Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

netts in der Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, also das Artensterben bis 2010 zu stoppen, erreichen will. Der WWF hat Ihnen gerade vorgerechnet, dass diese Ziele gerade in Niedersachsen nicht erreicht werden. Da können Sie hier noch so viele Weiße Listen aufstellen, die Roten Listen bleiben viel zu lang.

Auch was die Ausweisung von Schutzgebieten angeht, hat Ihnen der BUND - das sind die Verbände, auf die man hören soll und deren Anregungen wir in unseren Entwurf eingearbeitet haben - gerade erst wieder vorgerechnet, dass insbesondere in Niedersachsen und in NRW die FFHGebietsausweisung - Natura 2010 - unzureichend läuft. Vor allem läuft auch die Umsetzung unzureichend. Kein anderes Land hat die Umweltverwaltung so ausgedünnt wie Niedersachsen. Deshalb setzen wir mit diesem Entwurf ganz klar etwas dagegen, damit es zu praktischem Naturschutz kommt und nicht nur zu Sonntagsreden.

Als Neuerung berücksichtigen wir etwas, was vorher für uns eigentlich selbstverständlich war, dass man nämlich in Naturschutzgebieten auf keinen Fall Gentechnik anwenden darf. Deshalb haben wir auch diesen Passus hineingenommen. Niedersachsen lässt als einziges Bundesland - sogar als einziges Land EU-weit - zu, dass in FFH-Gebieten giftiger Genmais angebaut wird, der nachweisbar die biologische Vielfalt schädigt, weil er eben auch für Schmetterlinge gefährlich ist. Das wollen wir durch die entsprechende Aussage klarstellen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie haben in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage selbst darauf hingewiesen, dass man über das Naturschutzgesetz klar ausschließen kann, dass Gentechnik in Naturschutzgebieten angewandt wird. Eben kam der Hinweis, das müsse man über EU-Recht regeln. Dann frage ich mich, warum die brandenburgische Landesregierung eine Verordnung erlassen hat, dass man giftigen Genmais nur im Abstand von mindestens 800 m zu bestehenden Naturschutzgebieten anbauen darf. Brandenburg hat dazu im letzten Jahr ein Gerichtsverfahren vor dem höchsten Gericht gewonnen, dass der Genmais, der dort im letzten Jahr in der Nähe eines Naturschutzgebietes - nicht einmal in einem Naturschutzgebiet, wie es in Niedersachsen geplant war -, untergepflügt werden musste. Wir haben also die Rechtsprechung auf unserer Seite.

Von daher freue ich mich schon auf die Beratungen im Ausschuss. Im Naturschutz ist einiges zu tun. Sie haben heute Morgen angekündigt, das

Umweltgesetzbuch eher zu torpedieren und dort zu Einschränkungen zu kommen. Deshalb ist es überfällig, dass wir in Niedersachsen zu einem Entwurf kommen, der wirkliche Fortschritte für die Natur beinhaltet, um die Ziele, die wir uns eigentlich gemeinsam setzen, tatsächlich umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Meyer. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Sander zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenwärtig wird auf Bundesebene zwischen den Regierungsfraktionen und zwischen den einzelnen Ressorts der Entwurf eines Umweltgesetzbuchs abgestimmt. Es ist richtig: Bei der Abstimmung gibt es erhebliche Schwierigkeiten. Aber der Bundesumweltminister hat uns gestern zugesagt, dass wir einen noch nicht vom Kabinett abgesegneten Entwurf Ende nächster Woche bekommen werden.

(Rolf Meyer [SPD]: Guter Mann!)

- Herr Kollege Meyer, das wollte ich nicht kommentieren; denn das steht mir nicht zu. Aber wir nehmen das zur Kenntnis.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Stimmt aber trotzdem!)

Das ist wichtig, weil das die Grundlage für das ist, was wir aus niedersächsischer Sicht erarbeiten müssen. Es macht, Herr Kollege Meyer, keinen Sinn, Ihnen jetzt einen umfangreichen Gesetzentwurf zuzuleiten, solange wir nicht wissen, was vom Bund im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übertragen wird und welche Möglichkeiten wir in der Abweichungsgesetzgebung haben werden. Das ist für uns im Prinzip dafür entscheidend, wie schnell wir zu einem neuen Niedersächsischen Naturschutzgesetz kommen.

Herr Kollege Dürr und auch Frau Kollegin Klopp haben einige Beispiele für Sachverhalte angesprochen, die unbedingt geregelt werden müssen und bei denen wir die Möglichkeiten für unser Land nutzen müssen. Gerade in dem ganzen Bereich der industriellen Entwicklung an der Küste besteht dringender Handlungsbedarf.

Für uns ist die Biodiversität keine Frage, die wir allein durch Gesetze regeln können, sondern wir müssen die Menschen davon überzeugen. Dazu brauchen Sie insbesondere die Menschen in der Fläche, die Nutzer, was ein ganz entscheidender Punkt ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Rakow, zu der Umweltnadel, was Sie so nett erzählt haben: Kommen Sie einmal mit mir zu Veranstaltungen! Dann werden Sie erleben, dass nicht nur ich mich darüber freue, wie nett die Menschen reagieren und wie gut sie die Arbeit der Regierung finden, sondern man merkt diese Freude einfach an der positiven Einstellung der Zuhörer. Ich finde das eigentlich überlegenswert: Wenn Sie in der Fläche, in den einzelnen Naturschutzorganisationen so richtig ehrenamtlich mitarbeiten - allerdings kann das erst nach Ihrem Ausscheiden aus dem Niedersächsischen Landtag erfolgen - und ich dann noch Minister sein sollte, dann werde ich auch Ihnen gerne die Umweltnadel verleihen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Rolf Meyer [SPD]: Das ist eher un- wahrscheinlich!)

- Was von beidem unwahrscheinlich ist, werden wir feststellen.

Meine Damen und Herren, es macht keinen Sinn, diesen Gesetzentwurf der Grünen hier zu beraten, solange wir von der Bundesebene noch nicht genau wissen, welche Möglichkeiten wir haben werden und welche Rahmengesetzgebung vom Bund weiterhin Gültigkeit haben wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Gesetzentwurf soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz überwiesen werden, mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden. Wer möchte dem zustimmen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über die Sonn- und Feiertagsregelung für Verkaufsstellen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/127

Zur Einbringung erteile ich Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Regierungsfraktionen vor gut einem Jahr als Freiheit verkaufen wollten, kommt mittlerweile als Zwang daher. Das neue niedersächsische Ladenöffnungsgesetz setzt Kommunen, Händler und Beschäftigte gleichermaßen unter Druck, sich dem grenzenlosen Konsumdiktat zu unterwerfen; denn inzwischen gilt nicht mehr: Wer will, kann seine Türen sonntags öffnen und verkaufen. - Nein, im Grunde gilt: Er muss öffnen und verkaufen, weil er sich sonst den vermeintlichen Regeln des Marktes in den Weg stellen würde.

Inzwischen hat ein Diskurswechsel stattgefunden. Städte und Gemeinden geraten zunehmend unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie für ihre Bürgerinnen und Bürger die Feiertagsruhe beibehalten wollen. So bemängelte jüngst der Niedersächsische Industrie- und Handelskammertag nach einer Umfrage unter Gemeinden und Städten, dass nur knapp die Hälfte aller berechtigten Orte von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Läden an 40 Sonn- und Feiertagen offen zu halten. Unverständlich sei es, wenn sich Gemeinden und Städte der Ausweitung der Öffnungszeiten verweigerten, obwohl sie die Grundlage dafür hätten.

Zur Erinnerung: Aufgrund der CDU/FDP-Gesetzesänderung ist jeder Ort dazu berechtigt, der auch nur eine Prise Historisches zu bieten hat. So hat es z. B. auch Wolfsburg geschafft, als Ausflugsort anerkannt zu werden. An mindestens 40 Sonn- und Feiertagen wird dort im Fabrikverkauf alles verramscht, was nicht niet- und nagelfest ist - auf Kosten des Umsatzes im Umland, zum Ärger der Kaufleute in den Innenstädten, auch derer, die in den direkt gegenüberliegenden Teilen der Stadt ihre Geschäfte haben und diese Möglichkeit nicht haben, und zum Leidwesen der Beschäftigten und

ihrer Familien, die in ihrer zerpflückten Freizeit kaum noch zueinander finden. Ich prophezeie Ihnen: Immer mehr Städte werden versuchen, sich als Ausflugsort anerkennen zu lassen. Das ist nicht so schwer, wie das Wirtschaftsministerium im Ausschuss vorstellte. Eine historische Sehenswürdigkeit, in der Regel 100 000 Tages- oder Übernachtungsgäste im Jahr, Parkplätze, ein touristisches Angebot, eine öffentliche Toilette - mehr braucht es nicht. Eine ganze Reihe von Städten in Niedersachsen erfüllt diese Anforderungen spielend. Nach den Diskussionen bei der Beratung dieses Gesetzes - wir haben darüber im Ausschuss diskutiert - musste Ihnen klar sein, dass es genau so kommen würde. Sie haben sehenden Auges zugestimmt.

Dabei rentiert sich dieser Dammbruch überhaupt nicht, auch wenn der Niedersächsische Industrie- und Handelskammertag uns dies glauben machen will. Deutlich mehr als die Hälfte der Kommunen mit exzessiven Öffnungszeiten gab an, dass sich die Öffnung am Sonntag nicht auf die Gästezahlen ausgewirkt habe. Das bedeutet, dass sich bei gleichbleibendem Umsatz die Kosten für die Händler erhöhten, weil die zusätzlichen Personalkosten an Sonn- und Feiertagen natürlich zu Buche geschlagen haben. Rational ist damit nicht zu erfassen, weswegen für die Aushebelung verfassungsrechtlicher Bestimmungen so aggressiv geworben wurde und wird. Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten ist offenbar rein ideologischer Selbstzweck gewesen.

Nicht jeder Wachstumsgläubige will wahrhaben, dass der Konsum in Deutschland offenbar langsam an seine Grenzen kommt bzw. schon gekommen ist. In den vergangenen 13 Jahren hat die Verkaufsfläche massiv zugenommen. Laut Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hat sie um rund die Hälfte zugenommen. Trotz dieser Angebotsfülle und trotz gigantischer Einkaufsflächen von mehr als 120 Millionen m² bundesweit und der faktisch abgeschafften Ladenschlusszeiten kaufen die Menschen nicht mehr ein. Im Gegenteil: Viele Jahre hindurch beklagte der HDE jährlich Milliarden Umsatzeinbußen. Auch der Aufschwung brachte nicht das erhoffte Geschäft. Das mag u. a. an den gesunkenen Nettolöhnen liegen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fand heraus, dass in Deutschland die Mittelschicht binnen sechs Jahren um 5 Millionen Menschen, d. h. um mehr als 10 %, geschrumpft ist.

Zudem sind immer mehr Menschen in die armutsgefährdete Schicht abgerutscht. Jeder Vierte ver

diente 2006 weniger als 70 % des Durchschnittseinkommens. Auch ein ALG-II-Empfänger mit 347 Euro an monatlichem Einkommen leidet weniger an dem Problem, wann und wo er sein Geld ausgibt, sondern vielmehr daran, dass er überhaupt kein Geld zum Ausgeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wofür also riskieren die Regierungsfraktionen den Verfassungsbruch und opfern den Ladenschluss und die Sonntagsruhe? Für die Ideologie? Für den kleinen Koalitionspartner? - Wir können allerdings beobachten, dass auch den Abgeordneten der CDU der Spagat immer schwerer fällt. Das bekam in den vergangenen Monaten nicht nur die Kollegin Heidemarie Mundlos zu spüren. Braunschweiger Händler und Beschäftigte forderten von ihr, die Wettbewerbsverzerrungen zu korrigieren, die das Gesetz ausgelöst hat. Seit nämlich Wolfsburg an sieben Tagen von morgens bis abends verkaufen kann, sind Braunschweiger Arbeitsplätze und Geschäfte zunehmend existenziell bedroht. Nicht nur die direkt Betroffenen haben kein Verständnis für den Marktradikalismus der CDU. Christlich-demokratischen Wählern ist nur schwer oder vielleicht auch gar nicht zu vermitteln, dass ihre Vertretung im Parlament die Sonn- und Feiertagsruhe nahezu abgeschafft hat, allen eindringlichen Mahnungen der Kirchen zum Trotz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte wenigstens zur Kenntnis, dass ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger den hohen Preis für das Rundumshopping nicht zahlen will. Ob kommunale Spitzenverbände, mittlere und kleine Händler oder die Beschäftigten - sie alle laufend zunehmend Sturm gegen die Ausweitung der Öffnungszeiten am Sonntag. Die gerade eingereichten Verfassungsbeschwerden der Betriebsräte bilden dabei nur die Spitze des berechtigten Unmutes. Die Beschäftigten - meist sind es Frauen - zahlen am Ende die Zeche für Ihr Gesetz - mit ungünstigen Arbeitszeiten ohne Zuschläge am Abend, mit Problemen, nach der Arbeit nach Hause zu kommen, und mit dem Problem, dass sie nicht wissen, wie sie abends ihre Kinder betreuen sollen. 70 % der Angestellten im Einzelhandel sind Frauen, viele von ihnen sind alleinerziehend.

Wir haben recht behalten: Dieses Gesetz ist frauen- und familienfeindlich. Es benachteiligt den

innerstädtischen Einzelhandel. Es muss deshalb dringend geändert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es steht noch ein Problem im Raum. Die potenziellen Betreiber eines Factory-Outlet-Centers in der Lüneburger Heide rechnen fest damit, an mindestens 40 Sonntagen im Jahr öffnen zu dürfen. Man muss befürchten, dass dem Standort unmittelbar nach Errichtung eines FOCs der Status eines Ausflugsortes zustehen wird, wodurch die ohnehin schon innenstadtschädlichen Auswirkungen deutlich zulasten des innerstädtischen Einzelhandels verstärkt würden. Wollen Sie das wirklich? - Eigentlich können Sie das nicht wollen.

Unsere Bedenken und die Warnungen von Experten haben sich leider bestätigt. Deswegen fordern wir Grünen hier und heute eine Korrektur dieses Gesetzes. Wenn Schmuck und Bekleidung an Sonntagen nicht länger zum Verkauf angeboten würden, könnten die gröbsten Wettbewerbsverzerrungen zurückgenommen werden. Die Rückführung auf die vor der Änderung geltenden Sortimente würde den Bedürfnissen Reisender Rechnung tragen, sich am Sonntag mit dem Notwendigsten versorgen zu können. Ohne den Verkauf von Kleidung und Schmuck würde sich eine Öffnung am Sonntag insbesondere für große Center nicht mehr lohnen.

Der Mensch und seine Bedürfnisse sollen im Mittelpunkt der Politik stehen. Das beinhaltet nach meiner festen Überzeugung nicht das Postulat freien Kaufens, wie die Freien Demokraten es hier immer behauptet haben. Wir Grüne wollen den Ladenschluss so gestalten, dass der Sonntag ein gemeinsamer Ruhetag für Familien bleibt. Das haben insbesondere auch die Kirchen immer wieder gefordert. Aber auch viele Verbände, der Städtetag und der Handelsverband Niedersachsen mahnen Sie zum Handeln. Stellen Sie sich endlich Ihrer Verantwortung!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Helmhold. - Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Mundlos zu Wort gemeldet. Bitte schön!