Protokoll der Sitzung vom 24.11.2009

Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat sich Herr Minister Bode zu Wort gemeldet. Der Landesregierung stehen für die letzten beiden Punkte noch 3:40 Minuten zur Verfügung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Er sagt jetzt etwas zur zufällig gleichzeitigen Preiserhöhung!)

Das ambitioniert. Heinrich Ehlen und ich teilen uns das jetzt brüderlich. Dann wollen wir einmal gucken, wie es ausgeht.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Herr Bo- de, was verstehen Sie unter „brüder- lich teilen“?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landeskartellbehörde hat für das Jahr 2008 eine nachträgliche Wirtschaftszweiguntersuchung der Strom- und Gassektoren durchgeführt. Was ist das Ergebnis? - Wir haben es schon gehört. Das Ergebnis ist zunächst einmal, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Chancen, im Wettbewerb selber ihre Marktmacht auszuspielen und zu niedrigen Preisen zu kommen, bisher nicht nutzen. Das heißt, private Haushalte und Kleingewerbekunden haben bei den Stromkosten und den Gaskosten Einsparpotenziale, die nicht genutzt werden.

Herr Hagenah, schauen Sie es sich doch einmal an. Eine Durchschnittsfamilie mit vier Personen hat beim Strom, bezogen auf die durchschnittliche Jahresverbrauchsmenge, je nach Wohnort Mehrkosten von bis zu 162,85 Euro zu tragen. Beim Gasverbrauch sind es 483,97 Euro. Das ist für eine vierköpfige Durchschnittsfamilie eine Menge Geld. Daher muss man sich schon einmal genauer anschauen, was die Gründe für diesen Unterschied sind. Ich bin dankbar dafür, dass sich die Landeskartellbehörde dies intensiv angeschaut hat, um den Wettbewerb in dem Bereich in Gang zu bringen. Es ist nicht so, wie Herr Hagenah es darge

stellt hat, dass zulasten einer vierköpfigen Familie Strukturpolitik für regionale Energieversorger und Stadtwerke gemacht wird oder eine solche erzwungen werden sollte oder dass wir andere Kosten im Raum stehen gelassen haben, für die Betroffene vor Ort nichts können.

Die Landeskartellbehörde hat sich bei den regionalen Versorgern drei Kostenpositionen angeschaut. Das war zum einen: Wie teuer wird Strom bzw. Gas eingekauft? Das heißt: Wie geschickt agieren die regionalen Versorger für ihre Kunden am Markt? Das war zum anderen die Frage: Wie hoch sind die Vertriebskosten, die man für den Verkauf von Strom und Gas bei den Kunden aufwenden muss? Der dritte Bereich war: Welche Gewinnmarge wird eigentlich draufgelegt? Das sind die drei Kostenpositionen, die verglichen worden sind. Es ist festzustellen, dass es sektoral durchaus gravierende Unterschiede gibt. Deshalb ist es richtig, dass auf dem Stromsektor gegen vier Unternehmen, die besonders preisauffällig gewesen sind, und im Gassektor sogar gegen sieben Unternehmen weitere Ermittlungen eingeleitet werden, um zu prüfen, ob eine marktbeherrschende Stellung vorlag - das alleine ist noch nicht schlimm - und ob sie zulasten der Verbraucher ausgenutzt worden ist. Wir sind in Niedersachsen in der Verantwortung, die Verbraucherposition zu stärken.

(Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Ich sage Ihnen aber auch eines, Herr Dr. Sohn: Das können wir nicht alleine tun. Wir können es nur mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern, indem sie ihre eigene Macht ausschöpfen und dann, wenn sie feststellen, dass die Rechnung zu hoch ist, den Anbieter wechseln. Das ist ganz einfach. Man kann im Internet vergleichen. Man muss auch keine Sorge haben, dass der Strom oder das Gas beim Wechselvorgang wegbleiben. Ich kann nur alle ermuntern: Schauen Sie sich an, wofür Sie das Geld zu Hause ausgeben, und treffen Sie die richtige Entscheidung!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Die erhö- hen ja immer alle gleichzeitig!)

Meine Damen und Herren, zu Punkt 1 d liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 e auf:

Niedersächsische Fleischfabriken und Exportsubventionen verschärfen Armut und Welthunger - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1895

Zur Einbringung hat sich Herr Kollege Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen scheiterte in Rom der Welternährungs- oder - besser - Welthungergipfel kläglich. Das Ziel, die Zahl der Hungernden zu halbieren, wurde nicht nur verfehlt. Im Gegenteil, erstmalig wurde die Milliardengrenze überschritten. Noch nie haben so viele Menschen gehungert wie jetzt.

