Ich habe bereits gesagt, dass wir lagebezogen durchaus auch mit Konfliktmanagern reagieren. Ich sage Ihnen nur: Jede Deeskalation hat ihr Ende, wenn es darum geht, irgendwo Freiräume für Straftaten einzuräumen. Das ist die falsche Taktik.
Das wird es mit dem Polizeipräsidenten in diesem Land nicht geben und auch nicht mit diesem Innenminister. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass nach den Erfahrungen der Chaostage noch irgendein Innenminister über eine solche Taktik überhaupt nachdenkt.
(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dass Sie nicht über Deeskalation nachdenken, ist be- kannt!)
Wir reden mittlerweile sehr häufig über die Taktik der Polizei in anderen Ländern. Ich gebe zu - und das ist auch richtig -, dass das hinter verschlossenen Türen geschieht. Dennoch kann man natürlich auch einmal die Polizeitaktiken in Berlin bei den Demonstrationen zum 1. Mai hinterfragen. Mit der dort angewandten Taktik hat man zumindest nicht erreicht, dass es friedlicher wird. Insofern muss man auch das einmal evaluieren. Ich bin froh, dass es in Göttingen und in anderen Bereichen Niedersachsens, gerade auch hier in der Landeshauptstadt, zu solchen Ausschreitungen bisher nicht gekommen ist.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt, den Punkt 12 d, aufrufe, will ich zum einen die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen und zum anderen darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den nach der Tagesordnung für morgen vorgesehenen Tagesordnungspunkt 32 - EU-Strukturförderung in Niedersachsen - heute als letzten Tagesordnungspunkt, d. h. im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 23, zu behandeln. Das zu Ihrer Kenntnis.
Hat Minister Schünemann bei der Frage nach Atomtransporten im Niedersächsischen Landtag nach bestem Wissen zutreffend und vollständig geantwortet? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1896
Ich hoffe, es wird etwas ruhiger hier im Hause. - Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bringt Frau Helmhold die Anfrage ein. Bitte schön! Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hat Minister Schünemann bei der Frage nach Atomtransporten im Niedersächsischen Landtag nach bestem Wissen zutreffend und vollständig geantwortet?
In der 44. Plenarsitzung am 28. August 2009 stellten die Abgeordneten Wenzel und Klein (GRÜNE) eine Kleine Anfrage, die sich auf den „Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxhavener Hafen“ bezog, insbesondere auf „zeitnah bevorstehende Transporte von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen aus Sellafield für das Atomkraftwerk Grohnde“ und auf die Beteiligung niedersächsischer Behörden an der „Planung, Genehmigung und Durchführung des Transports von radioaktiven Stoffen in und durch Niedersachen“.
Auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Wenzel, wie sich die Landesregierung für den Beschluss des Stadtrats von Cuxhaven einsetze, der gefordert habe, dass keine Atomtransporte über Cuxhaven abgewickelt werden, antwortete Minister
Schünemann, dass für die Genehmigung von Transporten das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig sei; die Niedersächsische Landesregierung habe „überhaupt keinen Einfluss auf die Durchführung dieses Transports“. Die Innenbehörde werde „lediglich in dem Sinn beteiligt, dass abgefragt wird, ob der Termin aus Sicherheitsgründen in irgendeiner Weise problematisch ist“.
Auf die weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Meyer, welche anderen niedersächsischen Häfen grundsätzlich für den Umschlag radioaktiver Stoffe infrage kämen, antwortete Minister Schünemann, dass „die Entscheidung eindeutig beim Bundesamt für Strahlenschutz, das auch Alternativen geprüft hat“, liege. Auf die weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Twesten, ob ein „Kriterienkatalog für den Transportweg“ vorliege und welchen Inhalt dieser habe, antwortete Minister Schünemann, dass hierfür „nun wirklich das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig“ sei. Alle drei angegebenen Zusatzfragen bezogen sich ausdrücklich auf die Einflussmöglichkeiten der Landesregierung auf die Auswahl der konkreten Route der genannten Transporte. Jedes Mal antwortete der Innenminister, dass die Landesregierung keinen Einfluss auf die Transportstrecke habe.
Sowohl der atomrechtlichen Literatur als auch den Richtlinien des Bundesumweltministeriums lässt sich jedoch die Pflicht des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Abstimmung und Verzahnung mit den Schutzmaßnahmen der Polizei bei nuklearen Transporten entnehmen. Der Geschäftsverteilungsplan des niedersächsischen Innenministeriums weist für das Referat 22 die Zuständigkeit für Sicherung bzw. Schutz kerntechnischer Einrichtungen und nuklearer Transporte sowie für die Mitwirkung in atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren des Bundesumweltministeriums, des niedersächsischen Umweltministeriums und des BfS aus.
