Protokoll der Sitzung vom 19.01.2010

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Niedersachsen braucht ein modernes, ein demokratisches und freiheitliches Versammlungsrecht. Es muss Spielregeln enthalten. Aber diese Spielregeln dürfen nicht das Spiel selbst unmöglich machen. Ob Ihr Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, diesen hohen Ansprüchen genügt, werden wir uns im Ausschuss anschauen müssen und in den Anhörungen sehen. Darüber werden wir beraten müssen. Wir freuen uns auf diese Diskussionen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke schön, Herr Krogmann. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Oetjen das Wort.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ein biss- chen Liberalismus!)

Ganz herzlichen Dank, sehr verehrte Frau Präsidentin! - Herr Dr. Sohn, lassen Sie mich darauf gleich eingehen. Sie verstehen unter „liberal“ leider „beliebig“ und „jeder kann machen, was er will“. Das verstehen wir darunter nicht. Meine Damen und Herren, das ist nicht die Definition von „liberal“, wie wir es als Freie Demokraten verstehen. Das sage ich hier sehr deutlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kurt Herzog [LINKE]: Sagt das Frau Hamm-Brücher auch?)

Artikel 8 des Grundgesetzes schützt das Recht auf Durchführung einer friedlichen Versammlung. Das ist ein elementares Grundrecht, das aus der Meinungsfreiheit hervorgeht und für eine demokratische Gesellschaft unabdingbar ist. Wir als Liberale setzen uns für den Schutz dieses Grundrechts ein. Mit Bedauern müssen wir allerdings auch erkennen, dass dieses Recht immer wieder von gewaltbereiten Rechts- und Linksextremisten missbraucht wird, um unter dem Deckmantel einer Versammlung die demokratische Grundordnung zu

bekämpfen. Denjenigen jedoch, meine Damen und Herren, die friedlich ihr demokratisches Recht auf Meinungsäußerung nutzen wollen, sollte dies uneingeschränkt zustehen. Dafür kämpfen wir als FDP.

Das Versammlungsrecht soll einen versammlungsfreundlichen Rechtsrahmen schaffen, allerdings diese unfriedlichen und gewalttätigen Versammlungen verhindern, um den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Mit der Föderalismusreform - der Beschluss war im Jahre 2006 - haben wir als Land diese Gesetzgebungskompetenz übertragen bekommen. Wir haben uns mit dem Gesetzentwurf durchaus Zeit gelassen. Es kursierten verschiedene Entwürfe bereits im Internet und in verschiedenen politisch interessierten Gremien. Wir haben uns Zeit genommen, weil es uns darum ging, ein wirklich anwendungsfreundliches Gesetz zu entwerfen; denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen wissen, dass das Versammlungsrecht aus dem Jahre 1953 stammt und seit dem Jahre 1953 nicht mehr verändert wurde. Die Auslegung des Gesetzes wurde nur durch höchstrichterliche Entscheidungen bestimmt. Das heißt, wer heute nach dem alten Bundesrecht eine Versammlung abhalten will, der muss eigentlich nicht nur dieses Gesetz, sondern zugleich die Rechtsprechung dazu lesen. Deswegen ist es dumm zu sagen, was ich vereinzelt gehört habe, unser Gesetz sei länger als das alte Versammlungsrecht der Bundesebene, weshalb es komplizierter geworden sei. Mitnichten! Gerade weil es so viel Rechtsprechung gab, ist es notwendig, dass wir heute ein anwenderfreundliches und praxisgerechtes Gesetz erarbeiten, das etwas umfangreicher als das alte Bundesrecht ist, denn dadurch können es auch Laien und Anwender verstehen. Das ist für uns als FDP einer der Schwerpunkte.

Wir haben einen klaren strukturellen Aufbau des Gesetzes gewählt, den Versammlungsbegriff gesetzlich definiert, klare Regelungen zur Anzeige von Versammlungen unter freiem Himmel getroffen und eine Erleichterung von Versammlungen von bis zu 20 Personen geschaffen. Das ist für uns als FDP besonders wichtig. Herr Kollege Briese hat gesagt, dass dafür ein ellenlanger Katalog gefordert sei. Dazu muss man deutlich sagen, dass acht Punkte erfüllt werden müssen und für kleine Versammlungen bis zu 20 Teilnehmern nur vier Punkte erfüllt werden müssen. Diese Anzeige ist nicht an eine bestimmte Form gebunden, sondern sie kann auch telefonisch und damit sehr unbürokratisch bei der Versammlungsbehörde eingereicht

werden. Von daher meine ich, dass das durchaus praxisgerecht und anwenderfreundlich ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben die Verkürzbarkeit der Anzeige von Eilversammlungen und die Anzeigefreiheit von Spontanversammlungen gesetzlich verankert. Das war vorher nicht gegeben. Wir definieren außerdem, dass nur friedliche und waffenlose Versammlungen geschützt sind.

Der Kollege Krogmann hat angesprochen, dass die Frage unserer nationalsozialistischen Vergangenheit beim Versammlungsrecht in der Tat eine ganz besondere Rolle spielt. Wir haben versucht, uns bei der Formulierung Mühe zu geben. Ich meine, dass es gerade in dieser wichtigen Frage einen Konsens in diesem Hause geben sollte. In diesem Sinne sollten wir im Innenausschuss darauf hinarbeiten, dass wir an Orten und an Tagen, die an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnern, das Versammlungsrecht auch einschränken können. Ich meine, meine Damen und Herren, auch das muss eine Lehre aus unserer Geschichte sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber genau so ist es eine Lehre aus unserer Geschichte, dass wir die Bannmeile um unseren Landtag herum haben; denn die Geschichte hat uns gelehrt, dass die freie Ausübung des parlamentarischen Mandats eines Schutzes bedarf. Wir dürfen, obwohl wir heute in einer sehr stabilen Gesellschaft leben, nicht einfach die Augen davor verschließen, dass das Versammlungsrecht auch in schwierigen Zeiten greifen muss. Deswegen sagen wir als Freie Demokraten: Vor dem Hintergrund unserer Geschichte ist auf eine Bannmeile um den Niedersächsischen Landtag herum aus unserer Sicht nicht zu verzichten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abschließend zu den Bild- und Tonaufzeichnungen. Hierzu hat es bereits eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben. Wir haben uns auf die Position festgelegt, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat. Das haben wir in den Gesetzentwurf übergenommen. Deswegen gehen wir davon aus, dass das, was wir mit unserem Gesetzentwurf vorgelegt haben, verfassungskonform ist. Wir lassen keine verdeckten Aufzeichnungen zu. Das ist ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem, was in dem bayerischen Versammlungsrecht zunächst vorgesehen war und woran sich der eine oder andere orientieren wollte.

Ich glaube, dass wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der modern und anwenderfreundlich ist. Aus der Sicht der FDP-Fraktion trägt dieser Gesetzentwurf auch eine liberale Handschrift.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Oetjen. - Nun hat Herr Innenminister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Briese, ich gebe zu, dass ich zwei Mal auf Demonstrationen gesprochen habe.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Aha!)

Ich habe ein erstes Mal gesprochen, als es um die Bildungspolitik in diesem Hause gegangen ist. Damals hat Herr Schröder diese verantwortet. Dies war in der Turnhalle des Campe-Gymnasiums in Holzminden. Ich hatte den Eindruck, dass es notwendig war, dort zu sprechen.

(David McAllister [CDU]: Hört, hört!)

Ein weiteres Mal habe ich gesprochen, als die Kaserne in Stadtoldendorf geschlossen wurde. Damals wurde ich gebeten, dazu zu sprechen. Da die gesamte Region hinter der Bundeswehr stand, war es meines Erachtens sinnvoll, auch dort zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ein Niedersächsisches Versammlungsgesetz muss aus meiner Sicht zwei Dinge berücksichtigen, erstens den umfassenden Schutz friedlicher Versammlungen und zweitens das angemessene, aber entschlossene Abwehren unfriedlicher und gewalttätiger Aktionen. Diese Grundphilosophie sehe ich bei dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP als gegeben an.

Ich möchte mich darauf beschränken, drei aus meiner Sicht bedeutsame Neuregelungen zu benennen, da die anderen Punkte bereits ausführlich angesprochen worden sind.

Erstens. Die Gebote der Friedlichkeit und Waffenlosigkeit von Versammlungen werden strikt umgesetzt. Sie gelten ohne Einschränkung für öffentliche wie für nicht öffentliche Versammlungen. Insbesondere stellt der Gesetzentwurf klar, dass pseudomilitärische Aufmärsche mit einschüchtern

der Wirkung mit dem Friedlichkeitsgebot nicht in Einklang zu bringen sind. Im Zusammenhang mit dem Gebot der Friedlichkeit steht die Vorgabe, dass auch die Versammlungsleitung im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf einen friedlichen Verlauf der Versammlung hinzuwirken hat. Das ist meiner Ansicht nach ganz entscheidend.

