Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Schostok. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Hagenah. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was uns die FDP heute erzählt, ist an Ignoranz gegenüber den Menschen nicht zu überbieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Feinstaub, Herr Hocker, tötet nachweislich alljährlich Tausende von Menschen und macht noch viele mehr krank. Und das Umweltgift NO2, für das seit Januar dieses Jahres EU-weit endlich Grenzwerte einzuhalten sind, kommt, wie Sie wissen, zum überwiegenden Teil aus dem motorisierten Verkehr. Insofern ist der zufahrtsbeschränkte Bereich in Hannover nicht nur eine Umweltzone, sondern im eigentlichen Sinne eine Gesundheitszone.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wenn dazu irgendjemand ideologisch und nicht an der Sache orientiert argumentiert, dann sind das die FDP und ihr Umweltminister -

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Und die Grünen!)

nach Medienberichten ein umweltpolitischer Geisterfahrer, der sich seine angeblich lange abgewogene Fachmeinung ungeprüft aus veralteten Internetseiten des Bundes holen lässt.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Pein- lich, peinlich!)

Dreist stellt er sich damit gegen eine Entscheidung der dritten Gewalt, des Verwaltungsgerichts Hannover, zur Rechtsgültigkeit der Umweltzone Hannover. Die vom Gericht als nicht relevant für den Nutzen und die Rechtskonformität der Umweltzone ausführlich abgewogene Problematik der Euro-3Diesel-Kfz mit nachgerüstetem Oxidationskatalysator ist der Fachwelt und hoffentlich auch dem niedersächsischen Umweltministerium seit vielen Jahren bekannt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Dem Minis- ter aber nicht!)

Ebenso wie das Verwaltungsgericht hat deshalb auch der niedersächsische Umweltminister 2008 den vom Rat beschlossenen Luftreinhalteplan der Landeshauptstadt mit allen Teilregelungen zur Umweltzone und den anderen Vorgaben zur weiteren Schadstoffminderung durch Verkehrslenkung als Fachaufsicht akzeptiert. Das ist bei Ihnen im Hause längst durch, Herr Sander! Ohne Beanstandung wurde der Plan von Ihnen, Herr Minister, an die Bundesregierung und die EU als Teil der vom Land zu erfüllenden EU-Luftqualitätsrichtlinie weitergeleitet. Was soll das ganze Theater heute also?

Zusammen mit den übrigen Umweltministern der Bundesländer haben Sie auf der Umweltministerkonferenz im Juni 2009 - ich zitiere mit Erlaubnis

der Präsidentin - folgenden Beschluss festgehalten: Umweltzonen schaffen Anreize zur vorzeitigen Modernisierung der Fahrzeugflotte und zur vermehrten Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Partikelfiltern.

(Zurufe von den GRÜNEN: Aha!)

Die Flottenzusammensetzung ändert sich dadurch sehr viel früher und schneller in Richtung schadstoffärmerer Fahrzeuge. Damit nehmen auch die Schadstoffemissionen des Verkehrs früher und schneller ab. Daraus konnte eine Abnahme der Kfz-Auspuffemissionen von 24 % bei Partikeln und 14 % bei NOx ermittelt werden, Herr Minister. - Weiter heißt es: Befürchtungen, infolge der durch Umweltzonen vermehrt ausgelösten Nachrüstung könne es zu einer Zunahme der NO2-Belastung kommen, werden nach einer Bilanzrechnung auf Grundlage der Fahrzeugflottencharakteristik in Berlin nicht bestätigt. - Alles heiße Luft, was Sie hier erzählen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Sander, wenn Sie das NO2-Problem nun doch für so bedeutend halten, hätten Sie dazu vor Jahren intervenieren können und müssen. In der Summe bestand das Risiko der Zunahme von NO2 in Hannover - das müssten Sie mit Blick auf die Zulassungszahlen wissen - nur bei 0,88 % aller in der Region Hannover zugelassenen Fahrzeuge. Inzwischen haben fast alle betroffenen Betriebe und Privatpersonen in Hannover die Bundesförderung genutzt und ihre Fahrzeuge nachgerüstet oder Ausnahmegenehmigungen erwirkt. Ihnen bescheren Sie zusätzlich zu den Kosten und dem Aufwand ebenso wie der Landeshauptstadt mit der Rücknahme der Ausnahmegenehmigungen und dem Umstellen der Beschilderung nun auch noch Ärger, weil alles für die Katz war. Und warum? - Um die Interessen einiger weniger Autofahrer, die zu spät dran waren, oder eines kleinen Teils gelegentlicher Besucher zu wahren? Und dafür soll die Bevölkerung in Hannover zwei Jahre länger vermeidbare zusätzliche Gesundheitsrisiken erdulden? Was sind Sie für ein Umweltminister?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ihr Erlass ist ein Affront gegenüber den Menschen in der Stadt.

Herr Ministerpräsident Wulff, weisen Sie den Umweltminister an, diesen Unsinn schnellstmöglich zurückzunehmen, sonst werden auch Sie mit er

folgreichen Klagen von Bürgern vorgeführt, die zu ihrem gesundheitlichen Schutz auf den Vollzug der ursprünglichen Verordnung in Hannover drängen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön. - Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Toepffer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landeshauptstadt Hannover hat es sich zum Ziel gesetzt, beim Thema Umweltschutz ganz vorne mitzugehen. Dieses Ziel verdient in der Landespolitik, denke ich, durchaus Unterstützung. Man hat sich im Rathaus vieles einfallen lassen, um dieses Ziel voranzutreiben. An manches haben wir uns in Hannover schlichtweg gewöhnt. Bei anderen Sachen machen wir begeistert mit. Zu den Dingen, an die wir uns gewöhnt haben, gehört unsere Baumschutzsatzung, die 30 Jahre alt ist. Zu den Dingen, die wir begeistert mitmachen, gehört der autofreie Sonntag. Das ist ziemlich teuer, aber wir alle sind dabei. Dann gibt es Dinge wie den weitgehend salzfreien Winterdienst, von dessen Qualität Sie sich alle in den letzten Wochen überzeugen konnten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Lothar Koch [CDU]: Das kann man wohl sagen!)

Dann kam im Jahre 2007 die Diskussion über die Umweltzone. Auch hier hat Hannover die Entscheidung getroffen, wieder einmal voranzumarschieren - schnell und oftmals unüberlegt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ist das zu- fällig EU-Recht, Herr Toepffer?)

- Lieber Herr Wenzel, das war zwar keine Zwischenfrage, aber ich will trotzdem darauf eingehen. Das EU-Recht liefert uns eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Richtlinie umzusetzen. In Hannover hat man sich für die Umweltzone entschieden. Ich will Ihnen auch gleich sagen, wo dabei die Problematik liegt. Niemand in Hannover steigt durch die Vielzahl von Gutachten von Sachverständigen und anderen selbsternannten Weisen hindurch, die noch heute infrage stellen, ob diese Umweltzone wirklich etwas bringt. Ich sage Ihnen eines: Wenn man in dieser Stadt Umweltpolitik machen will,

dann machen die Hannoveraner begeistert mit. Aber man muss sie überzeugen und in der Sache deutlich machen, dass das funktioniert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Hannover hat das nicht so gut funktioniert, und es kam zum Chaos. Dann hat der Oberbürgermeister am letzten Freitag gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung diesen folgenschweren Satz mit Blick auf Herrn Sander gesagt: Der Minister hat das Chaos komplett gemacht.

(Zurufe von der SPD: Das stimmt! - Enno Hagenah [GRÜNE]: Es war vor- her schon Chaos!)

Diesen Satz muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Denn das heißt, dass schon vorher Chaos herrschte, das aber nicht Herr Sander produziert hat, lieber Herr Hagenah, sondern dieses Chaos hat Herr Weil selbst produziert.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben es eben zu Recht betont: Im Juli 2007 ist die Entscheidung über die Einführung der Umweltzone getroffen worden. 18 Monate später, im Mai/Juni 2009, ist eine umfassende Ausnahmeregelung beschlossen worden, die das erste Chaos hervorgerufen und dazu geführt hat, dass Ende dieses Jahres 5 000 unerledigte Ausnahmeanträge im Rathaus lagen. Niemand hat sich darauf vorbereitet, diese Anträge abzuarbeiten, auch Ihr Parteifreund Herr Mönninghoff nicht. Er hatte nur folgenden bemerkenswerten Satz für die Probleme der Bürger in dieser Stadt übrig, er sagte nämlich: Wer sich bis jetzt nicht gekümmert hat, dem ist nicht zu helfen. - Dabei wäre es seine Aufgabe gewesen, sich darum zu kümmern, dass diese Ausnahmeanträge abgearbeitet werden.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wir sind hier im Landtag!)

Die Menschen in Hannover wussten nicht mehr, wie sie sich verhalten sollen: Über meinen Ausnahmeantrag wurde nicht entschieden, darf ich nun in die Stadt oder nicht? - Wenn man zur Jahreswende versucht hat, die Stadtverwaltung zu erreichen, dann ist das nicht gelungen, weil die Telefonleitungen belegt waren. Und der Gipfel des Chaos entstand in dem Augenblick, als es darauf ankam, aus welcher Richtung man sich der Stadt näherte, ob man von Norden oder von Süden in die Stadt hineinfuhr. Die Schilder waren nämlich unterschiedlich. Mal durfte man mit gelber Plakette

in die Stadt und mal nicht. Die Stadt hat bemerkt, dass sie trotz ihres grandiosen Winterdienstes aufgrund der Schneehaufen nicht mehr in der Lage war, die Schilder umzustellen. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu diesem Zeitpunkt, meine Damen und Herren, lieber Kollege Schostok, Herr Bezirksvorsitzender, meldete sich der Landesvorsitzende der SPD in Niedersachsen in BILD Online und sagte: Die Erfinder der Umweltzonen haben bisher mehr für die Bürokratie als für den Klimaschutz getan. Leidtragende sind Pendler und kleine Betriebe. Schluss damit! - So der Landesvorsitzende der SPD. Und da hat er recht gehabt!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Hört, hört! - Christian Dürr [FDP]: Duin hat es verstanden!)

Nun hat der Landesvorsitzende der SPD natürlich ein Problem, weil er nicht sonderlich durchsetzungsstark ist, wie wir alle wissen. Deswegen haben die SPD in Hannover und auch Herr Schostok nicht auf ihn gehört. Dann kam unser Minister.

(Zurufe von der SPD: Ja, genau! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Lichtge- stalt!)

Er hat das Chaos nicht komplett gemacht, sondern er hat es beendet, Herr Jüttner.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Er hat dabei einen Fehler gemacht.

(Zuruf von der SPD: Nur einen? - Hei- ner Bartling [SPD]: Er macht nur Feh- ler!)