Meine Damen und Herren, liebe Liberale, kämpfen Sie, aber machen Sie hier keine Ablenkungsmanöver. Kämpfen Sie um die Veränderung von Strukturen bei der Welthandelsorganisation und bei der Weltbank - da ist es nötig -, und ändern Sie, bitte schön, selbst Ihr Verhalten. Ich appelliere an Sie als FDP, an Sie, Herr Grascha: Reden Sie endlich Ihrem Umweltminister zu, der sich von 329 Pferden ziehen lässt. Er ist damit ein Schwergewicht, allerdings kein politisches. Aus meiner Sicht ist er damit einfach untragbar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Herzog, dieses verdammt ernsthafte Thema mit einer solchen Polemik anzugehen, ist wieder einmal völlig daneben. Aber das sind wir von Ihnen ja mittlerweile gewohnt. Dies kann ich nur bedauern.
Es gibt Hungerkrawalle in Pakistan, in Kamerun, in Indonesien und in anderen Teilen der Welt. Die Nachfrage nach Lebensmitteln wird weltweit immer größer, allein wenn wir China betrachten, dessen Anteil an der Weltbevölkerung knapp 20 % beträgt, das aber nur über 11 % der landwirtschaftlichen Nutzflächen verfügt. Die Preisexplosion der letzten zwölf Monate bei Nahrungsmitteln trifft die Ärmsten der Armen, vor allem in Afrika und Asien. Hier zu helfen, und zwar schnell zu helfen, ist die wichtigste Zukunftsaufgabe der Menschheit schlechthin.
Bei dieser Thematik der Aktuellen Stunde geht es zuallererst um den Status quo unserer heutigen Agrar- und Ernährungswirtschaft. Die Landwirtschaft steht weltweit vor einer Renaissance. War sie noch vor Kurzem eine echte Problembranche, so rückt sie jetzt als Garant zum Überleben immer massiver in den Mittelpunkt der aktuellen Diskussionen; denn nur eine nachhaltige, hoch produktive und schlagkräftige Landwirtschaft kann es schaffen, die wachsende Weltbevölkerung von den Erträgen der vorhandenen Flächen zu ernähren.
Uns allen ist klar, dass die niedersächsische, die deutsche und die europäische Landwirtschaft den Welthunger allein nicht besiegen können. Aber wir haben eine große Mitverantwortung zu übernehmen, eine Verantwortung als Agrarland Nummer eins in Deutschland, das über das Know-how moderner Land- und Forstwirtschaft verfügt, das gute, ertragsstarke Böden aufweist, das modernste Agrarforschungs- und Entwicklungsinstitute hat und das ohne Weiteres noch mehr Lebensmittel produzieren und exportieren könnte. Aus dieser Verantwortung heraus, meine Damen und Herren, haben wir Aufgaben wahrzunehmen und Chancen zu nutzen. Entscheidend ist aber zunächst, dass wir Produktionsflächen für die Zukunft erhalten.
Die Förderung des Ökolandbaus, die Ausweisung von Kompensationsflächen, die Extensivierung von Flächen und der Anbau von Biomasse - alles hat seine Berechtigung und ist in vielerlei Hinsicht notwendig und richtig. Wir sollten uns aber im Klaren darüber sein, dass wir uns in Deutschland einen Umgang mit der Fläche erlauben, der in anderen Teilen der Erde nur noch Kopfschütteln hervorruft. Wenn für eine geplante Emsvertiefung allein rund 8 000 ha Ausgleichsfläche benötigt, dann fragt man sich schon, wie wir so etwas allen Ernstes bewerkstelligen wollen. Wenn wir über das Erneuerbare-Energien-Gesetz den Einsatz nachwachsender Rohstoffe fördern, dann ist das not
wendig, um diese Technologien im Vergleich zu konventionellen Energieträgern marktfähig zu machen. Gerade weil hier aber Flächen für die Produktion von Nahrungsmitteln verloren gehen, sollten wir zum obersten Gebot machen, dass die Nahrungsmittelproduktion letztlich vor der Energieproduktion stehen muss.
Wenn wir für die hiesige Produktion von Biokraftstoffen Palmöl importieren, dann ist es in den Entwicklungsländern schmerzlich und schlimm, dass dort ganze Wälder gerodet werden. Das ist sicherlich in jeder Hinsicht ein viel zu teuer bezahltes Produkt.
Damit ist auch klar, dass die Flächenstilllegung abgeschafft werden muss und dass wir zu einer deutlichen Senkung des täglichen Flächenverbrauchs, der immerhin 100 ha beträgt, kommen müssen. Brachliegende Flächen müssen wieder in die Bewirtschaftung genommen werden.
Bei der Gentechnik, meine Damen und Herren, muss es zu einem Ende der ideologischen Grabenkämpfe kommen. Forschung und Anwendung der grünen Gentechnik, und zwar unter sorgfältiger Abwägung aller Risikofaktoren, müssen in Deutschland selbstverständlich werden und deshalb gefördert werden können. Damit ergeben sich Chancen für den Standort Deutschland, vor allem aber auch für Niedersachsen mit seinen weltweit anerkannten Unternehmen und Institutionen, die es in den Bereichen Biotechnik und Bioforschung glücklicherweise bei uns gibt.
Wir haben die Forschung in diesem Bereich viel zu lange anderen Ländern überlassen, auf deren Forschungsergebnisse wir keinen Zugriff haben. Ob wir Deutsche es wollen oder nicht: Die grüne Gentechnik wird künftig weltweit eine immer größere Rolle spielen.
Die Agrarproduktion muss erhöht werden, ohne die Flächen weiter auszuweiten; denn dies ginge auf Kosten anderer Ökosysteme. Es geht um Ertragssteigerungen, die ohne die grüne Gentechnik schlechthin nicht zu erreichen sein werden. Deshalb gilt, meine Damen und Herren: Forschungsfreiheit statt Feldbesetzung, die, liebe Kollegen von den Grünen, schlichtweg gesetzeswidrig ist.
Abschließend darf ich Herrn Lothar Willmitzer, den Direktor des Max-Planck-Institutes in Potsdam, zitieren, der erklärt hat:
„Unter optimaler Ausnutzung aller Ressourcen können wir sicher doppelt so viele Menschen ernähren, wie heute leben. Aber nur, wenn die genetischen Ressourcen in der Züchtung entsprechend genutzt und Probleme wie die Versorgung mit Wasser und Düngemitteln optimal gelöst werden.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Überschrift zu dem Thema dieser Aktuellen Stunde werden mit den Begriffen „Welthunger“, „Lebensmittelpreise“, „Forschungsfreiheit“ und „Feldbesetzung“ vier Themenbereiche angesprochen, die so komplex sind, dass man es beim besten Willen nicht schaffen kann, sie in fünf Minuten aktuell und intensiv abzuhandeln.
Dem Kollegen Langspecht ist das eben passiert: Er hat eine Tour d’Horizon gemacht, aber zum eigentlichen Thema hat er nicht wirklich viel gesagt.
Es ist richtig - der Kollege Grascha hat dies vorhin in den Mittelpunkt gestellt -, dass wir hier über das Hungerproblem in der Welt diskutieren und dass wir über steigende Lebensmittelpreisen bei uns in Deutschland und in anderen Teilen der Welt reden und diese Probleme erfahren. Darüber muss man sich ernsthaft Gedanken machen. Insofern ist der Ansatz ja nicht falsch.
Ich habe mich allerdings gefragt: Warum bringen Sie alle diese Begriffe bei dieser Aktuellen Stunde in einen Zusammenhang?
nämlich suggerieren, dass die grüne Gentechnik die Lösung für das Welthungerproblem ist - und genau das ist in dieser vereinfachten Form falsch.
Das ist einfach Unfug. Sie würfeln etwas zusammen und hoffen auf ein paar positive Schlagzeilen. Irgendetwas wird schon hängen bleiben.
Das ist der neue Ansatz der Gentechnikbefürworter, wie man mit dem Thema herumkommen will. 80 % der Leute lehnen das ab.
(Heinz Rolfes [CDU]: Was sagen Sie denn zur Sache? Sie brauchen doch nicht darüber zu referieren, was ande- re sagen!)
Wollen Sie behaupten, dass man mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln das Hungerproblem lösen könnte? - Minister Ehlen hat eben schon gesagt, das Allheilmittel könne das wohl nicht sein. Die Menschen in den Ländern, die davon am massivsten betroffen sind, können sich gentechnisch veränderte Saatgüter gar nicht leisten.
(Heinz Rolfes [CDU]: Jetzt sagen Sie doch einmal, was Sie meinen! Sie brauchen doch nicht zu sagen, was andere meinen!)
In dem genannten Beispiel, dem Freilandversuch der KWS - Sie kennen sich da ja bestens aus; Sie haben dort gelernt, wie ich in Ihrer Vita gelesen habe -, geht es um eine - - -
Wenn dort jemand gelernt hat, dann ist das in Ordnung. Aber hier ging es ganz konkret um die gentechnisch veränderte Zuckerrübe. Mir kann niemand erzählen, dass irgendjemand in Deutschland eine gentechnisch veränderte Zuckerrübe braucht. Denn wir haben zu viel Zucker. Die Zuckermarkt
ordnung ist im letzten Jahr geändert worden, damit man endlich damit aufhört, Überschüsse bei Zucker, staatlich subventioniert, zu produzieren. Das ist ein ganz anderes Problem als das, was Sie uns hier schildern.
Die steigenden Lebensmittelpreise in der Welt haben eine Menge Ursachen. Dabei geht es um Spekulation; da kennen Sie sich ja aus. Ich habe einmal auf Ihrer Homepage nachgeguckt. Sie sind ja Finanzberater. Sie empfehlen Kunden z. B. Investitionen in Rohstoffe. In diesem Fall sind Lebensmittel Rohstoffe. Natürlich ist die Spekulation mit Rohstoffen ein wesentlicher Teil des Problems, gerade in den Ländern Asiens, die heute mit Reis nicht mehr hinkommen.
So einfach, wie Sie das hier suggerieren wollen, ist es eben nicht. Sie reden nicht davon, dass, wie es in der Landwirtschaft normal ist, Ernten ausfallen können, wofür es ja Beispiele gibt. Sie sprechen nicht von den geänderten Ernährungsgewohnheiten, nämlich dass man für immer mehr Fleisch immer mehr Futtermittel braucht. Auch das ist ein wesentlicher Faktor für die Probleme, die wir haben.