Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Wenn jetzt nach Wolfsburg, Braunschweig, vielleicht auch Bispingen oder Soltau, wo die potenziellen Betreiber eines FOC davon ausgehen, auch 40 Sonntage im Jahr öffnen zu können, auch noch Celle und Lüneburg anerkannte Ausflugsorte werden sollen, dann gehen in den Innenstädten von Helmstedt, Peine, Gifhorn - um nur einige zu nennen - die Lichter aus.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Leute kaufen nun mal nicht mehr Hosen oder Armbanduhren, weil sie vielleicht am Sonntag zusätzlich die Zeit dazu haben.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Wenn der Bedarf gedeckt ist, meine Damen und Herren, dann ist oftmals auch das Budget aufgebraucht. Und wenn schon Bekleidung und Schmuck angeboten werden dürfen: Wer soll und kann dafür sorgen, dass nicht nach und nach immer mehr Sortimente wie Glas oder Porzellan oder auch Sportartikel angeboten werden?

Meine Damen und Herren, das Angebot von Bekleidung und Schmuck innerhalb des Sonntagsverkaufs hat mit Tourismus nichts zu tun und gehört dementsprechend aus dem Gesetz über die Ladenöffnungszeiten komplett gestrichen.

Wirklich sinnvoll wäre es allerdings, dem DOC in Wolfsburg ausschließlich die ursprünglichen vier verkaufsoffenen Sonntage zu belassen, wie von Kirchen, Einzelhandelsverbänden, Gewerkschaften und der SPD immer gefordert und übrigens von der Stadt Wolfsburg dem Zweckverband Großraum Braunschweig gegenüber auch ausdrücklich zugesagt, damit sich auch im Einzelhandel die Beschäftigten sonntags ausruhen können und damit der Sonntagsschutz mehr ist als eine Worthülse.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Auch hier liegen zwei Meldungen zur Kurzintervention vor. Zunächst hat Frau Jahns von der CDUFraktion das Wort.

Herr Kollege, ich hätte gerne gewusst, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass sich das DOW in Wolfsburg eine Art Selbstbeschränkung auferlegt hat und keineswegs vorgehabt hat, 40 Sonntage zu öffnen, sondern nur 10 Sonntage. Ich denke, das muss hier noch einmal erwähnt werden, weil hier ja ständig behauptet wird, dass es 40 Sonntage geöffnet habe. Aber das ist natürlich nicht der Fall.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber es könnte so sein! - Zurufe von der SPD)

Als Nächster hat für eine Kurzintervention Herr Dr. Sohn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem christlich orientierten Teil des Hauses empfehle ich, sich der biblischen Weisheit zu bedienen: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Eine Frucht der gegenwärtigen Gesetzeslage ist, dass eine Reihe von inhabergestützten Geschäften darunter leidet, dass Sie die Tore so öffnen, dass sie in dieser Konkurrenz hinten herunterfallen, und zwar immer stärker bis dahin - wie es Herr Möhle soeben richtig sagte -, dass bei ihnen in dieser Konkurrenzsituation die Lichter auszugehen drohen.

Frau Meißner, nehmen Sie dann vielleicht zur Kenntnis, dass ein innerer Zusammenhang dazwischen besteht, ob man als Familienbetrieb in der Lage ist, 7 Tage 24 Stunden geöffnet zu haben, oder nicht. Das sind die Realität und das Ergebnis Ihrer Gesetzgebung.

Wenn Sie schon nicht auf die Kirche hören und auf uns ja sowieso nicht hören, dann hören Sie doch wenigstens auf die Industrie- und Handelskammer, die Ihnen geschrieben und Sie gebeten hat, dass Sie bitte schön unverzüglich handeln. „Unverzüglich“ heißt nicht, das auf die lange Bank zu schieben,

(Beifall bei der LINKEN)

erst einmal den vernünftigen Antrag abzulehnen und dann zu sehen, ob man nicht irgendwann von der Regierung - nach dem Prinzip der verordneten Langsamkeit als Regierungsprinzip - dazu kommt, etwas zu ändern. „Unverzüglich“ heißt unverzüglich - IHK Braunschweig.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Sohn, „unverzüglich“ heißt unverzüglich, aber es heißt auch Kurzintervention nur auf die Redner davor, in diesem Fall nicht auf Frau Meißner. Ihr Beitrag galt ja Frau Meißner.

(Wilhelm Hogrefe [CDU]: Und keine Belehrung von Atheisten! - Zurufe)

Wir haben eine weitere Kurzintervention von Frau Meißner von der FDP-Fraktion.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Die Grünen reden ja auch über Wirtschaft!)

Frau Meißner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kenne leider noch nicht den Namen des Kollegen von der SPD.

(Zurufe von der SPD: Möhle!)

- Herr Möhle. Gut. - Herr Möhle, Sie hatten ja Ihre Rede geschrieben, bevor Sie uns, Frau Mundlos und mich, gehört haben. Sonst hätten Sie das vielleicht geändert. Es ist nämlich tatsächlich so: Wir hatten ja angekündigt, dass wir eine Ausflugsortregelung schnell vornehmen werden. Von daher ist eine Ausuferung überhaupt nicht möglich.

Sie haben außerdem gesagt, nach und nach werde mit Sicherheit noch mehr verkauft als das, was jetzt im Warenkorb ist. - Das wissen Sie vielleicht auch nicht: Das geht gar nicht. Dazu müssten wir das Gesetz ändern. Aber weil wir das Gesetz nicht ändern, ist das ausgeschlossen.

Jetzt, da sich Herr Dr. Sohn an mich gewendet hat, wende ich mich an den Kollegen Möhle, der auch vom Sonntagsschutz gesprochen hat: Wenn Sie vielleicht meinen, die FDP sei nicht für die Kirche, kann ich hinzufügen, dass ich Vorsitzende unseres Kirchenvorstandes bin und mich auch bei der Diskussion über die Ladenöffnungszeiten sehr dafür eingesetzt habe, dass der Sonntagsschutz, der bei

uns kulturell einen hohen Stellenwert hat, eingehalten wird.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr gut! Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!)

Vielen Dank. - Es liegt mir jetzt die Wortmeldung von Frau Ministerin Ross-Luttmann vor. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Es müss- te sich doch eigentlich Herr Hirche äußern! - Gegenruf von der SPD: Ja, aber der macht sonntags Dienst! - Heiterkeit)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Niedersächsische Gesetz über die Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten ist seit dem 1. April 2007 in Kraft. Bereits die Gesetzesberatungen haben eines ganz deutlich gemacht: Vom Ladenöffnungsgesetz werden viele Bereiche des täglichen Lebens berührt.

So hat, meine Damen und Herren, während der Gesetzesberatung die Frage, wie der verfassungsrechtliche Sonn- und Feiertagsschutz gesichert werden kann, zu Recht breiten Raum eingenommen. Aber auch die Abwägung verschiedenster Interessen, wie z. B. der Schutz der Familien, der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wirtschaftliche Interessen, besondere örtliche Belange und regionale Interessen - um nur einige zu nennen -, war Gegenstand vielfältiger Überlegungen. Dabei spielte beispielsweise auch die Frage eine Rolle, wie die Wettbewerbsfähigkeit niedersächsischer Ausflugsorte gegenüber Orten in Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern gewährleistet werden kann.

Meine Damen und Herren, um ebendiese Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, ist in der sogenannten Bäderregelung der Warenkorb um Bekleidung und Schmuck erweitert worden. Hiervon profitieren auch die Ausflugsorte.

Von den niedersächsischen Küstenbadeorten wurde und wird die erfolgte Erweiterung des Warenkorbes begrüßt. Sie sind nunmehr besser gegen die Konkurrenz aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aufgestellt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Absatz- spirale!)

Meine Damen und Herren, inzwischen liegen erste Erfahrungen mit den neuen Öffnungsmöglichkeiten vor.

Um das Thema zu versachlichen, möchte ich gerne zu zwei Aspekten Stellung beziehen; denn diese scheinen mir in diesem Zusammenhang ganz wichtig zu sein.

Eine inflationäre Entwicklung bei der Anerkennung der Ausflugsorte hat es nicht gegeben.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Seit Inkrafttreten des Ladenöffnungsgesetzes ist es bisher zur Neuanerkennung eines Ortes gekommen.

Zweitens. Bei einer Befragung durch die niedersächsischen Industrie- und Handelskammern vom April 2008 hat die große Mehrheit der Befragten angegeben, dass die Sonntagsöffnung nicht zu Problemen oder Auseinandersetzungen geführt hat. Nur 7 % der Orte mit Sonntagsöffnung haben über Konflikte mit benachbarten Kommunen oder nicht zur Öffnung berechtigten Händlern berichtet.

Die Befragung durch die IHK hat auch Folgendes ergeben: Die zulässige Gesamtöffnungszeit wird nicht überall voll ausgeschöpft. Nur in 47 % der die Sonntagsöffnung nutzenden Orte werden die Geschäfte jeweils für die erlaubten acht Stunden geöffnet. In 53 % wird eine kürzere Öffnungszeit - im Schnitt sind es 4,7 Stunden - gewählt.

Ich denke, der Vollständigkeit halber muss das gesagt werden, weil wir immer gesagt haben, der Sonn- und Feiertagsschutz genießt höchste Priorität. Wir sollten uns hier nicht hinstellen und von siebenmal 24 Stunden sprechen. Das ist nicht Realität, und das ist schon gar nicht Gesetzesrealität.

(Beifall bei der CDU)

Aber dessen ungeachtet, meine Damen und Herren, nehme ich natürlich die kritischen Äußerungen zu den Auswirkungen des Ladenöffnungsgesetzes in den Ausflugsorten insbesondere aus den Regionen Braunschweig, Wolfenbüttel und Goslar sehr ernst. Denn es darf - ich glaube, darüber sind wir uns alle einig - keine Beeinträchtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Sonn- und Feiertage geben. Es darf, meine Damen und Herren, aber auch nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kom

men. Deshalb muss eines ganz klar sein: Eine Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes darf nicht hingenommen werden. Aber auch der durch das Gesetz möglicherweise geschaffene Vertrauenstatbestand darf nicht außer Acht gelassen werden. Ich denke, dass bei den anstehenden Ausschussberatungen all diese Argumente Leitlinien unseres künftigen Handelns sein sollten.