Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Sander das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Infolge eines Ratsbeschlusses vom 12. Juli 2007 hat die Landeshauptstadt Hannover ei

nen Luftreinhalteaktionsplan für das Stadtgebiet öffentlich bekannt gemacht und in Kraft gesetzt. In dem Plan werden u. a. die Emissionssituation der Stadt und die Betroffenheit der Bevölkerung beschrieben und auf bisherige Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität eingegangen. Unter Nr. 7 sind die infrage kommenden Emissionsminderungsmaßnahmen angegeben. Insbesondere wird eine Umweltzone eingerichtet. Die Fahrverbote für diese Umweltzone werden in drei Stufen durchgeführt. Die letzte Stufe ist mit Beginn des Jahres in Kraft getreten. Danach dürfen in der Regel nur noch Fahrzeuge, die eine grüne Umweltplakette nach Anhang 1 der 35. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz besitzen, in die Zone einfahren. Von diesem Einfahrverbot gibt es eine Reihe von Ausnahmeregelungen. Die für die dritte Stufe geltenden generellen Ausnahmeregelungen sind in einer Allgemeinverfügung der Stadt vom 14. August 2009 enthalten und bis auf den 31. Dezember 2011 befristet.

Seit dem Jahre 2006 werden die Feinstaubgrenzwerte in der Stadt Hannover eingehalten. Dies belegen die von der Verkehrsmessstation des Lufthygienischen Überwachungssystems Niedersachsen in der Göttinger Straße gemessenen Feinstaubwerte. Eine Überschreitung des über 24 Stunden gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr fand letztmalig im Jahr 2005 statt. Seither ist die Zahl der jährlichen Grenzwertüberschreitungen deutlich gesunken. Im Jahr 2009 ergeben sich nach dem vorläufigen Messergebnis lediglich noch neun Überschreitungen. Die im Zeitpunkt der Aufstellung des Luftreinhalteaktionsplanes vorausgesetzten Annahmen zum erforderlichen Ausmaß der Minderung von Feinstaubemissionen sowie zu den zu ergreifenden notwendigen Maßnahmen bedürfen daher der Aktualisierung.

Vor diesem Hintergrund hat das Ministerium für Umwelt und Klimaschutz der Stadt Hannover mit Erlass vom 15. Januar 2010 aufgegeben, Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 3, auch wenn sie nicht mit einem Partikelfilter nachgerüstet worden sind, generell vom Verkehrsverbot in der Umweltzone auszunehmen; denn Hannover hat kein Feinstaubproblem, sondern eine zu große Belastung mit Stickoxiden. Die Partikelfilter dienen jedoch, wie der Name schon sagt, dazu, die Feinstaubbelastung, also die Belastung durch Rußpartikel, zu senken, und nicht dazu, die NOX-Emissionen zu senken. NOX ist ein Summenbegriff für die Verbindungen aus Stickstoff und Sauerstoff,

wobei im vorliegenden Fall insbesondere Stickstoffmonoxid, also NO, und Stickstoffdioxid, NO2, zu betrachten sind. Partikelfilter können zwar das Verhältnis von NO zu NO2 im Abgas verändern; die Summe von NO und NO2 bleibt aber nach dem gegenwärtigen technischen Stand vor und hinter dem Partikelfilter nahezu unverändert.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist ei- ne falsche Behauptung!)

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass NO schon nach relativ kurzer Zeit durch den Sauerstoff der Luft zu NO2 aufoxidiert. Die in meinem Erlass geforderte Ausnahme ist zunächst bis zum 31. Dezember 2011 zu befristen

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und soll von der Landeshauptstadt in die Allgemeinverfügung vom 14. August 2009 mit aufgenommen werden. Durch diese zusätzliche Aufnahme wird die dritte Stufe der Umweltzone nicht zurückgenommen. Daher brauchen keine Verkehrsschilder geändert zu werden.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das habe ich nicht verstanden!)

- Nicht verstanden?

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nein!)

- Noch einmal!

(Heiterkeit bei der FDP)

Die in meinem Erlass geforderte Ausnahme ist zunächst bis zum 31. Dezember 2011 zu befristen und soll von der Landeshauptstadt in die Allgemeinverfügung vom 14. August 2009 mit aufgenommen werden.

(Stefan Schostok [SPD]: Soll oder muss?)

