Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Heister-Neumann, insgesamt fehlt mir der Blick in eine Bildungslandschaft der Zukunft. Wie soll Niedersachsen im Bildungssystem in der Zukunft aussehen? - Sie verharren in der Wahrung alter Besitzstände und vergeben eine Chance, indem Sie nicht einmal die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen diskutieren, weil Sie ideologisch verbrämt nur am gegliederten System festhalten.
Fakt ist: Sie verhindern neue Gesamtschulen. Dieses Gesetz heißt schon heute „Gesamtschulverhinderungsgesetz“.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Heiligenstadt, Sie haben gerade in Ihrer Rede dargestellt, dass es diverse wissenschaftliche Untersuchungen geben soll, die aussagen, dass das gegliederte Schulsystem nicht begabungsgerecht sei. Weil Sie vorhin meine Frage nicht zulassen wollten, möchte ich Sie jetzt herzlich darum bitten, einmal zu sagen, welche wissenschaftliche Studie es dazu gibt. Ich meine jetzt nicht irgendeine Aussage von irgendeinem Bildungsforscher in irgendeiner Zeitung. Sie haben von einer wissenschaftlichen Studie gesprochen.
- Sogar durch PISA, lieber Herr Kollege Poppe, lässt sich nicht belegen, dass das gegliederte Schulwesen nicht begabungsgerecht sei. Alle diejenigen, die über PISA reden und so etwas behaupten, haben PISA nie gelesen. Von daher möchte ich Sie jetzt herzlich bitten, mir an diesem Mikrofon einige dieser Studien zu benennen.
(Ursula Körtner [CDU]: Weil es gar keine gibt! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das kann ich mir vorstellen! - David McAllister [CDU]: Frau Heiligenstadt ist sprachlos! Wieder gewonnen! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Am Boden liegen und röcheln und von Sieg reden!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ich habe mich schon heute Morgen in der Aktuellen Stunde über Ihre desolate Vorstellung gewundert.
Aber was bieten Sie jetzt hier? - Nicht nur, dass Sie hier fachlich ganz falsch argumentieren und, Frau Heiligenstadt, in der Diskussion sogar Fachbegriffe falsch nennen. Sie müssen das Gesetz, über das wir hier beraten, vorher auch einmal lesen. Wenn Sie das tun, kommt bei Ihren Wortmeldungen am Ende sicherlich auch etwas Sinnvolleres heraus.
Es ist schon ein gewisses Maß an Unverschämtheit, uns vorzuwerfen, dass wir ideologisch verblendet seien.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nein, das ist völlig richtig! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist unverschämt!)
Wir lockern doch das Gesamtschulerrichtungsverbot, meine sehr geehrten Damen und Herren, und Sie sind im Wahlkampf mit Ihrem Konzept der Einheitsschule, der neuen Schulen, gnadenlos gescheitert. Weil Sie ideologisch verblendet sind, halten Sie immer noch daran fest.
Aber es gibt natürlich auch noch zwei andere wichtige Punkte in diesem Gesetzentwurf. Ich meine, dass wir die Gesamtschuldiskussion heute Morgen hinreichend geführt haben.
Die FDP hat sich bereits seit Jahren dafür eingesetzt, das Einschulungsalter zu senken. Nachdem wir in der vergangenen Legislaturperiode das Brückenjahr und somit die enge Verzahnung zwischen Kindergarten und Grundschule hergestellt haben, gehen wir hiermit den nächsten moderaten Schritt zur Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten unserer Kinder in Niedersachsen. Mit der schrittweisen Verschiebung des Einschulungsstichtages auf den 30. September ab dem Schuljahr 2010/2011 werden wir dafür sorgen, dass die Kinder, wie von vielen Wissenschaftlern gefordert, früher unterrichtet werden können.
- Den Namen kann ich Ihnen gerne nachliefern. Es war mir klar, dass dieser Zwischenruf jetzt kommt. Sie werden das bekommen.
Wir legen Ihnen hier außerdem eine praktikable und erprobte Nachfolgeregelung für das Berufsgrundbildungsjahr vor. Mit den bereits erfolgreich erprobten Berufseinstiegklassen wird den Schülern der Abschlussklasse des Sekundarbereichs I ohne oder mit schwachem Hauptschulabschluss - dabei ist es egal, aus welcher Schulform die Schüler kommen - die Chance gegeben, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für eine Berufsausbildung nachzuholen, weil es uns am Herzen liegt, dass niemand auf der Strecke bleibt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Berufsfachschulen werden in Zukunft als Eingangsvoraussetzung den Hauptschulabschluss haben. Wir erhoffen uns dadurch eine freiwillige Anerkennung des Handwerks. Entsprechende Gespräche sind für die einzelnen Berufsschuljahrgänge positiv verlaufen. Von daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das hier ein guter und durchdachter Gesetzentwurf. Ich freue mich außerordentlich auf die kommenden Beratungen in den Ausschusssitzungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Kurzintervention ist kurz. Herr Försterling, es ist Ihnen sicherlich nicht entgangen: Fünf Jahre haben uns Ihre Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion erzählt, die FDP würde den Niedersachsen die Freiheit zurückgeben. Das mussten wir uns bei jeder Rede anhören. Haben Sie dabei eigentlich auch die Freiheit der Eltern gemeint, die gerne eine Gesamtschule für ihre Kinder anwählen wollen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine sachliche Anmerkung zum Begabungsbegriff. Dieser Begabungsbegriff wird heute in wissenschaftlichen Abhandlungen nur noch dynamisch behandelt als ein Begaben und Hinführen zu immer mehr Fähigkeiten und Fertigkeiten.
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das ist Unsinn! Die Wissenschaft geht von unterschiedlichen Begabungsgrund- lagen aus!)
- Oh doch! - Wenn Sie von „begabungsgerecht“ im Schulwesen sprechen, dann sprechen Sie von einer Verteilung nach vier Schuljahren bei Zehnjährigen. Das ist genau das, was heute widerlegt ist.
Ich will Ihnen über das Sachliche hinaus als jemand, der sich 30 Jahre im niedersächsischen Schuldienst um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in niedersächsischen Schulen gekümmert hat, Folgendes sagen: Ich lasse mir nicht von einem ideologisch verblendeten Schnösel in herablassender Art und Weise Noten erteilen!
(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darum bitten, dass Sie wieder ruhig werden. - Herr Poppe, Ihnen ist sicherlich klar, dass ich Ihnen für den Begriff einen Ordnungsruf erteile.
- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genau aus diesen Gründen bin ich wahrscheinlich für Sie - das erkennen Sie doch bitte an! - das schlechte Beispiel sozialdemokratischer Schulpolitik; denn ich habe das über Jahre genießen müssen.