1. Wie sieht die konkrete Praxis des Genehmigungsverfahrens bei der Beförderung von MOXBrennelementen, insbesondere die Zusammenarbeit zwischen dem BfS und dem niedersächsischen Innenministerium, aus?
2. Wie bewertet die Landesregierung juristische Einschätzungen, dass es eine erhebliche Beteiligung der Polizei an der konkreten Durchführung des Transports gibt und dass das Innenministerium über Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Sicherheitskonzeption unter Kenntnis der Streckenführung verfügt?
3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Innenminister Schünemann bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Wenzel und Klein und der Zusatzfragen am 28. August 2009 nicht nach bestem Wissen zutreffend und vollständig geantwortet hat?
Herzlichen Dank, Frau Helmhold. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schünemann. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verantwortung für die Beförderung von Kernbrennstoffen liegt beim Bundesamt für Strahlenschutz, das eine Beförderungsgenehmigung erteilt, wenn die in § 4 Abs. 2 des Atomgesetzes im Einzelnen geregelten Voraussetzungen vorliegen.
Die Entscheidung über die Genehmigung trifft allein das Bundesamt für Strahlenschutz. Eine Verpflichtung des Bundesamtes für Strahlenschutz, vor Erteilung der Genehmigung das Einvernehmen oder zumindest das Benehmen mit anderen Behörden herzustellen, sieht das Atomgesetz nicht vor.
Weder die Innenministerien der Länder noch die Polizeibehörden haben die Befugnis, dem Bundesamt für Strahlenschutz verbindliche Vorgaben zu machen oder direkt gegenüber dem Beförderer Anordnungen zu treffen. Die Expertise anderer Behörden wird daher nur über ein Stellungnahmeverfahren eingebracht. Das Bundesamt für Strahlenschutz holt Stellungnahmen von anderen Behörden ein, soweit die Genehmigungsvoraussetzung von diesen zu vertretende Belange berühren und das Bundesamt für Strahlenschutz eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Prüfung der zuständigen Stellen für erforderlich hält.
Polizeiliche Belange sind betroffen durch § 4 Abs. 2 Nr. 5 des Atomgesetzes, der vorschreibt, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet sein muss, und durch § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Atomgesetzes, wonach der Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen dürfen. Im Allgemeinen sind diese Voraussetzungen bei Einhaltung der bestehenden Sicherungs- und Schutzkonzepte gewährleistet. Das Bundesamt für Strahlenschutz erteilt dann die Genehmigung - übrigens ohne vorher die Polizeibehörden einzuschalten.
Weist ein Transport jedoch ein besonderes Gefährdungspotenzial auf, oder steht er sonst in besonderem öffentlichen Interesse, so beteiligt das Bundesamt für Strahlenschutz die Innenministerien der Länder, die aus polizeilicher Sicht zu Fragen der Sicherung der Transporte vor Sabotage, Angriffen oder sonstigen Störungen Stellung nehmen. Dabei spielen regelmäßig auch der vorgesehene Transporttermin und die Streckenführung eine Rolle. So kann etwa zu bestimmten Terminen mit besonderen Gefahren zu rechnen sein, oder die Sicherung einer bestimmten Transportstrecke kann ausnahmsweise aufgrund von örtlichen Gegebenheiten problematisch oder besonders aufwendig sein. Zur technischen Sicherheit von Transporten, etwa der Geeignetheit von Behältern oder Transportmitteln, oder zu der Erforderlichkeit der Transporte nimmt die Polizei hingegen nicht Stellung, da sie für diese Fragen nicht zuständig ist.
Ich darf darauf hinweisen, dass es in der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Wenzel und Klein in der 44. Plenarsitzung, die den Titel „Umschlag von radioaktiven Stoffen im Cuxhavener Hafen“ trug, ausweislich der Vorbemerkung, in der die Fragesteller vor allem ihrer Sorge um die Ausweisung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe und um die touristischen Interessen von Stadt und Landkreis Ausdruck verliehen, wohl eher um Fragen der technischen Sicherheit von MOX-Transporten als um Fragen der Sicherung vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter ging.
Aber auch soweit Fragen der Sicherung von Transporten vor Sabotage, Angriffen oder sonstigen Störungen betroffen sind, werden die Transportrouten und -termine nicht von der Polizei ausgearbeitet, sondern vom Antragsteller bereits mit dem Antrag oder im Laufe des Verfahrens gegenüber dem Bundesamt für Strahlenschutz vorgeschlagen. Es ist letztlich Sache des Bundesamtes
für Strahlenschutz, zu entscheiden, ob und, wenn ja, welche Auflagen zur Streckenführung und zur Terminierung in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen sind. Dabei hat es neben den Bedürfnissen der Sicherung des Transports vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter z. B. auch die Belange des Gefahrgutrechts - § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Atomgesetzes - zu berücksichtigen und kollidierende Interessen gegebenenfalls zum Ausgleich zu bringen.