Gleichzeitig leiden ebenso viele Menschen in den Industriestaaten an Übergewicht und krankmachender Fettleibigkeit. Ebenso hat die Landwirtschaft noch nie so viele Lebensmittel pro Kopf produziert wie jetzt.

Es fehlt einzig und allein der politische Wille, Armut und Unterernährung auszurotten. Die ökonomischen und technischen Fähigkeiten dazu hätten wir. Das sagte der aus Protest gegen diese Entwicklung in den Hungerstreik getretene Generalsekretär der Welternährungsorganisation FAO.

Was hat Niedersachsen damit zu tun? - Eine ganze Menge. Niedersachsen trägt als wichtiges Fleischexport- und -produktionsland für diese Entwicklung in der Welt eine erhebliche Mitverantwortung. Schon jetzt werden in Niedersachsen zweieinhalbmal so viele Schweine und dreimal so viele Hähnchen produziert, wie wir essen können. Diese bekommen zu großen Teilen Importfutter, das auf Flächen angebaut wird, für die oftmals Regenwälder und Moore weichen mussten. Die Produktion von Grundnahrungsmitteln für die eigene Bevölkerung wird in den Hungerländern vernachlässigt.

Im Klartext: Unsere Schweine, Rinder und Hühner fressen das Brot der Armen. Nur 47 % der weltweiten Getreideproduktion dienen noch direkt dem menschlichen Verzehr. Der Rest geht für Tierfutter, industrielle Rohstoffe und Abfall drauf.

Nach dem Willen dieser Landesregierung sollen die nicht tierschutzgerechten Fleischfabriken in allen Landesteilen noch weiter wachsen. Die Über

schussproduktion an Geflügelfleisch soll noch stärker ausgebaut werden. Im Landkreis Celle wird ein Riesenschlachthof mit einer Kapazität von 57 Millionen getöteten Tieren jährlich - das sind 1,1 Millionen pro Woche - gebaut. Mindestens 150 neue Großmastanlagen zu je 40 000 Hähnchen müssen im Umkreis von 150 km folgen, um diese subventionierte Fleischfabrik am Leben zu erhalten.

(Zuruf von der CDU: Wer subventio- niert die?)

- Fragen Sie einmal die Kommunen!

Überall regen sich Bürgerinitiativen und Proteste gegen diese Massentierhaltungsanlagen entlang des von der Landesregierung vorgeschlagenen sogenannten Hähnchen-Highways. Wir Grüne lehnen diese Agrarindustrialisierung ab

(Beifall bei den GRÜNEN)

und unterstützen bäuerliche Landwirte und die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Widerstand gegen diese Fleischfabriken.

Der Ausbau dieser Massentierhaltungsanlagen läuft eben nicht über den Markt - da wären veredelte Produkte nicht billiger als Rohprodukte -, sondern über massive Subventionen. Unter den Top Ten der Agrarsubventionsempfänger in Niedersachsen ist etwa auch die Firma Gausepohl Fleisch GmbH in Dissen. Der Name spricht für sich.

CDU und FDP haben die Wiedereinführung millionenschwerer Exportsubventionen immer begrüßt und fordern ständig neues Steuergeld für die Landwirtschaft, statt den Landwirten durch faire Preise wirklich zu helfen. Ein Beispiel für die Subventionitis von Fleisch ist, dass die Lufthansa 800 000 Euro Agrarsubventionen bekommt. Wofür? - Die Lufthansa bekommt immer dann, wenn sie mit ihren Hähnchensandwiches außerhalb der EU fliegt, EU-Exporterstattung. Ein perverses System, das keinem Bauern hier und in den Entwicklungsländern hilft!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Im Gegenteil schaden diese milliardenschweren Subventionen den Landwirten im Süden. Kein Landwirt kann dort mit dem billigen EUGeflügelfleisch oder mit der billigen Milch konkurrieren. Die Folge ist, dass 80 % der Hungernden Bauern oder ehemalige Bauern sind. Wenn wir hier im Landtag bei Bleiberechtsdebatten so oft über

die Bekämpfung der Fluchtursachen reden, müssen wir auch die Rolle der niedersächsischen Agrarpolitik bei Hunger und Elend in der Welt klar benennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

CDU und FDP verschlimmern mit ihrem einseitigen Agrarlobbyismus für Geflügelbarone und Fleischproduktion das Welthungerproblem, sorgen durch die Abholzung von Regenwäldern und Mooren für unseren Futtermittelabbau für ein massives Artensterben und die Klimakatastrophe und rauben einer eigenständigen landwirtschaftlichen Entwicklung jede Überlebenschance.

