Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel, Sie haben vorhin gesagt, wir hielten uns die Hintertür offen, um die Räumung doch noch zu verhindern. Nein, Herr Wenzel, es ist Herr König - er unterschreibt zwar nie gerne selber etwas -, der sich diese Hintertür offenhält. Die Asse-Einblicke werden vom BfS herausgegeben. Darin wird ganz deutlich, dass unvertretbar hohe Strahlenbelastungen, Standfestigkeitsstörungen und Wassereinbrüche möglich sind. Wollen Sie es dann so machen wie diejenigen, die für Asse verantwortlich sind? Wollen Sie dann sagen: „Augen zu und durch“, obwohl Sie es dann eigentlich besser wissen müssten? - Das geht mit uns mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mich fasziniert es immer wieder, wenn Herr Herzog hier sagt, was er alles nicht will. Das Material soll heraus. Ich sage es noch einmal: möglicherweise 100 000 m3. Wo soll es denn hin, wenn es nicht in Schacht Konrad soll? Wo soll es denn hin, wenn wir nicht mehr über Gorleben reden? Wollen Sie es bei sich zu Hause in die Garage packen, oder was haben Sie eigentlich vor?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So kann man doch keine Politik machen! An diesem Beispiel wird immer wieder deutlich, wie gut es ist, dass Sie in diesem Lande keine Verantwortung tragen.

(Detlef Tanke [SPD]: Erst einmal kein weiteres Material produzieren!)

- Herr Tanke, Sie können sich nachher noch melden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Bosse hat vorhin das große Loblied auf Herrn Gabriel gesungen.

(Detlef Tanke [SPD]: Zu Recht!)

Ich halte das für sehr unpassend angesichts dessen, was hier in den letzten Jahren abgelaufen ist. Ich sage Ihnen: Ich habe allergrößten Respekt vor den Bürgerinitiativen, die schon ganz früh vor den Problemen um Asse II gewarnt haben. Ich habe allergrößten Respekt vor diesen Menschen. Aber wenn irgendeine Partei meint, sie könne sich hier aus der Verantwortung stehlen, dann ist das nicht korrekt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Hamburger Abendblatt vom 16. Januar möchte ich zitieren:

„Das Drama der Asse ist die Geschichte von Politikern aller Parteien, die 40 Jahre weghörten, wann immer jemand warnte.“

Ja, auch wir tragen Verantwortung. Ich sage Ihnen eines ganz klar: Ich sitze seit 1986 mit einer kurzen Unterbrechung im Wolfenbütteler Kreistag. Auch ich habe natürlich in ganz kleinen Bereichen ein bisschen Verantwortung getragen, genauso wie der Landrat Ernst-Henning Jahn von der CDU, genauso wie der Landrat Helmuth Bosse von der SPD und genauso wie der Oberkreisdirektor Dr. Ernst-Hartmut Koneffke von der SPD - ehrenwerte Leute, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Es kann nicht sein, dass Sie nun an deren Ehre kratzen und behaupten, sie hätten sich weggeduckt. Wir haben heute andere Erkenntnisse. Ich denke, wir sollten alle so fair sein, diese Leute nicht noch nachträglich durch den Kakao zu ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, jetzt noch eines: Wir reden von Kosten zwischen 1,5 und 4 Milliarden Euro; das ist die Spanne der Vermutungen. Das ist eine Menge Geld. Wenn hier gesagt wird, die

Atomindustrie solle diesen „Dreck“ alleine beseitigen - Frau Emmerich-Kopatsch hat es noch einmal gesagt -, dann kann man wohl feststellen, dass man sich hier aus der Verantwortung stehlen will. Die Asse war nämlich über 40 Jahre lang Sache des Bundes. Wollen wir uns noch gegenseitig unsere Regierungszeiten vorhalten? - Es ist doch eine Lachnummer, wie Sie hier verfahren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Finanzierung ist Sache des Bundes. Der Bund ist unser Ansprechpartner. Ich halte es für vollkommen richtig und zweckmäßig - Röttgen hat es gesagt, Schavan hat es gesagt, und es wird auch so laufen -, dass auch die Energiewirtschaft zu den Kosten herangezogen wird. Das ist richtig, das ist zielführend.