Zweitens. Für rechtsextremistische Versammlungen werden ausdrückliche Verbots- und Beschränkungsmöglichkeiten eröffnet, wenn eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus zu befürchten ist. Insoweit werden Versammlungen erfasst, die an Tagen oder Orten stattfinden sollen, denen im Hinblick auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft ein hoher Symbolgehalt zukommt. Die Gesetzesbegründung enthält Beispiele für entsprechende Orte und Tage.

Ich halte es für richtig, im Gesetz keinen abschließenden Katalog aufzuführen. Es ist immer eine Wertung des Einzelfalls, inwieweit eine Versammlung an einem bestimmten Ort oder Tag eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer des Nationalsozialismus befürchten lässt. Dies wird durch die Fassung des vorliegenden Entwurfs deutlich gemacht. Außerdem setzt die Würde der Opfer des Nationalsozialismus eine Grenze für Inhalte von Versammlungen; denn Versammlungen, die eine Volksverhetzung zum Gegenstand haben, werden nicht geduldet. Auch das ist eine Selbstverständlichkeit.

Drittens. Die Regelungen zu den Bild- und Tonaufzeichnungen sind unter Beachtung der Versammlungsfreiheit auf das für die Polizei notwendige Maß begrenzt und zugleich gegenüber dem bisherigen Bundesgesetz deutlich präzisiert worden.

In der Gesamtbewertung bin ich der Überzeugung, dass der vorliegende Gesetzentwurf zum einen dem hohen Wert der Versammlungsfreiheit gerecht wird und zum anderen die richtige Grundlage schafft, um die aktuellen Herausforderungen beispielsweise durch extremistische Versammlungsgeschehen zu bewältigen.

Meine Damen und Herren, mit diesem zeitgemäßen und anwenderfreundlichen Gesetz verbessert sich die versammlungsrechtliche Situation in Niedersachsen maßgeblich. Dies gilt für die Versammlungsbehörden und für die Polizei und vor allem für alle, die friedliche Veranstaltungen veranstalten, leiten oder an ihnen teilnehmen wollen.

Es war richtig und notwendig, den Ländern die Zuständigkeit hierfür zuzuweisen. Dass wir jetzt einen Entwurf für ein modernes Gesetz beraten und verabschieden können, ist wichtig; denn das, was das Bundesverfassungsgericht seit 1953 immer wieder entschieden hat, ist nie in das Bundesgesetz eingeflossen. Insofern war es für Versammlungsanmelder fast überhaupt nicht möglich, die Rechtslage auf einen Blick zu erfassen. Mit diesem Gesetzentwurf ist dies gelungen. Insofern bin ich sicher, dass wir ein sehr gutes Versammlungsrecht für Niedersachsen beschließen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Ausschuss für Inneres, Sport und Integration mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. - Ich sehe und höre keine Gegenstimmen. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2069

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Fraktion DIE LINKE Frau König das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Feiertagsrecht ist Landesrecht. Es soll den Menschen in unserem Land die Möglichkeit geben, besondere Anlässe zu würdigen.

Bei genauer Betrachtung des Niedersächsischen Feiertagsgesetzes im Vergleich zu Regelungen in anderen Bundesländern fällt auf, dass Niedersachsen zu den Bundesländern mit wenigen Feiertagen gehört. Daher stellen sich folgende Fragen: Warum hat eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeit

nehmer in Niedersachsen weniger Anspruch auf einen gesetzlichen Feiertag als z. B. in NordrheinWestfalen? Gibt es in Niedersachsen keinen Anlass, besondere Tage im Jahr besonders zu würdigen? Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten in Niedersachsen die gleiche Arbeit wie in anderen Bundesländern und haben daher Anspruch auf Gleichbehandlung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vor allem aber besteht in Niedersachsen Anlass zur Würdigung und zum Feiern. 51 % der niedersächsischen Bevölkerung sind weiblichen Geschlechts. Frauen bilden nicht nur die Mehrheit, sie leisten auch jeden Tag mehr Arbeitsstunden als Männer. Sie leiden unter mehr Stress. Sie unterliegen einem höheren Armutsrisiko. Sie übernehmen mehr Verantwortung bei Erziehung und Betreuung.

Angesichts dieser fortbestehenden Gleichberechtigungsdefizite ist es von großer symbolischer Bedeutung, den Internationalen Frauentag am 8. März zum gesetzlichen Gedenk- und Feiertag zu erklären.