Wir haben den Menschen der Bürgerinitiative versprochen, das Problem zu lösen. Wir wollen es in der Zukunft mit ihnen transparent lösen. Dazu brauchen wir die Mithilfe aller Abgeordneten aller Fraktionen in diesem Hause. Nur wenn wir das haben, können wir auch dem Bund gegenüber deutlich machen, dass das für uns höchste Priorität hat.
In diesem Sinne bitte ich auch um die Unterstützung von einigen, die im Augenblick noch auf der anderen Seite immer wieder Konflikte hervorrufen wollen. Das werden Sie mit uns nicht erleben. Die Landesregierung steht an der Seite der Bundesregierung zur Lösung des Asse-Problems.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 1 a und 1 d ist damit abgeschlossen.
Nachhilfe für den Innenminister: Eine Bischöfin ist kein General und die Kanzel kein außenpolitischer Krisenstab - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2087
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Thema für die Aktuelle Stunde angemeldet, weil es uns darum geht, darüber zu diskutieren, wie ein Diskurs zu kritischen und kontroversen Themen bei uns in der Gesellschaft stattfinden kann. Lassen Sie mich gleich zu einer Bewertung kommen: Wir finden es unerträglich, wie Herr Schünemann mit einer berechtigten
Meinung der EKD-Ratsvorsitzenden und Landesbischöfin Dr. Käßmann zum Afghanistaneinsatz öffentlich umgeht.
Seine Kritik ist anmaßend und nicht hinnehmbar. Wir fragen uns, welches Gesellschaftsbild dieser Minister eigentlich hat, wenn er seine Worte ganz bewusst und mit Kalkül wählt, um eine kritische und nachdenkliche Predigt zu Neujahr maßregeln zu können.
Herr Innenminister, was berechtigt Sie, Frau Käßmann Naivität und Weltfremdheit vorzuwerfen? Woraus leiten Sie ab, sie falle den Soldaten in den Rücken, nimmt sie doch ausdrücklich auf die schwierige Lage der Soldaten und auf deren Risiko Bezug, dort ihr Leben aufs Spiel zu setzen?
(Christian Meyer [GRÜNE]: Wo ist der Ministerpräsident? - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Der kommt gleich angeflogen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen: Mein Problem ist nicht, dass man die Meinung von Frau Käßmann kritisch hinterfragt. Das tun auch andere. Wir kritisieren die Art und Weise, wie sich Herr Schünemann zum Richter aufschwingt.
Meine Damen und Herren, wer, wenn nicht die Kirche, wäre berufen, in der sensiblen Frage nach dem Für und Wider des Afghanistan-Einsatzes mahnende Worte zu finden? Herr Schünemann qualifiziert die Bischöfin nicht zum ersten Mal ab und fährt ihr über den Mund. Er setzt seine Kampagne fort, obwohl Ministerpräsident Wulff beim Neujahrsempfang in Loccum versucht hat, die Wogen zu glätten.
Lassen Sie mich ganz deutlich feststellen: Frau Käßmann fällt den Soldaten nicht in den Rücken. Das sage ich auch Herrn Robbe, Herrn Klose und Herrn Fücks.
gen veranlasst, besonders wütend macht, kann ich gut nachvollziehen. Sie sagte wörtlich bei Beckmann:
Aber tatsächlich erstaunt die Heftigkeit der Reaktionen, die gegenüber männlichen Kirchenvertretern wahrscheinlich weniger emotional ausgefallen wären.
Der unterschwellige Ton, von solchen Sachen verstünden Frauen nichts, war zuweilen nicht zu überhören. Man fragt sich, warum Herr Wulff den Minister nicht stoppt. Auch Walter Mixa, augsburgischer katholischer Militärbischof, hat seine Meinung über den deutschen Afghanistan-Einsatz zu Weihnachten wieder bekräftigt. Ich zitiere:
„So, wie die Situation sich jetzt zeigt, kann man nicht nur von einem Stabilisierungseinsatz sprechen. Die Verantwortlichen müssen die Frage klären, ob der Einsatz in Afghanistan noch gerechtfertigt ist.“
Zwei unterschiedliche Kirchenleute sind einer Meinung, und dann passiert etwas Merkwürdiges: Niemand kritisiert Bischof Mixa. Aber über die Bischöfin wird hergefallen, und Herr Schünemann wird seiner Rolle als Rechtsausleger der Union gerecht und zündelt weiter.
Er kritisiert auch Herrn Zollitsch nicht, den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der immerhin gesagt hat - ich zitiere -:
„Terrorismus und Krieg lassen sich durch soziale Gerechtigkeit und den Einsatz gegen Hunger besser bekämpfen als mit militärischen Mitteln.“
Wir fordern Sie auf, Herr Schünemann: Nehmen Sie Ihre unsäglichen Aussagen gegenüber Frau Dr. Käßmann zurück! Sie haben Ihre Rolle als harter Hund für die Öffentlichkeit nachhaltig unter
Beweis gestellt. Herr Minister, gerade unsere Kirche muss uns Fragen nach Wahrheit und Moral stellen dürfen. Dies kann unbequem sein. Die Kirchenvertreter müssen ihrerseits auch Kritik ertragen, gleichgültig ob sie Käßmann oder Mixa heißen. Wenn diese Kritik aber so unsymmetrisch ausfällt wie bei Ihnen, dann muss das sehr deutlich kritisiert werden.
Meine Damen und Herren, wenn sogar ein ausgewiesener Hardliner wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Innenminister Günther Beckstein zwar äußert, er habe sich an einigen Aussagen gestoßen, aber sagt, Gewissen zu schärfen und Krieg nicht einfach hinzunehmen seien die Aufgabe der Kirche, dann ist dem nichts weiter hinzuzufügen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter einer Predigt versteht man im allgemeinen Sinne die Verkündigung des christlichen Glaubens in Wort, Tat und Lebensführung und im speziellen Sinne eine Form christlicher Rede. Selten hat eine Predigt im politischen Raum eine so breite und aufgeregte Resonanz gefunden wie die der EKD-Ratsvorsitzenden am Neujahrstag in der Dresdner Frauenkirche. Gar nicht mehr einkriegen konnte sich der niedersächsische Innenminister Schünemann, der zunächst über den Boulevard und dann noch einmal über die FAZ an die Öffentlichkeit ging. Schünemann unterstellte dabei sogar, dass Käßmanns Kritik einem islamistischen Kalifat und dem al-Qaida-Netzwerk Auftrieb gebe.
Der Ministerpräsident äußerte sich deutlich klüger und differenzierter. Aber er hat es - wie wir sehen konnten - leider doch nicht geschafft, dass sein Innenminister mit seinen unsäglichen Anwürfen aufhört.
Ich bin der festen Überzeugung, meine Damen und Herren, dass es das wirklich gute Recht und in Wahrheit die Pflicht der Kirche ist, das Wort bei einem Thema zu ergreifen, bei dem es immer mehr Menschen immer unbehaglicher wird. Immer mehr Menschen zweifeln. Wie überzeugend sind eigentlich Werte, in deren Namen Menschen in Käfige gesperrt und gefoltert werden, in deren Namen eine große Zahl ziviler Opfer zu beklagen ist und es sogar geschieht, dass Hochzeiten und Trauerfeiern bombardiert werden? Wer die Verbrennung von mehr als 100 Menschen wochenlang als militärisch angemessen bezeichnet, verändert auch im eigenen Land die Einstellung zur Gewalt. Wenn inzwischen sogar von der Notwendigkeit zur - ich zitiere - „Vernichtung des Gegners“ gesprochen wird, müssen wir, glaube ich, alle aufhorchen. Ich erwarte, dass die Kirche sich zu diesen Fragen äußert.
Nach acht Jahren Krieg, ohne dass ein Ende absehbar ist, müssen Zweifel geäußert werden dürfen, muss man fragen dürfen, ob die gewählte Strategie erfolgreich ist oder ob mehr Fantasie für andere Lösungen nötig ist. Es ist unredlich, Herr Schünemann, sich dann hinzustellen und derjenigen, die diese Zweifel und dieses Unbehagen in Worte fasst, vorzuwerfen, sie lasse die Truppe im Stich, demoralisiere die Soldaten, und quasi eine neue Dolchstoßlegende aufzumachen. Diskutieren, Herr Schünemann, das wäre angesagt, aber nicht diskreditieren; differenzieren, Herr Schünemann, aber nicht polemisieren, wie Sie es tun.