Zur Finanzierung gehört auch - das will ich als Wolfenbütteler ganz klar sagen; darauf lege ich großen Wert -, dass für die Probleme, die wir im Landkreis in den nächsten Jahren, in den nächsten Jahrzehnten bekommen werden, entsprechende Entschädigungen gezahlt werden. Ich will das wirklich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen. Was Imageschäden angeht, was wirtschaftliche Schäden angeht, was Infrastruktur angeht, brauchen wir Unterstützung, übrigens bis hin zu - ich sage es ausdrücklich - vorbeugendem Katastrophenschutz, zur Ausstattung der Polizei und, und, und. All das ist wichtig. Darauf legen wir großen Wert.

Meine Damen und Herren, als Niedersachsen, als Wolfenbütteler, dürfen wir uns in dieser wichtigen Angelegenheit nicht auseinanderdividieren lassen. Es geht darum, gemeinsam Verantwortung zu tragen; denn es wird schwer genug.

(Victor Perli [LINKE]: Dann verhindern Sie Schacht Konrad!)

A heißt „aufpassen“, aber nicht „abschieben von Verantwortung“. A heißt vielleicht „anfangen“, aber es heißt nicht „mit dem Finger auf andere zeigen“. A heißt „arbeiten“ für die Sicherheit der Menschen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur noch zwei Bemerkungen. Herr Försterling, es

ist selbstverständlich, dass der Rechtsweg in jedem Fall offenstehen muss. Es muss aber auch jedem klar sein, dass man bei der Rückholung keinen Langzeitsicherheitsnachweis führen muss, wie man ihn für die Flutung bräuchte. Wir wissen auch, dass es sechs, acht oder zehn Jahre bis zu einem Langzeitsicherheitsnachweis dauern könnte und auch dieser Weg am Ende beklagbar wäre. Schon das macht deutlich, dass dies keine Alternative ist. Ich glaube, wir alle wollen und dürfen nicht in Kauf nehmen, dass am Ende der Notfallplan zum Zuge kommt und unter Ausschluss aller Rechtswege Fakten geschaffen werden. Ich glaube, das würde man niemandem hier im Haus durchgehen lassen. Deswegen müssen wir in dieser Frage mit hoher Konzentration auch immer gucken, wo wir an einem Strick ziehen müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt dem Kollege Bosse von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Eigentlich wollte ich es nicht, nun muss ich es aber doch tun. Lieber Kollege Oesterhelweg, ich sagte ganz deutlich: Niemand hat sich mit Ruhm bekleckert. - Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in unserem Wahlkreis hatten. Niemand kann leugnen, dass jahrzehntelang dafür gekämpft worden ist, die Asse nach Atomrecht zu schließen. Das ist unter dem Bundesumweltminister gelungen. Es ist gelungen, einen Betreiberwechsel zum Bundesamt für Strahlenschutz hinzubekommen, was schon sehr lange angestrebt worden war. Nun haben wir, was dem Wunsch der Bürgerinitiativen und letzten Endes auch aller Menschen vor Ort entspricht, die Rückholung. Innerhalb von zweieinhalb Jahren sind Entscheidungen gefallen, die in 20 oder gar 30 Jahren nicht gefallen sind. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei der SPD - Frank Oesterhelweg [CDU]: Auch als Sie re- giert haben!)

Jahrelang ist nichts, aber auch gar nichts getan worden.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Rot-Grün hat es nicht geschafft! - Glocke des Präsidenten)

An der Stelle sage ich auch ganz deutlich: CDU und FDP haben immer versucht, das Schließungskonzept der Rückholung nach Möglichkeit zu torpedieren. Ich habe vorhin nicht umsonst gesagt, dass in der Bundestagsfraktion der Satz „Klappe zu - Affe tot“ gefallen ist. Das ist mittlerweile drei Jahre her. Mittlerweile gab es bei Ihnen einen Stimmungswechsel. Das nehme ich zur Kenntnis.

