Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

Meine Damen und Herren, wirtschaftliche Integration ist nach wie vor die wesentliche Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht. Schon allein aus Gründen der Gerechtigkeit denen gegenüber, die sich um Arbeit bemühen, die bei uns ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern, kann und darf es zu keiner Regelung kommen, die diejenigen begünstigt, die sich eben nicht um diese Dinge bemühen.

Ich fasse zusammen: Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe, die am 31. Dezember 2009 mindestens für die letzten sechs Monate hier waren, haben auch die Chance, zum 31. Dezember eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.

Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz von Anfang Dezember werden von uns begrüßt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie wei- chen doch dem Thema aus! Auf Frau Polat haben Sie nicht geantwortet!)

Ich freue mich, dass gerade in Niedersachsen 2 000 Personen eine Perspektive bekommen und im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, Herr Wenzel, der Zuzug in die Sozialsysteme, auch wenn Frau Polat dies nicht hören möchte, unterbunden wird. Ich denke, dass wir an dieser Stelle ganz ehrlich miteinander umgehen müssen;

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dem Kern des Anliegens werden Sie nicht ge- recht!)

denn die Gesellschaft muss das schließlich tragen können.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Schürt Vorurteile!)

Der Zuzug in die Sozialsysteme ist gesellschaftspolitisch überhaupt nicht tragbar.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Ich erteile dem Kollegen Oetjen von der FDPFraktion das Wort.

Zuvor aber noch einmal folgender Hinweis: Eine Minute vor Ablauf der Redezeit gibt es ein kleines und nach fünf Minuten das bekannte nicht mehr ganz so dezente Klingelzeichen. Ich glaube aber, das ist auch allen bekannt.

Bitte!

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Beschluss der Innenministerkonferenz bringt uns einen Zeitgewinn. Das ist das, was wir seitens der FDP erwartet haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir haben hier ja schon mehrfach - so auch im letzten Plenarab

schnitt - darüber diskutiert, was wir von der Innenministerkonferenz im Bereich des Bleiberechts erwarten. Ich sage hier: Wir von der FDP-Fraktion sind froh darüber, dass wir nun eine Atempause haben, um in den nächsten zwei Jahren eine gesetzliche Lösung zu finden. Das ist ein gutes Signal, das die Innenministerkonferenz ausgesendet hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe)

Herr Kollege, ich darf Sie kurz unterbrechen. - In den Fraktionen finden intensive Gespräche statt. Das muss aber nicht sein, finde ich. Wenn jemand etwas zu klären hat, kann er das auch außerhalb des Plenarsaals tun. Ich lege Wert darauf, dass die Rednerin bzw. der Redner hier Gehör findet. - Bitte schön, Herr Kollege!

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Wissen Sie, ich habe den Eindruck, dass einige von Ihnen erwartet haben, dass die Innenministerkonferenz in diesen zwei Tagen Donner was bewegt und Positionen, die in den vergangenen Monaten aufgebaut wurden, überbrückt. Ich sage hier sehr deutlich, liebe Kollegin Polat: Wenn Sie das von der Innenministerkonferenz erwartet haben, dann sind Sie ganz schön naiv an die Sache herangegangen. Ich glaube, dass das, was erreicht worden ist, das Maximum dessen war, was herauszuholen war.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das müssen wir uns einmal vor Augen halten, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Deshalb habe ich auch die SPD-Innenminister kritisiert, die in ihren Presseverlautbarungen deutlich gesagt haben: Wir wollen das jetzt unbedingt über die Bühne bringen. - Da in der Innenministerkonferenz das Einstimmigkeitsprinzip gilt und Sie genau wissen, dass die von Ihnen aufgebaute Position niemals tragbar wäre, habe ich gesagt: Die SPD-Innenminister müssen sich bewegen, damit wir wenigstens einen Kompromiss und einen Aufschub um zwei Jahre erreichen und auf diese Weise Luft bekommen, um eine gesetzliche Lösung zu finden. - Ich bin froh, dass das dabei herausgekommen ist.

