Vor dem Hintergrund, dass der Innenminister nicht im Detail auf diesen Ratsbeschluss eingegangen ist, frage ich die Landesregierung jetzt, wie sie diesen Beschluss in seinen einzelnen Teilen und Punkten genau bewertet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt habe ich auf der einen Seite den Hinweis der Abgeordneten Andretta gekriegt, dass sich der Innenminister bei Bewertungen von Ratsbeschlüssen zurückhalten soll. Auf der anderen Seite werde ich jetzt aufgerufen, mich dazu sehr detailliert einzulassen.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist kei- ne abgesprochene Zangenbewe- gung! - Heiterkeit bei der LINKEN)
Ich habe mich zu Recht auf den Teil bezogen, der die Polizei betrifft; denn dafür trage ich Verantwortung. Es ist meiner Ansicht nach meine Pflicht, insbesondere diesen Bereich zu bewerten. Ich meine, dass es falsch wäre, der Polizei eine andere Taktik zu empfehlen als die, die ich hier gerade dargestellt habe, weil aus der Vergangenheit völlig klar ist, dass sich eine Eskalation ergeben kann, wenn Straftaten geduldet werden und man die Gewaltbereiten nicht sehr rechtzeitig darauf hinweist, dass man sofort einschreitet, wenn Straftaten begangen werden. Das haben andere Demonstrationen schon gezeigt. Deshalb habe ich hier meiner Ansicht nach völlig zu Recht gesagt, dass die Polizei keinen Ratschlag durch einen Ratsbeschluss in Göttingen benötigt, weil sie in den letzten Jahren und auch bei dieser Demonstration völlig richtig gehandelt hat und vor allen Dingen dazu beigetragen hat, mit der Taktik, die ich dargestellt habe, Ausschreitungen zu verhindern. Ich kann Ihnen sagen, dass wir diese Taktik auch in Zukunft fortführen. Sie ist erfolgreich und aus meiner Sicht alternativlos.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Daran anknüpfend, Herr Schünemann, weil Sie nicht nur Polizeiminister, sondern auch Kommunalminister sind, und unabhängig von der möglicherweise unterschiedlichen Beurteilung der Bewertungsmöglichkeiten einer Landesregierung zu kommunalen Handlungen interessiert mich Folgendes: Bei der Demonstration haben, wenn ich richtig informiert bin, der Oberbürgermeister, der Jugenddezernent, mehrere Ratsherren und wohl auch mehrere Pfarrer versucht, deeskalierend auf die Einsatzleitung einzuwirken
- für Pfarrer sind Sie nicht zuständig; das weiß ich wohl -, ohne dass das zu einem Ergebnis geführt hat. Mich interessiert, wie Sie es unter dem Gesichtspunkt, dass man in der Stadt das Gewicht solcher Persönlichkeiten gegenüber der Polizei hinsichtlich dessen, was in ihrer Stadt passieren sollte, bewerten könnte, beurteilen, dass sich diese Reihe von Persönlichkeiten dafür einsetzt, die Situation zu deeskalieren, und das glatte Gegenteil passiert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das genaue Gegenteil eingetreten, sondern die Polizei hat durch ihre Präsenz und durch ihr schnelles Einschreiten dazu beigetragen, dass die Demonstration weitgehend friedlich vonstatten gegangen ist.
lichkeiten, die dafür Verantwortung tragen, bewerte, will ich Ihnen gerne antworten: Der Oberbürgermeister hat versucht, auf die Polizei einzuwirken, dass der ganze Zug auch auf dem Rückweg von der Gedenkstätte wieder durch die enge Innenstadt geführt wird. Er hat interveniert und versucht, mit dem Ziel Einfluss zu nehmen, dass genau dieser sehr schwierige Weg wieder beschritten wird. Ich kann dazu nur sagen, dass es überhaupt nicht zur Deeskalation beiträgt, wenn der Oberbürgermeister versucht, den Zug dort entlang zu führen, wo Geschäfte sind und es kleine, enge Seitenstraßen gibt, was zu größeren Problemen führt. Ich bin sehr froh, dass die Einsatzleitung dazu beigetragen hat, dass dieser Weg nicht wieder gegangen wurde.
Der Oberbürgermeister ist hier Versammlungsbehörde, und ich glaube, es ist sinnvoll, dass man in Zukunft von Anfang an gemeinsam Wege aufzeigt, auf denen eine Demonstration eher in den Griff zu bekommen ist als dort, wo die Bevölkerung noch einkaufen oder sich in anderen Bereichen aufhalten will, wo die Polizei vor allen Dingen nicht sicherstellen kann, dass es nicht zu Straftaten kommt. Das ist aus meiner Sicht schon schwierig. Ich bin froh, dass sich die Einsatzleitung hier durchgesetzt hat.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Innenminister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich meine Partei immer für einen friedlichen Ablauf solcher Demonstrationen eingesetzt hat,
und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir wissen, dass der Staat, wenn er will, im Kern immer die Möglichkeit hat, stärker zu sein und stärkere Mittel einzusetzen, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir aber auch wissen, dass das nicht unbedingt sinnvoll ist und dass das in der Vergangenheit zu Eskalationen geführt hat, die niemand wollte, frage ich Sie: Können Sie sich vorstellen, das Demonstrationsgeschehen der
letzten 20 Jahre in Göttingen und das dahinter liegende Polizeieinsatzkonzept in den jeweiligen Phasen einmal einer wissenschaftlichen Untersuchung durch das Kriminologische Forschungsinstitut zu unterziehen?
weil das Konzept erfolgreich ist und ein erfolgreiches Konzept auf jeden Fall in der Zukunft weiter verfolgt werden muss. Dazu brauchen wir keine Gutachten und keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Sie wissen, dass die Polizei sehr angemessen tätig ist und mit Konfliktmanagern und anderen Bereichen zusammenarbeitet. Schauen Sie sich doch die Castortransporte an!
Wenn es aber, wie hier, darum geht, dass 850 Gewaltbereite versuchen, in einer Innenstadt zu demonstrieren,
und wenn die Vergangenheit schon gezeigt hat, dass sie Straftaten begehen, wenn man ihnen Raum gibt und sie nicht eng begleitet, dann gibt es keine Alternative zu der Taktik, die die Polizei hier gewählt hat.
Ich hätte nicht gedacht, dass man das Polizeirecht noch einmal so nachbereiten muss. Eigentlich waren wir da schon einmal weiter. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Innenministers und der Verächtlichmachung des Deeskalationskonzepts, das die Polizei in der Vergangenheit, gerade auch in den 90er-Jahren, sehr weit entwickelt und immer feiner intensiviert hat - mein Kollege Wenzel hat das schon ausgeführt -, vor dem Hintergrund, dass diese Deeskalationskonzepte immer wieder mit dazu geführt haben, dass es eben zu friedlichen Demonstrationen gekommen ist, zu Demonstrationen ohne Straftaten, die wir alle ausdrücklich wollen - ich distanziere mich scharf von sämtlichen Straftaten auf Demonstrationen -, auch vor dem Hintergrund, dass diese Deeskalationskonzepte Erfolg gezeitigt haben und der Innenminister sich gerade wieder davon distanziert hat, frage ich, ob die Landesregierung einen generellen, also landesweiten konzeptionellen Schwenk in der Einsatztaktik bei Großeinsätzen vornehmen lässt, weg von einer Deeskalationsstrategie, weg von einer friedlichen Strategie, hin zu einer Politik des starken Staates, der mit sehr hohem Polizeiaufgebot, mit Wasserwerfen, mit Helmen, mit schwerer Ausrüstung von vornherein jede Demonstration begleiten möchte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie erfolgreich sogenannte Deeskalationsstrategien in den 90er-Jahren gewesen sind, konnte man bei den Chaostagen hier in Hannover erleben.
Die Konsequenzen daraus hat nicht erst die jetzige Landesregierung gezogen, sondern die haben durchaus auch meine Vorgänger gezogen, die gesehen haben, dass diese Taktik schlicht falsch ist.
Man kann lange darüber reden, was Deeskalation tatsächlich bedeutet. Ich hatte schon dargestellt, dass man natürlich lagebezogen mit Konfliktmanagern und mit anderen Bereichen zusammenarbeiten muss. Aber es hat sich nie bewährt, wenn die Polizei wegschaut und Straftaten hinnimmt, weil man glaubt, man provoziere vielleicht, wenn man einschreitet, verhindere damit aber eventuell weitere Straftaten. Das hat nie funktioniert. Das heißt, wenn es ein Vermummungsverbot gibt, muss es auch durchgesetzt werden. Andernfalls fühlen sich gerade die Gewaltbereiten motiviert, tätig zu werden. Weshalb vermummt man sich denn? - Damit man nicht erkannt wird und aus der Anonymität heraus Straftaten begehen kann.
Ich habe bereits gesagt, dass wir lagebezogen durchaus auch mit Konfliktmanagern reagieren. Ich sage Ihnen nur: Jede Deeskalation hat ihr Ende, wenn es darum geht, irgendwo Freiräume für Straftaten einzuräumen. Das ist die falsche Taktik.