Herr Kollege, ich darf Sie unterbrechen. Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, sonst passt es nicht mehr mit der Einteilung der Redezeiten für die Fraktionen.

Okay, ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir haben nur eine Möglichkeit, des Problems des Atommülls Herr zu werden: Wir müssen endlich aussteigen, meine Damen und meine Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Sander das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt die Entscheidung des Bundesumweltministeriums, die Rückholung als die wichtigste Option ernsthaft weiterzuverfolgen. Damit haben wir endlich eine Entscheidung, in welcher Richtung wir das Problem Asse lösen können. Insofern ist das eine richtige und richtungweisende Entscheidung.

Bei aller Euphorie, die wir haben, müssen wir aber auch weiterhin den Tatsachen ins Auge sehen. Deswegen bin ich froh, dass die drei Abgeordneten aus dem Wahlkreis Wolfenbüttel in ihren Eingangsstatements im Prinzip Gemeinsamkeit geübt haben; denn dieses Problem müssen wir gemeinsam lösen. Es hilft uns wenig, wenn wir uns alte Geschichten von Personen, die teilweise gar nicht mehr leben, um die Ohren hauen. Daher wird das MU als Genehmigungsbehörde - das kann ich Ihnen zusichern -, wenn ein Antrag vorliegt, alles genauestens und schnellstens prüfen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Wenzel, auch Sie kennen die Einlagerungspraxis und wissen, wie die Einlagerung seit 1967 in der Asse gehandhabt worden ist. Zuerst hat man die Fässer ordnungsgemäß übereinander gestapelt und dann die Kammern verschlossen. Die größten Probleme werden wir aber wahrscheinlich mit den Fässern bekommen, die später eingelagert worden sind. Sie alle kennen das Bild des Baggers, der die Fässer über die Kante kippt, die dann schichtenweise einbetoniert worden sind. Das wird das große Problem.

Herr Sailer, der auch im AKEnd mitgearbeitet hat, ist ja kein Unbekannter. Meines Erachtens ist er auch eine Vertrauensperson von Ihnen. Wenn es auch von dieser Seite Stimmen gibt, die uns auf Dinge hinweisen, die wir auf jeden Fall mit zu beachten haben, dann finde ich das richtig. Sie können es nicht wegwischen: Die Probleme sind vorhanden, auch in zeitlicher Hinsicht. Sie wissen, dass sich der Wasserzutritt jederzeit wieder erhöhen kann und wir daher den Zeitfaktor mit im Auge behalten müssen. Die zehn Jahre, die angenommen werden, um das Problem der Rückholung zu erledigen, sind eine sehr optimistische Annahme. 4,8 Minuten pro Fass - das ist eine tolle Rechnung, die dort aufgestellt wurde.

Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, ob es uns gelingt, die Abfälle zurückzuholen. Dazu brauchen wir einen Sicherheitsnachweis, Herr Kollege Wenzel. Das Wichtigste für die Landesregierung ist, dass wir uns nicht auf eine Rückholung einlassen können, wenn nicht klar ist, dass auch in fünf Jahren die Sicherheit sowohl für die Menschen, die dieses dort vollziehen müssen, als auch für die Menschen in der Region weiterhin gewährleistet ist. Sie müssen weiterhin vor Strahlung geschützt werden. Dies werden wir genauestens prüfen.

Am Anfang war es hier sehr sachlich und an der Sache orientiert. Ich hoffe, dass wir das auch weiterhin versuchen, weil wir das Ziel verfolgen wollen, diese Mülldeponie - in der heutigen Zeit könnte man sagen: diese illegale Mülldeponie - endlich ordnungsgemäß zu entsorgen. Wir als Landesregierung werden unseren Beitrag leisten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz zwei Sätze zur Finanzierung sagen. Das Problem muss gelöst werden. Dazu gehört auch eine ordnungsgemäße Finanzierung. Aber jetzt den ganzen Müll, die ganzen Vorwürfe aus der Vergangenheit wieder hervorzukramen, wer was bezahlen

soll, und zwar möglichst noch auf dem öffentlichen Markt, wird dabei nicht hilfreich sein.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Wo denn sonst?)