(Zustimmung bei der FDP)

Der Deutsche Bundestag ist jetzt in der Pflicht, zu handeln und eine gesetzliche Lösung auf den Weg zu bringen. Es ist - das sage ich hier sehr deutlich - nicht die Aufgabe der Innenministerkonferenz,

ständig zu reparieren, sondern es ist die Aufgabe des Bundesgesetzgebers, eine gesetzliche Bleiberechtsregelung zu erarbeiten. - Insofern muss ich sagen: Der Innenminister hat recht, wenn er sagt, dass dies die letzte Bleiberechtsregelung sei, die von der Innenministerkonferenz gefunden wurde. Wir von CDU und FDP gehen nämlich davon aus, dass unsere CDU/FDP-geführte Bundesregierung entsprechend der Koalitionsvereinbarung eine Lösung für dieses Problem findet, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aus Sicht der FDP ist Ziel einer solchen neuen Bleiberechtsregelung, für die betreffenden Menschen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu bekommen. Ich sage aber ganz deutlich, dass wir nicht alle Wünsche werden erfüllen können. Nicht jedem, der gern zu uns kommen möchte, werden wir diesen Wunsch erfüllen können. Wir müssen uns aber insbesondere um diejenigen kümmern, die hier gut integriert sind. Das sind die Kinder, die hier zur Schule gegangen sind, die hier ihren Abschluss gemacht haben und die hier leben und arbeiten wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das Problem der Kettenduldung müssen wir endlich lösen. Wir stehen diesbezüglich in der Pflicht; denn es ist - in diesem Punkt hat Frau Kollegin Polat ja auch recht - ein unhaltbarer Zustand, wenn jemand von einer Duldung zur nächsten kommt. Das ist für die betroffenen Menschen natürlich nicht haltbar.

Dazu gehört aber, dass sich die Ausländer tatsächlich integrieren. Aus meiner Sicht gehört dazu auch, dass sie arbeiten. Frau Kollegin Lorberg hat hier schon ausgeführt, dass eine der Grundvoraussetzungen für Integration ist, dass man bereit ist, eine Arbeit aufzunehmen und zu versuchen, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Mir ist schon klar, dass es nicht immer zu 100 % klappen kann, den Lebensunterhalt für die ganze Familie komplett selbst zu verdienen. Es muss dabei aber ein größtmögliches Maß erreicht werden. Wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen unsere Regelungen auch darauf ausrichten, dass dies ermöglicht wird. Mit Blick auf die Residenzpflicht, Herr Kollege Bachmann, müssen wir es den betreffenden Ausländern auch ermöglichen, weiter zu fahren, wenn es darum geht, eine Arbeit aufzunehmen. An dieser Stelle stehen wir in der Pflicht und müssen handeln. Ich sage Ihnen aber auch sehr deutlich: Diejenigen, die hier bleiben wollen,

