(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Er hat gefragt, ob Sie Strafanzeige gestellt haben, Herr Meyer!)
Herr Kollege Meyer, könnten Sie dem Hohen Hause auch erklären, wie Hähnchen in Biobetrieben gemästet werden?
Ich müsste jetzt auf die genauen Quadratmeterzahlen hinweisen. Sie wissen ja, dass es unterschiedliche Richtlinien gibt; je nach dem, ob es eine Bioland-Haltung oder eine Neuland-Haltung ist, die vom Deutschen Tierschutzbund als besonders artgerechte und tierschutzgerechte Haltungsform zertifiziert worden ist. Dafür gibt es jeweils deutlich andere Platzvorgaben. Die Hähnchen erhalten kein gentechnikmanipuliertes Futter und werden auch weniger mit Medikamenten oder Antibiotika behandelt als die Tiere in der industriellen Geflügelhaltung.
Sind Sie denn auch bereit, dem Hohen Hause die Unterschiede der einzelnen Verbände darzulegen, da Sie über die Sachlage bei den Biobetrieben anscheinend nicht informiert sind?
Ich war bei der Grünen Woche mit Vertretern von Neuland-Betrieben sehr lange im Gespräch. Deshalb weiß ich, dass Neuland im Prinzip eine konventionelle Haltung betreibt. Dort wird nicht unbedingt ökologisch erzeugtes Futter verwendet. Die Haltung ist aber ausgesprochen tierschutzgerecht. Das unterscheidet Neuland z. B. von Bioland, das für die Hühner Futter aus ökologischer Erzeugung verwendet, das ohne Verwendung von Pestiziden angebaut worden ist. Das sind die Unterschiede zwischen den Betrieben. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Probieren Sie es mal, essen Sie es mal, und schauen Sie sich solche Betriebe auch einmal an.
- Meine Damen und Herren, vielleicht können wir uns jetzt wieder auf die Debatte konzentrieren. Ich habe nichts gegen Zwischenfragen. Es gibt aber auch die Möglichkeit zur Kurzintervention. - Aber bitte schön. Wenn Sie noch eine Zwischenfrage stellen wollen, lässt Herr Meyer sie zu. Sie haben das Wort.
Ich möchte an Herrn Schönecke anknüpfen. - Würden Sie jetzt sagen, dass Sie die Zahlen der unterschiedlichen Ökoverbände kennen? Oder kennen Sie sie nicht? Einige der hier anwesenden Landtagsabgeordneten sind in diesem Bereich ja auch selbst als Landwirte tätig.
Es gibt, wie gesagt, unterschiedliche Standards, was die Regelungen für die einzelnen Betriebe angeht. Es geht dabei um Haltungsbedingungen,
darum, wie viel Freilauf ein Huhn haben muss und wie es um das Futter und den Medikamenteneinsatz bestellt ist. Ich will Sie mit den Einzelheiten hier jetzt nicht überstrapazieren. Sie können das alles im Internet und bei den Verbänden nachlesen. Klar ist aber, dass es große Unterschiede bei den Haltungsbedingungen gibt.
Es ist auch kein Wunder, dass - wie Nachfragen zeigen - diese Landesregierung ausgerechnet im Bereich der Landwirtschaft bemerkenswert schlechte Zustimmungsergebnisse erzielte. Ich weise in diesem Zusammenhang gern auf die letzte NDR-Umfrage hin.
Wir wollen mit unserem Antrag den industriellen Agrarfabriken einen Riegel vorschieben. Wir wollen die Verschlechterungen bei den Standards für die Genehmigung von Megafabriken zurücknehmen, die gerade die CDU mitzuverantworten hat und zu denen es auf maßgeblichen Druck Niedersachsens gekommen ist.
Jetzt muss z. B. erst ab einem Bestand von 85 000 Masthähnchen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Erst ab einem Bestand von 40 000 Masthähnchen muss die Öffentlichkeit beteiligt werden. Deshalb werden die meisten Mastställe im Raum Wietze immer für knapp unter 40 000 Masthähnchen beantragt.
Bündnis 90/Die Grünen wollen deshalb die Kommunen stärken und ihnen mehr Rechte geben, gegen solche Tierhaltungen auf ihrem Gebiet vorzugehen. Sie wissen - Sie sind ja Experten -, dass es die Privilegierung nach § 35 des Baugesetzbuches gibt. Wir wollen, dass es auch bei uns einen Landeserlass gibt, wie er in NRW unter Rot-Grün und Bärbel Höhn ergangen ist, der besagt, dass ein Betrieb nur dann als landwirtschaftlicher Betrieb gilt, wenn er das Futter überwiegend auf seinen eigenen Flächen anbaut. Ansonsten ist es ein industrieller Gewerbebetrieb und kommt eben nicht in den Genuss der Privilegierung.
Ein solcher Flächenerlass würde gerade der bäuerlichen Landwirtschaft in Niedersachsen sehr helfen, besser als die Wiesenhof-Werbekampagnen, die die Landesregierung noch forciert. Damit wird den angesichts der Agrarpolitik der Landesregierung verzweifelten Landwirten kein Gefallen
getan. Ich zitiere hier aus Land und Forst: „Die Hähnchenmast ist kein Garant für ausreichende Betriebseinkommen.“ Das schreibt Land und Forst über eine umfangreiche Studie der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Danach schrieb schon im letzten Jahr, also vor dem Bauboom, den Sie erzeugen wollen, mehr als ein Drittel der Hähnchenmäster rote Zahlen. Die anderen konnten sich angesichts gestiegener Kosten auch nur mühsam über Wasser halten.
Trotzdem forciert die Landesregierung noch mehr Überkapazitäten mit Preisverfall im Sinne der Konzerne und der Agrarriesen. Die Landwirte tragen das Risiko bei meist schuldenfinanzierten Investitionen, während Wiesenhof und Rothkötter zusätzliche Lohnmäster gewinnen. Davor kann man vernünftige Landwirte nur warnen.
Die Behauptung der Geflügelindustrie, etwa von der Firma Rothkötter, die Nachfrage nach Hähnchenfleisch würde im Inland von 10 kg auf 15 kg pro Kopf steigen, sich also um 50 % erhöhen, ist nicht nachvollziehbar. Laut Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum Fleischkonsum geht der menschliche Verzehr von Geflügelfleisch im Inland sogar von 10,8 kg auf 10,7 kg jährlich zurück.
Die CDU - das stand entlarvend in der HAZ vom 20. Januar 2010 - will aber für den Export auf dem Weltmarkt produzieren. So hat es Herr Ripke gesagt. Damit richten Sie in Afrika und vielen anderen Ländern, wo dann unsere verbilligten Hähnchenreste landen, schwere Schäden an. Ich empfehle Ihnen dazu die Lektüre von Studien der Entwicklungsorganisationen.
Diese Exportsteigerung wird nur mit millionenschweren Steuergeldern und Subventionen gelingen. 97 Millionen Euro gibt die EU jährlich für Exporterstattungen für Geflügelfleisch aus. Übrigens hat auch die Lufthansa Exporterstattungen in einem Umfang von 780 000 Euro bekommen. Ein bäuerlicher Betrieb ist das nicht. Es gibt aber solche Erstattungen, wenn eine Fluggesellschaft mit Hähnchenfleischprodukten nach außerhalb der EU fliegt. Ich hoffe, dass Herr Wulff in der Businessclass bei seiner Florida-Reise nicht auch noch subventioniertes Hähnchenfleisch verzehrt hat.
CDU und FDP vernichten mit ihren Megaställen Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Für jede Agrarfabrik müssen zahllose bäuerliche Betriebe weichen. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass 90 000 Masthähnchen gerade einen schlecht bezahlten Vollzeitarbeitsplatz schaffen. Das heißt, eine Person betreut 2 ¼ Ställe und räumt täglich die toten Tiere heraus. Das ist eine dramatische Fehlentwicklung in Niedersachsen. Wir können deshalb die Kritik vieler Bürgerinnen und Bürger, Landräte und Bürgermeister an der Massentierhaltung nur unterstützen.
„Die eigentlichen Tierhalter sind dann … nur noch Lohnmäster. Die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner haben die Folgen zu tragen. … Landschaft und Natur werden beeinträchtigt. In vielen Teilen Niedersachsens wehren sich bereits Gemeinden und Landkreise gegen diese Entwicklung.“
Zum Schluss verrate ich Ihnen, woher wir diese Formulierung genommen haben. Wir haben sie 1 : 1 aus dem Antrag der CDU-Fraktion im Kreistag des Landkreises Verden, unterschrieben vom Kollegen Hogrefe, übernommen. Wir stehen also mit unserer Kritik an der Industrialisierung der Landwirtschaft nicht allein. Ich hoffe, dass wir uns im Agrarausschuss sachlich und ohne persönliche Diffamierungen mit dem Problem auseinandersetzen können.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Meyer. - Wenn sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben, können wir jetzt zum gleichen Tagesordnungspunkt Frau Kollegin König von der Fraktion DIE LINKE hören. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der von der Fraktion der Grünen eingebrachte Antrag „Bäuerliche Landwirtschaft statt industrielle tierquälerische „Hähnchen-Highways“ in Niedersachsen -
Für mehr demokratische Beteiligungsrechte von Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern bei der Massentierhaltung“ enthält viele berechtigte Forderungen. Das Problem bei der aus acht Punkten bestehenden Forderungsliste ist jedoch, dass die verschiedenen Kompetenzebenen von EU, Bund, Land und Kommunen dabei durcheinandergewürfelt sind. Wir sollten uns zuerst auf die Forderungen konzentrieren, die auf Landesebene zu erfüllen wären.
Staatssekretär Ripke kündigte laut HAZ vom 20. Januar eine Sachkundeleitlinie für Geflügelmäster an. Er will sich dabei auf freiwillige Vereinbarungen beschränken und unterstützt unter diesen Voraussetzungen den Neubau zahlreicher Mastställe für einen Emsländer Fleischvermarkter rund um den Schlachthof in Wietze bei Celle. Das Problem ist mit freiwilligen Vereinbarungen aber nicht zu lösen.
Wir erwarten vom Landwirtschaftsminister und von seinem Staatssekretär, dass sie Tierquälern auf die Finger schauen und - ich sage es vorsichtig - vielleicht auch einmal draufhauen.