ihren Entwurf bezeichnen - auch er ist wortgetreu übernommen worden.
(Beifall bei der SPD - Professor Dr. Dr. Zielke [FDP]: Recycling ist doch nichts Schlechtes! - Jörg Bode [FDP]: Bei dem Altpapierpunkt waren Sie sehr für Recycling!)
Ich darf Sie daran erinnern - Frau Staudte sagte das bereits -, dass es zu den Kinderrechten eine Anhörung im Sozialausschuss gegeben hat. Dort lagen beide Gesetzentwürfe vor. Wenn ich jetzt Ihren Gesetzestext sehe, liegt es nahe, zu glauben, dass Sie entweder nicht dabei gewesen sind, dass Ihnen die Meinung der Fachverbände egal ist oder dass Sie einfach nicht dazugelernt haben. Manche würden bösartig von Beratungsresistenz sprechen oder vom fehlenden Willen, die Rechte wirklich in angemessener Form festzuschreiben. Ich lese Ihnen einmal ein Zitat vor:
„Die Rechte der Kinder sollen nicht nur als ‚Staatsziel’ formuliert werden, wie es der Gesetzentwurf der CDU- und FDP-Fraktionen vorsieht. Erfahrungsgemäß haben allgemein formulierte Staatsziele eher keine oder nur eine sehr indirekte und verspätete Auswirkung auf das staatliche Handeln.“
So die Landesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen Niedersachsen. In genau die gleiche Richtung argumentieren das Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund und weitere Verbände. Immerhin hielten 13 von 14 Verbänden unseren Gesetzentwurf für den besseren, weil er der einzig zielführende ist.
Ich weiß schon, dass es Ihnen schwer fällt, das zu akzeptieren. Trotzdem muss ich Sie fragen, ob Sie diesen Text wirklich ernst meinen. - Aber was frage ich Sie? Das wissen wir doch eigentlich ganz genau. Sie haben bereits im Januar letzten Jahres ablehnend auf unsere Initiative reagiert. Aber der Wahlkampf schien da die Wende gebracht zu haben, zumindest oberflächlich. Ich muss anmerken, dass Frau Mundlos im Plenum im Dezember durchaus auch gute und richtige Dinge gesagt hat. Aber es fehlt in dem Text, den Sie uns vorgelegt haben.
Nachhaltig ist Ihr Gesetzentwurf mit Sicherheit nicht. Er bleibt hinter fast allen Landesverfassungen zurück und entspricht auch nicht der UNKinderrechtskonvention, hat lediglich deklaratorischen Charakter und räumt den Kindern und Jugendlichen keine einklagbare verfassungsrechtliche Stellung ein, von der kinderpolitischen Sicht einmal ganz zu schweigen. Wenn wir die Verfassung ändern - da hat Frau Pieper etwas Richtiges gesagt: Die Verfassung ist kein Gesetz, das man beliebig verändern kann; da stimme ich ihr absolut zu -, dann auch richtig, im Sinne der Kinder und Jugendlichen.
Meine Damen und Herren, wir meinen es ernst mit dem Kinderschutz. Von daher werden wir Ihren Versuch, mit einem Staatsziel die Kuh vom Eis zu bekommen, selbstverständlich ablehnen. Bewegen Sie sich zugunsten unserer Kinder auf uns zu, und wir werden gemeinsam zu einem Beschluss kommen, der den Kindern und Jugendlichen tatsächlich eigene, einklagbare Rechte zugesteht. Dieser
Noch eine Anmerkung zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Sie haben einen Teil Ihres Entwurfs unserem Text entnommen. Dagegen haben wir nichts. Aber Sie haben ganz entscheidende Passagen, beispielsweise die altersgerechten Lebensbedingungen, ausgelassen. Daher greift der von Ihnen selbst so bezeichnete Kompromissvorschlag leider zu kurz und wird nicht unsere Zustimmung finden.