(Zuruf von Bernhard Busemann [CDU])

In diesem Zusammenhang müssen wir auch über die Reduzierung des Fleischkonsums reden. Der Klimaschützer und ehemalige Weltbankchef Nicholas Stern sagte vor ein paar Tagen in der Times: Fleisch essen wird bald ebenso verpönt sein, wie betrunken Auto zu fahren. - Neuere Studien zeigen, dass der übermäßige Fleischkonsum nicht nur zu Fehlernährung führt, sondern einer der schlimmsten Klimakiller ist. Deswegen brauchen wir auch so dringend ein Schulobst- und nicht etwa ein Schulfleischprogramm zur nachhaltigen gesunden Ernährung.

Meine Damen und Herren, ich komme noch zur Milch; darauf haben Sie sicher schon gewartet. Statt den Milchhahn ohne Steuergeld endlich zuzudrehen, verplempern CDU und FDP Milliarden für Interventionen und Exportsubventionen, um die selbst herbeigeführten Übermengen in Drittländern loszuwerden. Über die Auswirkungen kann Ihnen jede Hilfsorganisation, von Misereor bis „Brot für die Welt“ gut berichten. Deshalb begrüße ich es, dass die EU-Kommission die Exporterstattung für Milchprodukte in den letzten Tagen endlich aufgehoben hat, und hoffe, dass die Landesregierung dies unterstützen wird und nicht wie der Bauernverband ständig neue Subventionen fordert.

(Glocke des Präsidenten)

- Mein letzter Punkt. - Herr Minister Ehlen, Sie haben es in der Hand, dass Niedersachsen bei der Bekämpfung des Welthungers von einem Teil des Problems zu einer echten Hilfe wird. Stoppen Sie die Agrarsubventionen! Fördern Sie Bauernhöfe statt Agrarfabriken! Unterstützen Sie eine nachhaltige Landwirtschaft im Sinne des Tierschutzes, und sorgen Sie dafür, dass Niedersachsen nicht das Schlusslicht bei der Förderung der ökologischen Landwirtschaft ist!

Herr Meyer, letzter Satz!

Mein letzter Satz. - Dann würden Sie nicht nur global reden, sondern endlich in Niedersachsen auch lokal handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Wilhelm Heidemann [CDU]: Schlau- meier!)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion hat sich Frau Stief-Kreihe zu Wort gemeldet.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Stell das mal richtig, Karin!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr wurde der Weltagrarbericht, der über vier Jahre von über 400 Wissenschaftlern und Regierungsvertretungen erarbeitet wurde, vorgelegt und von über 60 Staaten unterzeichnet. Leider, muss ich sagen, hat Deutschland diesen Bericht nicht unterzeichnet. Deutschland hat daran noch nicht einmal mitgearbeitet.

Eine Kernaussage dieses Berichtes lautet: Ertrags- und Produktionssteigerung per se ist nicht Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut. Lebensmittel müssen da produziert werden, wo sie gebraucht werden. Der Selbstversorgungsgrad muss deutlich erhöht werden.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Geht das auch bei uns?)

Die Befunde der Wissenschaftler werden bisher weitgehend ignoriert. „Weiter so wie bisher, aber mit erhöhter Schlagzahl“, war das Ergebnis des Welternährungsgipfels. Die zentrale Botschaft lautet: Zur Überwindung des Hungers muss die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 um 70 % erhöht werden. - In zwei Wochen werden die gleichen Staatschefs auf dem Klimagipfel erklären, dass aus Klimaschutzgründen eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 80 % unvermeidlich ist. Landwirtschaft und Ernährung sind mit insgesamt etwa 40 % für Treibhausgasemissionen verantwortlich.

(Bernhard Busemann [CDU]: Wir kön- nen doch den Tieren das Pupsen nicht verbieten!)

Spätestens hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die EU zahlt jährlich Milliardenbeträge an Exportsubventionen. Den Bauern auch hier in Niedersachsen wird vorgegaukelt, dass die Lösung ihrer Probleme auf den Weltmärkten liegt. In Wirklichkeit liegt der Fokus auf der Exportförderung für die Ernährungswirtschaft. In den Entwicklungsländern richten Exportsubventionen - darin sind sich eigentlich alle einig - großen Schaden an. Wir dürfen also gespannt sein, ob die EU zu ihrer Zusage steht, die Exportsubventionen bis zum Jahr 2013 auslaufen zu lassen. Wir dürfen aber auch gespannt darauf sein, wie sich FDP und CDU verhalten, da sie sehr unterschiedliche Meinungen vertreten.