sind gefordert, eine Arbeit zu suchen und aufzunehmen und sich in die Gesellschaft einzubringen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir von der FDP-Fraktion setzen darauf, dass der Bundesgesetzgeber eine ordentliche Regelung erlässt. Da wir eine ordentliche Bundesregierung haben, wird das auch passieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile der Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Frau Lorberg, schön, dass Sie sich an so kleinen Dingen erfreuen können. Sie betrachten aber leider nicht das große Ganze. Außerdem betreiben Sie Verschleierung durch Ihre faden Argumente und reden an der Wirklichkeit vorbei.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Oetjen, wenn Sie von „langer Atempause“ und von dem „Maximum dessen, was hier rauszuholen ist“ reden, dann muss ich bedauern, dass Sie sich so schnell zufrieden geben. Das, was die Innenminister in Bremen beschlossen haben, meine Damen und Herren, ist keine konsequente Regelung. Es ist auch kein Bekenntnis zu einer menschenwürdigen Asylpolitik. Eigentlich ist es noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Bei einer Verlängerung der Bleiberechtsregelung um zwei Jahre kann mit gutem Willen von einer „Minimallösung“ gesprochen werden. Für alle Betroffenen gilt: Sie fallen zum Jahreswechsel zunächst nicht in die Duldung zurück, aber sie bleiben weiter unter Bewährungsaufsicht der Ausländerbehörden, und sie sind weiterhin abhängig davon, dass an den Nachweis des Bemühens um die Lebensunterhaltssicherung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Aber gerade aufgrund überzogener Ausschlussgründe hat ein großer Teil der Flüchtlinge überhaupt keine Chance, unter diese Regelung zu fallen. Weiterhin bleiben viele Menschen von einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren, es ist doch ein Unding, dass es Menschen, denen lange Zeit ein Arbeitsverbot und eine Residenzpflicht auferlegt wurden, die also überhaupt keine Chance hatten, sich einen Job zu suchen und einen Job zu finden, nur

durch eine gesicherte Existenz, also durch Arbeit, von der ein Mensch auch leben kann, möglich werden soll, hier zu bleiben, und das in einer wirtschaftlichen Situation, in der immer mehr Menschen von Arbeit überhaupt nicht mehr leben können. Höher kann man die Hürden wirklich nicht mehr legen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schünemann, Sie haben Ihre Hausaufgaben wieder nicht gemacht. Sie beurteilen Menschen nach ihrem Gebrauchswert für die hiesige Gesellschaft. Sie wollen keine humane Lösung, sondern sozialökonomische Selektion. Herr Schünemann, legen Sie bitte Ihr Trauma ab, durch Zuwanderung könnten unsere Sozialkassen gesprengt werden! Betrachten Sie die Flüchtlingsfamilie als Chance für kulturelle Vielfalt und als Chance, unserem negativ betrachteten demografischen Wandel entgegenzuwirken!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist nicht mit anzusehen, wie die Verantwortung zwischen den Innenministern und der Bundesregierung hin- und hergeschoben wird. Denn das bedeutet in der Konsequenz für viele weiterhin ein Leben ohne Perspektive, in Unsicherheit, mit Angst vor Abschiebung, mit Residenzpflicht, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienverboten. Notwendig ist aber eine Bleiberechtsregelung, die mit der jetzigen deutschen Ausländerpolitik bricht und geduldeten Flüchtlingen endlich eine Perspektive gibt. Aber das scheitert insbesondere auch an solchen Hardliner-Ländern wie Niedersachsen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, verschließen Sie nicht die Augen vor den Aussagen und Forderungen der Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen! Vielleicht können auch die Liberalen, Herr Oetjen, den ersten Schritt machen und damit ihr Versprechen einlösen, sich für eine humane Regelung einzusetzen.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen die Forderungen des Niedersächsischen Flüchtlingsrats. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:

„Eine Aufenthaltserlaubnis muss auch gewährt werden, wenn Menschen nicht arbeiten können, weil sie z. B. alt oder krank sind, Kinder erziehen oder

Angehörige pflegen. Hier geborene und aufgewachsene Jugendliche und junge Erwachsene müssen ein gesichertes Bleiberecht erhalten, ohne dass damit die Familien auseinandergerissen werden, weil auf der Ausreise der Eltern bestanden wird. Unterbrechungen des Aufenthaltes dürfen nicht zu einem Verlust des Bleiberechts führen; frühere Aufenthaltszeiten sollen angerechnet werden. Die Bleiberechtsregelung muss auch für Personen greifen, die noch im Asylverfahren sind. Straftaten bei einzelnen Personen dürfen nicht dazu führen, dass auch alle anderen Familienmitglieder von der Altfallregelung ausgeschlossen werden.“

Das ist die sogenannte Sippenhaft, die es in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich gar nicht gibt.

(Zustimmung von der LINKEN)

Ich zitiere weiter: