Wir als Parlament haben aber nicht die Aufgabe, schlechte Regierungspolitik zu schützen, sondern wir müssen gute Gesetze für die Bürgerinnen und Bürger machen. Die hätten endlich auch in Niedersachsen ein Informationsfreiheitsgesetz verdient. Der freie Zugang des Bürgers zu Informationen über öffentliche Angelegenheiten - über seine öffentlichen Angelegenheiten - gehört einfach zu einer modernen, offenen und demokratischen Gesellschaft.
Der Gesetzentwurf der Grünen hat eigentlich nur das Ziel, Niedersachsen dahin zu bringen - Herr Limburg hat es angeführt -, wo elf andere Bundesländer schon längst sind. Herr Limburg hat sie aufgezählt: Mecklenburg-Vorpommern, NRW, Schleswig-Holstein. - Ich muss jetzt nicht noch einmal alle vortragen. Dort sind bereits Gesetze gültig, die einen freien Zugang garantieren. Angesichts dessen drängt sich wieder einmal die Frage auf: Warum muss Niedersachsen unter Ihrer Führung immer im Tabellenkeller sein? - Sie sollten etwas mehr Ehrgeiz haben, auch dann, wenn es um Demokratie und Bürgerrechte in unserem Land geht.
Auch im Bund und selbst in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist der Anspruch auf freien Informationszugang mittlerweile Standard. Die Forderungen, die hier erhoben werden, sind insofern wirklich nicht exotisch. Wie wollen wir den Menschen hier in Niedersachsen eigentlich vermitteln, dass für sie der Aktendeckel zu ist, während
die Menschen anderswo längst diese Zugangsrechte haben? Das kann man nicht vermitteln. Deshalb müssen auch Sie in Niedersachsen sich endlich bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, im Rahmen der Diskussion über den letzten Tagesordnungspunkt ist immer auch von der Verhandlungsverwaltung die Rede gewesen, von der neuen Verwaltung, die dem Bürger auf Augenhöhe begegnet, die nicht einfach verfügt, sondern den Dialog mit dem Bürger sucht. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Wie passt das zu dem Beton, den Sie hier anrühren, und warum mauern Sie gerade dann, wenn es darum geht, Einblick in staatliches Handeln zu gewähren? - Wir von der SPD finden: Das passt nicht zusammen und entlarvt Ihre Reden als das, was sie sind, nämlich als hohle Phrasen, die über zweierlei nur notdürftig hinwegtäuschen können. Erstens - das ist, glaube ich, nichts Neues - hängt die CDU - allen voran der Innenminister - insgeheim immer noch dem Obrigkeitsstaat nach,
und zweitens - es ist gut, Herr Oetjen, dass Sie sich melden - hat die FDP wieder einmal nicht den Mumm, sich im Landtag als Bürgerrechtspartei durchzusetzen.
Ich hatte förmlich Mitleid mit Ihnen, wie Sie sich hier gewunden haben. Ich kaufe Ihnen persönlich ab, dass das nicht Ihre Überzeugung ist. Sie haben es zum Ausdruck gebracht. Man kann doch nicht immer sagen, dass man in einer Koalition bei so wichtigen Themen zweiter Sieger bleibt. Ich glaube, auf Dauer halten Sie das nicht durch, wenn Sie Bürgerrechtspartei bleiben wollen.
Meine Damen und Herren, in der Beratung kam immer wieder der Einwand, ein Informationsfreiheitsgesetz verursache einen immensen Verwaltungsaufwand in den Kommunen und in den Behörden, es sei geradezu ein Bürokratiemonster. Auch die Sorgen der kommunalen Spitzenverbände gingen in diese Richtung, konnten es aber mit keinem einzigen Beispiel belegen. Im Gegenteil: Wir haben erfahren, dass sich diese Befürchtungen in anderen Bundesländern überhaupt nicht bestätigt haben. Nirgendwo ist eine Verwaltung
zusammengebrochen, weil Bürger Akteneinsicht beantragt haben. Deshalb fällt dieses Argument weg. Dieses Argument zieht nicht. Es ist aus unserer Sicht ein Rohrkrepierer.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Heute wird eine Chance für mehr Transparenz und Offenheit in Niedersachsens Amtsstuben verpasst. Unser Land bleibt auch in Sachen Informationsfreiheit weiter im Tabellenkeller. Das bedauern wir als SPD-Fraktion. Wenn wir einmal wieder über Politikverdrossenheit, über mangelnde Akzeptanz von Verwaltungshandeln reden, dann sollten wir auch an Debatten wie die heutige zurückdenken. Hier wurde eine Chance vertan, den Bürger endlich als gleichberechtigten Partner und nicht immer nur als Gegner im politischen Prozess zu sehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von den Vorrednern von der Linken, den Grünen und der SPD wurde wieder einmal der Eindruck erweckt, als ob sämtliche Bürger dieses Landes von sämtlichen Informationen in Niedersachsen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene abgeschnitten seien. Wir alle wissen sicherlich, dass das nicht so ist, sondern dass diejenigen, die eine Betroffenheit haben und sie nachweisen, einen reichen Zugang zu Informationen haben. Wir wissen, dass das im Verwaltungsverfahrensgesetz unseres Landes, im Datenschutzgesetz, im Pressegesetz, im Umweltinformationsgesetz und in vielen anderen Spezialgesetzen vorgesehen ist. Es gibt also zahlreiche gesetzliche Möglichkeiten, sich Informationen zu beschaffen.
Insofern sehen wir überhaupt keine Notwendigkeit, eine zusätzliche gesetzliche Möglichkeit zu schaffen. Das enthält in Ansätzen im Übrigen auch schon die Begründung zum Gesetzentwurf der Grünen - ich zitiere daraus -: „Da die Verwaltung aber auch bislang grundsätzlich zur Auskunftserteilung an Bürgerinnen und Bürger verpflichtet ist …“ Wenn ich das in der Begründung zum Gesetzentwurf lese, dann frage ich mich, wozu ich einen noch darüber hinausgehenden Informationsan
spruch brauche, den ich gesetzlich regeln muss, wenn ich schon nach so vielen Spezialgesetzen die Möglichkeit habe, an die Informationen zu kommen.
Die Anhörung hat auch Folgendes ergeben: Alle Anzuhörenden haben gesagt, es sei begrüßenswert, ein solches Gesetz einzuführen. „Begrüßenswert“ heißt ja noch nicht, dass es notwendig ist.
- Begrüßenswert ist vieles, Frau Flauger, unheimlich vieles! Die Frage ist: Hat jemand nachgewiesen, dass es notwendig ist, ein solches Gesetz einzuführen? Wenn ich weiß, dass es viele Informationsmöglichkeiten gibt, dann sehe ich eben keine Notwendigkeit für ein zusätzliches Gesetz.
Die Bedenken der kommunalen Spitzenverbände wurden kurz gestreift, aber ansonsten völlig ausgeblendet. Das heißt, die sonst für Ihre Argumentationen herangezogenen Anwälte, die kommunalen Spitzenverbände, ignorieren Sie an dieser Stelle; denn von ihnen wurden durchaus Bedenken aufgelistet.
Sie haben gesagt, das Gesetz hätte keinerlei bürokratische Auswirkung. Nach den Regelungen des Gesetzentwurfs muss aber eine auskunftspflichtige Behörde eine Auskunftsperson benennen, sie muss Verzeichnisse veröffentlichen und ein Informationsnetz einrichten, das öffentlich zugänglich ist. Am Ende muss dann auch noch eine neue Statistik geführt werden. Das sind doch bürokratische Aufwendungen, die jede Behörde an dieser Stelle haben wird. Insofern ist es doch abwegig, zu behaupten, dies bedeute keinen bürokratischen Aufwand.
Ein Punkt, den der Kollege Oetjen von der FDP schon angesprochen hat, betrifft den Schutz personenbezogener Daten. Sie haben zwar gesagt, welche anderen Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze haben. Aber dann müssen Sie auch dazusagen, dass gerade an diesem sensiblen Punkt andere Länder andere Regelungen haben. In diesem Gesetzentwurf ist hier nichts vorgesehen, sondern jeder hat ohne Begründung einen Anspruch. Andere Länder setzen bei personenbezogenen Daten zumindest voraus, dass es ein rechtliches Interesse gibt oder dass das Begehren zumindest begründet werden muss, wenn die Aus
kunft personenbezogene Daten betrifft. Das ist in diesem Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Insofern meine ich, dass es auch aus Gründen des Schutzes personenbezogener Daten an dieser Stelle erhebliche Bedenken gibt.
Wir halten das bisherige System, dass jemand, der ein berechtigtes Interesse hat oder betroffen ist, Einsicht in eine Akte nehmen kann, für völlig ausreichend und in Ordnung. Montesquieu folgend: Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu erlassen. - Das halten wir an dieser Stelle für unbedingt notwendig.
Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Nerlich, manche Dinge werden auch dann nicht wahrer, wenn man sie wieder und wieder wiederholt. Ihre Generalunterstellung seitens der Koalitionsfraktionen, wir würden mit diesem Gesetzentwurf den Datenschutz ankratzen, ist schlichtweg Unsinn. Das würden Sie auch in Erfahrung bringen können, wenn Sie sich den Gesetzentwurf und die Abwägungsklauseln darin in Bezug auf die Preisgabe personenbezogener Daten ganz genau durchlesen würden.
Es geht darum: Wenn personenbezogene Daten betroffen sind, wird ein Informationsanspruch nicht generell abgelehnt, sondern es muss eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen und dem Auskunftsanspruch stattfinden. Da haben Sie recht, dann ist es eine Erweiterung des Auskunftsanspruchs im Vergleich zur bisherigen Situation, in der die Behörde generell sagen kann: Wir lehnen das ab, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. - Das ist gerade der Clou dieses Informationsfreiheitsgesetzes, dass nämlich dieses berechtigte Interesse, das jetzt nachgewiesen werden muss, nicht mehr vorliegen muss.
Zu einem zweiten Aspekt, den Sie angesprochen haben, nämlich zu den Verzeichnissen bezüglich der verfügbaren Informationen: Ich habe mich schon sehr gewundert, dass Sie gerade darauf herumreiten. Denn für diesen Paragrafen gibt es nur ein einziges Vorbild: Das ist das Gesetz, das im schwarz-grün regierten Hamburg erlassen worden ist. Mit Beteiligung Ihres CDU-Innensenators ist dort genau dieser Paragraf aufgenommen worden. Ich bin davon ausgegangen, dass dies zwischen uns kein Konflikt wäre, sondern dass wir da einen schwarz-grünen Konsens hätten. Das ist sehr bedauerlich. Aber Sie können sich vielleicht mit den Erfahrungen aus Hamburg auseinandersetzen. Dann werden Sie merken, dass die Folge dieses Gesetzes keine überbordende Bürokratie ist, sondern dass die Verwaltung mit diesen Anfragen durchaus fertig wird. Herr Nerlich, Ihr Misstrauen in die Leistungsfähigkeit der Verwaltung teilen wir Grüne ausdrücklich nicht.
Der Kollege Nerlich möchte nicht antworten. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Beratung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/1474 ablehnen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.
Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 955 für erledigt erklären möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.
Erste Beratung: Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in das Grundgesetz aufnehmen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1871
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht bei unserem Antrag darum, das Grundgesetz in Artikel 3 zu ändern, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Dazu läuft im Bundesrat bereits ein Gesetzgebungsverfahren. Der Bundesrat hat am 16. Oktober dieses Jahres darüber beraten und entschieden, den Antrag, der von den Ländern Bremen, Hamburg und Berlin zu diesem Thema eingebracht worden ist - welcher mit unserem Antrag identisch ist -, in den Ausschuss zu überweisen. Dort wird es jetzt beraten. Deshalb ist jetzt eigentlich der richtige Zeitpunkt, um sich auch in Niedersachsen eine Meinung darüber zu bilden, wie sich das Land in diesen Beratungsprozess einbringt.
Einige werden nun vielleicht fragen, wozu wir das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität im Grundgesetz brauchen; denn dies steht ja schon im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.