Zu Frage 1: Für die Mehrzahl der Transporte von Mischoxyd-Brennelementen erteilt das Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung gemäß § 4 des Atomgesetzes, ohne die Innenministerien der Länder überhaupt zu beteiligen. In Einzelfällen wie auch bei einem weiterhin anhängigen Antrag auf Genehmigung der Beförderung von MischoxydBrennelementen aus Großbritannien in ein niedersächsisches Kernkraftwerk wird der Antrag auf Genehmigung den Innenministerien der Länder mit der Bitte um Stellungnahme aus polizeilicher Sicht übersandt. Diesen Antrag habe ich damals im Plenum sogar hochgehalten - daran kann ich mich noch gut erinnern; das war schlichtweg ein handschriftliches Deckblatt -, um zu verdeutlichen, wie das umgesetzt wird.
Für diese Verfahren hat die Kommission Sicherung und Schutz kerntechnischer Einrichtungen - Kosikern -, deren Vorsitz Niedersachsen innehat, eine Koordinierungs- und Bündelungsfunktion übernommen. Eine Weisungs- oder Entscheidungsbefugnis gegenüber den anderen Bundesländern besteht dabei nicht. Soweit Niedersachsen direkt betroffen ist, beteiligt das Ministerium für Inneres, Sport und Integration die zuständigen Polizeibehörden. Über sonstige Verfahrensschritte des BfS kann die Landesregierung keine Auskunft erteilen. Wir können nichts dazu sagen, ob es interne Anweisungen geben sollte. Nach Rückfrage ist uns dies jedenfalls nicht bestätigt worden.
Zu Frage 2: Betreiber und Transporteure haben umfangreiche Eigensicherungsmaßnahmen zu treffen. Bei Bedarf hat die Polizei die Aufgabe, ergänzend für die Sicherung von Kerntransporten vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter zu sorgen und gegebenenfalls eigene Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Ihre Beteiligung schon im Genehmigungsverfahren ist daher bei sicherungsrelevanten Transporten erforderlich,
damit sie diese Aufgabe erfolgreich bewältigen kann. Für die Einhaltung der sicherungsbezogenen Genehmigungsvoraussetzungen rechtlich verantwortlich ist ausschließlich das Bundesamt für Strahlenschutz als Genehmigungsbehörde.
Sicherung und Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter und die damit verbundenen öffentlichen Interessen sind dabei nur ein spezieller Gesichtspunkt in einer ganzen Reihe von Genehmigungsvoraussetzungen, die das Bundesamt für Strahlenschutz im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen hat. Ergänzend verweise ich auf das schon Gesagte.
Zu Frage 3: Nein. Es ist zutreffend dargestellt worden, dass die Innenbehörden nicht über bestimmte Transportstrecken entscheiden. Die Entscheidung trifft zunächst der Antragsteller, indem er durch seinen Antrag die für ihn in Betracht kommenden Strecken auswählt, und abschließend das Bundesamt für Strahlenschutz durch Erteilung der Beförderungsgenehmigung.
Insofern bin ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar für diese Dringliche Anfrage. So kann endlich auch einmal dargestellt werden, dass das, was gerade durch das Bundesamt für Strahlenschutz im Vorfeld der Bundestagswahl, insbesondere von Herrn König selbst, immer suggeriert worden ist, nämlich dass das Innenministerium irgendwelche Wegstrecken festlegt, mitnichten der Fall ist. Ich bin froh, dass Herr König das in seinem letzten Brief auch so dargestellt hat. Die Rechtslage ist eindeutig, und ich habe völlig richtig geantwortet.
Herzlichen Dank, Herr Minister Schünemann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Kollege Wenzel die erste Zusatzfrage. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Innenminister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie in der Antwort auf unsere Anfrage vom 28. August behauptet haben, dass Sie „überhaupt keinen Einfluss auf die Durchführung dieses Transports“ und auch „keinen Einfluss auf den Transportweg“ hätten, frage ich Sie, warum das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einer
Entscheidung vom 11. Oktober 2004 zu einer Nebenbestimmung der Genehmigung ein Abstimmungsverfahren zwischen dem Beförderer - in diesem Fall die Gesellschaft für Nuklear-Service - und der obersten Polizeibehörde vorsieht und schreibt:
„Unter Nr. 1 der Nebenbestimmungen heißt es, die Beförderungstermine seien mindestens acht Wochen vor dem Beginn des ersten Transports mit den Innenministerien der vom Transport berührten Länder abzustimmen. Dabei sei eine höchstmögliche Bündelung der Transporte anzustreben. Die endgültige Festlegung der Beförderungstermine, der Streckenführung, der Ausweichstrecken sowie gegebenenfalls von Stützpunkten entlang der Fahrstrecken sei in Einsatzkoordinierungsgesprächen zwischen den Innenministerien der vom Transport berührten Länder und der Beförderer“
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich zitiere noch einmal aus dem Atomgesetz: