Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Vorher hat man Wolfsburg immer vorgeworfen, von VW abhängig und eine Satellitenstadt zu sein. Dort wurden dann viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist gut für die Menschen in dieser Region.

Frau Helmhold, Sie haben gesagt, in den DOW werde an mindestens 40 Sonntagen alles verramscht, was geht. - Sie müssten wissen, dass das Gesetz ganz anders lautet.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Man darf höchstens 40 Sonntage nutzen. Es werden aber nur zehn genutzt. Außerdem ist der Warenkorb am Sonntag eingeschränkt. „Alles, was geht“ kann man also schon gar nicht sagen.

Wolfsburg hat wie alle Ausflugsorte bis 2010 Bestandsschutz.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt zu den Ausflugsorten generell: Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern, wo wir auch immer hinschauen müssen, eine Diskussion über eine Erweiterung. Dort stellt sich die Situation jetzt so dar, dass alle Innenstädte Ausflugsort sind. Natürlich will ich nicht sagen, dass wir so etwas hier brauchen. Aber wir müssen immer auf die Konkurrenz achten, mit der z. B. unsere Nordseebäder zu tun haben.

Noch etwas: In Niedersachsen gibt es zurzeit nicht etwa 101 Ausflugsorte, sondern nur 58. Es gab zum Zeitpunkt der Gesetzgebung 101 Ausflugsorte: 86 anerkannte und 15 vorläufig anerkannte. 43 davon sind inzwischen Kur- und Erholungsorte geworden, sodass es jetzt nur 58 Ausflugsorte sind. Und - jetzt bitte ich Sie genau zuzuhören -: Das Schreckgespenst der flächenweiten Ausuferung ist doch überhaupt nicht da. Es gab seitdem nur fünf Anträge auf Zertifizierung als Ausflugsort. Zwei Anträge hatten eine Rezertifizierung zum Gegenstand, zwei Städte - nämlich Braunschweig und Wolfenbüttel - lassen ihren Antrag ruhen, und nur ein neuer Ausflugsort ist dazugekommen, nämlich Emsbüren. Ich weiß daher gar nicht, worin diese angebliche Ausuferung besteht.

Trotzdem ist es natürlich wichtig, jetzt zu sehen, wo es Probleme gibt. Probleme gibt es in Braunschweig mit Wolfsburg; das ist klar geworden. Natürlich haben auch uns alle Schreiben der Handelsverbände und von Kommunen erreicht. Wir nehmen diese Schreiben sehr ernst und wollen darauf reagieren. Auch die FDP in Braunschweig hat sich geäußert. Sie meint, man brauche vor allem eine Regelung in Bezug auf die Ausflugsorte. Wir brauchen aber keine Gesetzesänderung, sondern eine Präzisierung dessen, was Ausflugsort sein kann und was nicht.

(Beifall bei der CDU)

Da kann auch berücksichtigt sein, wann wie lange eingekauft werden kann.

Jetzt noch zum Gesetzentwurf der Grünen. Dieser Gesetzentwurf geht nun wirklich an der Realität vorbei. Zunächst ist in der Begründung vieles falsch. Ich sagte schon, dass es nicht 101 Ausflugsorte sind. Außerdem ist der Sonntagsschutz keineswegs abgeschafft worden. Ich habe schon dargelegt, dass das nicht der Fall ist. Sie vollführen einen Rückfall in einen alten Begriffswirrwar. Wir

haben die Grauzonen, die vorher bestanden, doch gerade aufhoben. Sie sprechen jetzt von ortsüblichen Produkten. Wie verhält es sich denn mit einem Seglerpullover oder mit einem blaugestreiften Fischerhemd? - Das ist ein ortsübliches Produkt und Bekleidung. Wie verhält es sich mit Bernsteinprodukten? - Das ist Schmuck und wird als ortstypisches Produkt an der Küste sehr viel verkauft. Darf so etwas zugelassen werden und anderes nicht? - Ich meine, dass wir diese Frage gerade geklärt haben. Wir wollen nicht die Rolle rückwärts vollführen und in alte Zeiten zurückfallen.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend stelle ich fest - es ist zwar schade, aber es ist so -: Die Grünen haben ganz offensichtlich überhaupt kein Herz für die Nordseeküste; denn sonst würden sie nicht so argumentieren, wie sie es getan haben. Wenn Sie sagen, dass wieder zum alten Gesetz zurückgekehrt werden soll, dann verkennen sie, dass Nordseebäder und Kurorte generell gar nicht die Möglichkeiten haben, wettbewerblich genauso tätig zu sein wie andere Orte, weil sie als Kurort und Erholungsort wirtschaftlich eingeschränkt sind. Ich halte es für grob fahrlässig, in diesem Fall der Nordseeküste den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bitte Sie - wir werden es tun -, den Gesetzentwurf der Grünen abzulehnen. Die FDP ist dafür, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Sie steht aber auch für einen fairen und transparenten Wettbewerb. Wir werden einvernehmlich - Sozialministerium und Wirtschaftsministerium sowie CDU und FDP - eine Regelung für die Anerkennung der Ausflugsorte schaffen, die der augenblicklichen Situation angepasst ist, und im Sinne der Menschen in Niedersachsen das machen, was zu machen ist. Wir brauchen aber keine Gesetzesänderung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt zwei Kurzinterventionen. Zunächst Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Zimmermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Meißner sprach eben den Ausflugsort Wolfsburg an. Sie sagte, da gebe es die Autostadt, und es sei so schön, dorthin Ausflüge zu machen.

(Ingrid Klopp [CDU]: Das ist doch auch so!)

Frau Mundlos allerdings sagte, dass man, wenn man von einem Ausflugsort sprechen wolle, auch von geschichtlichen Aspekten ausgehen müsse. - Wolfsburg besteht in diesem Jahr gerade einmal 70 Jahre und ist als Stadt des KdF-Wagens entstanden. Ich weiß nicht, ob das ein geschichtlicher Hintergrund ist, der geeignet ist, aus einer Stadt einen Ausflugsort zu machen.

Des Weiteren möchte ich zu Ihnen, Frau Meißner, Folgendes sagen: Sie haben in Ihrer Rede gesagt, wir brauchten nicht überall Zwang. Wenn Sie dieser Meinung sind, dann schlage ich vor: Wir schaffen die allgemeine Schulpflicht ab und machen die Freiheit zur Dummheit frei!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die nächste Kurzintervention erteile ich Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, Sie haben sehr lange gesagt, was Sie alles wollen, warum alles gut ist und dass im Grunde genommen schon alles prima ist. Sie wollten Shopping ohne Grenzen. Sie reden sehr viel von Konkurrenz und Wettbewerb. Ich frage mich nur, wie sich dann erklärt, dass offensichtlich die Hütte brennt, weshalb wir einen Brief nach dem anderen bekommen, in denen wir aufgefordert werden, exakt das zu tun, was wir Ihnen hier vorschlagen, nämlich Bekleidung und Schmuck aus diesem Sortiment zu nehmen.

Sie haben diese Dinge als Waren des täglichen Bedarfs deklariert, d. h. der Einkaräter ist jetzt sozusagen ein Mitnehmartikel geworden. Alles andere, was Sie angesprochen haben, kann man regeln. Die Bernsteinkette kann ein Souvenir aus einem Ort sein; darüber kann man sprechen. Aber Sie müssen doch einmal grundsätzlich anerkennen, dass es durch die Ausflugsorteregelung zu extremen Wettbewerbsverzerrungen gekommen ist. Das war Ihnen übrigens vorher klar, und Sie haben sie trotzdem auf den Weg gebracht.

Ich finde, dass Sie jetzt zusehen müssen, wie Sie da sauber herauskommen. Wir haben Ihnen ein gutes Angebot gemacht. Dieses Angebot ist de

ckungsgleich mit dem, was die Betroffenen und alle diejenigen fordern, die an dieser Stelle etwas zu sagen haben. Deshalb bin ich sehr gespannt auf die Ausschussberatungen und auf Ihren Vorschlag. Ich meine, er kann sich nicht so weit von dem unterscheiden, was wir an dieser Stelle wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Meißner bittet um die Antwortmöglichkeit. Ich erteile ihr das Wort.

Zunächst zu der Kollegin Zimmermann: Ausflugsorte müssen nicht zwangsläufig etwas Historisches beinhalten. Es kann genauso gut ein besonderes touristisches Highlight sein. So lautet bislang die Regelung; danach wurde verfahren. Es kann auch etwas sein, was mit Sport und Kultur zu tun hat. Von daher ist es durchaus richtig, dass Wolfsburg den Zuschlag bekommen hat.

(Beifall bei der FDP)

Nun zu Ihnen, Frau Helmhold. Ich weiß gar nicht, woran Sie sehen, dass die Hütte brennt. Natürlich gibt es in Braunschweig Probleme; das habe ich auch angesprochen. Aber was sagen Sie denn dazu, dass 93 % der Menschen in Niedersachsen mit dem, was im Moment geschieht, absolut zufrieden sind?

(Beifall bei der FDP)

Es wird auch gar nicht rund um die Uhr geshoppt. Von der Möglichkeit, sechsmal 24 Stunden die Geschäfte zu öffnen, wird ja gar nicht Gebrauch gemacht. Die Menschen wollten die Möglichkeit, sich frei entscheiden zu können. Diese Möglichkeit haben sie jetzt. Diesem Wunsch haben wir entsprochen.

(Beifall bei der FDP)

Abschließend: Sie haben gesagt, Ihr Gesetzentwurf entspreche dem, was die Betroffenen wollten. Das ist aber überhaupt nicht wahr. Einige sprechen nur davon, dass es eine Regelung in Bezug auf die Anerkennung der Ausflugsorte geben müsse, sagen aber nichts davon, dass sie das alte Gesetz wiederhaben wollten und wir die Regelung über die Kur- und Erholungsorte ebenfalls ändern müssten. Wir entsprechen dem, was erforderlich ist, werden die Ausflugsortedefinition überdenken und

in den Richtlinien dazu Bestimmungen finden. Alles andere ist überhaupt nicht erforderlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als nächster Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich Herr Möhle von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Möhle, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der grundgesetzlich geforderte Schutz der Sonn- und Feiertage findet gerade noch auf dem Papier statt. Das ohnehin von Ausnahmeregelungen völlig durchlöcherte Gesetz über die Ladenöffnungszeiten wird durch die Anerkennung von Ausflugsorten und die damit verbundenen erweiterten Öffnungszeiten zusätzlich torpediert.

(Beifall bei der SPD)

Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, dürfen in diesen anerkannten Sonderzonen Sortimente angeboten werden, die mit Tourismus auch im weitesten Sinne nichts zu tun haben. Innenstadtrelevante Sortimente wie Bekleidung und Schmuck haben mit einem typischen, einen Ausflugsort kennzeichnenden Angebot nicht das Geringste zu tun. Frau Meißner, wir unterscheiden schon zwischen Kur- und Bäderorten sowie Ausflugsorten.

Was macht es eigentlich für einen Sinn, wenn ein Designer-Outlet-Center in einer anerkannten Sonderzone an 40 Sonntagen pro Jahr öffnen und sein Angebot an Kleidung und Schmuck anbieten darf und dem Mitbewerber ein paar Meter weiter diese Möglichkeit verwehrt bleibt und er nur noch zuschauen kann? - Die Folge ist eine massive Wettbewerbsverzerrung schon innerhalb eines Ortes, von den Schäden für die Umlandkommunen ganz schweigen.

Sehr geehrte Damen und Herren, in meiner Heimatstadt Peine produzieren wir nicht nur Stahl, Härke-Bier und Schokolade

(Björn Thümler [CDU]: Lecker!)

- sehr lecker! -, wir verfügen derzeit auch noch über eine durchaus funktionierende Einzelhandelsstruktur, gerade in der Innenstadt. Man hat in der Vergangenheit sehr viel Wert darauf gelegt, innenstadtrelevante Sortimente auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt nicht zuzulassen.

Eine vernünftige Kaufkraftbindung, Investitionen im Innenstadtbereich und in der Anzahl noch vertretbare Leerstände in der Fußgängerzone geben dem Einzelhandel noch Entwicklungspotenzial sowie den Einwohnern die Möglichkeit, vor Ort ein vernünftiges Sortiment vorzufinden.

Wenn jetzt nach Wolfsburg, Braunschweig, vielleicht auch Bispingen oder Soltau, wo die potenziellen Betreiber eines FOC davon ausgehen, auch 40 Sonntage im Jahr öffnen zu können, auch noch Celle und Lüneburg anerkannte Ausflugsorte werden sollen, dann gehen in den Innenstädten von Helmstedt, Peine, Gifhorn - um nur einige zu nennen - die Lichter aus.