Durch diese zusätzliche Aufnahme wird die dritte Stufe der Umweltzone nicht zurückgenommen. Daher brauchen keine Verkehrsschilder geändert zu werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Das Verwaltungsgericht Hannover hat in seinem Urteil vom 21. April 2009 die Wirkungen einer Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern auf die NO2-Belastung betrachtet und dabei die Gesamtbelastung - steigernde wie mindernde Effekte - erörtert. Es hat die mit der Um

weltzone verbundenen Verkehrsbeschränkungen insgesamt als verhältnismäßig bewertet. Dieser Gesamtbewertung der Zusammenschau sämtlicher Verkehrsbeschränkungen widerspricht es nicht, wenn einzelne Maßnahmen punktuell neu bewertet werden. Deshalb verlangt der Erlass des Umweltministeriums nicht, die dritte Stufe der Umweltzone aufzuheben, sondern lediglich, die allgemeinen Ausnahmeregelungen um eine Ausnahme für die bezeichneten Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 3 zu erweitern.

Zu 2: Wie bereits in den Vorbemerkungen ausgeführt, haben sich die im Zeitpunkt der Aufstellung des Luftreinhalteaktionsplans vorausgesetzten Annahmen, wie schon gesagt, verändert.

Zu 3: Das Konnexitätsprinzip ist durch den Erlass des Umweltministeriums vom 15. Januar 2010 nicht berührt, da keine neuen Aufgaben auf die Landeshauptstadt Hannover übertragen werden. Eine Rechtsgrundlage, nach der die Landesregierung den betroffenen Autofahrern, Betrieben und Kfz-Werkstätten die entstehenden Kosten zu ersetzen hätte, ist nicht ersichtlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Kollegin Emmerich-Kopatsch stellt eine erste Zusatzfrage.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund ihres Erlasses vom 15. Januar dieses Jahres an die Landeshauptstadt Hannover, der insbesondere auf der wissenschaftlichen Falschannahme beruht, dass NOX- und NO2-Emissionen durch die Anwendung von Partikelfiltern nicht vermindert werden könnten, ob sie bereit ist, ihren Erlass dahin gehend zu ändern, dass sie die Landeshauptstadt Hannover nunmehr gewähren lässt, da dieser gesamte Erlass auf einer falschen Annahme beruht und nur dem Ziel dient, Ausnahmen für Euro-3-Fahrzeuge zu schaffen.

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben derzeit keinen Anlass, den Erlass zu ändern. Ich hatte bereits in meiner Antwort

etwas zu dem etwas komplizierten chemischen Vorgang ausgeführt,

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Aber falsch!)

der bei Partikelfiltern bei NO und NO2 zu NOX vorliegt und übrigens sehr schnell zu Kohlendioxid führt.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Können Sie den chemischen Vorgang mal erläutern? Das, was Sie vorhin gesagt haben, war falsch!)

- Wenn es falsch war, brauche ich das ja nicht noch einmal zu erklären. Entweder haben Sie es nicht verstanden, oder ich habe es falsch ausgedrückt. Ich kann das nur noch einmal vorlesen. Ich kann Ihnen vielleicht auch eine Tafel holen, um Ihnen die chemische Formel aufzuzeichnen. Auch das wäre möglich.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Schostok von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass von den 537 597 in der Region Hannover zugelassenen Kfz ca. 10,7 % Euro-3-Dieselfahrzeuge sind, von denen bei 88 % der Einbau eines Filters eine deutliche Verbesserung von ungefähr 30 % hinsichtlich der NO2Belastung bringt, bei 11 % es, bezogen auf NO2, nichts bringt und bei nur 0,88 %, also weniger als 1 %, es zu einer Erhöhung der NO2-Belastung kommen könne: Woher beziehen Sie Ihre neuen Erkenntnisse?

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich vorhin schon zur Funktion von Partikelfiltern geäußert. Dabei habe ich versucht, die unterschiedlichen chemischen Vorgänge zu erläutern. Es ist richtig, was Sie vielleicht angedeutet haben. Partikelfilter der neuesten Generation zeigen leichte positive Wirkungen.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: 30 %! - Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, bereits gestern und heute wieder in meiner Antwort habe ich darauf hingewiesen, dass Hannover kein Feinstaubproblem hat, sondern allein ein Stickoxidproblem. Dieses müssen wir bekämpfen. Dabei reicht es nicht aus, mit der derzeitigen Generation von Rußpartikelfiltern zu arbeiten. Vielmehr müssen wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen, die wir im Übrigen auch der Stadt Hannover vorgeschlagen haben.

Die Stadt Hannover hat mir bzw. uns gestern mitgeteilt, dass sie diesen Erlass umsetzen wird.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wenn die Stadt Hannover das umsetzen will, wird sie wahrscheinlich auch alle möglichen rechtlichen Schritte abgewogen haben. Das war sogar insofern ein guter Brief, als die Stadt Hannover gesagt hat, dass wir uns gemeinsam darüber unterhalten müssen, wie wir das möglichst unbürokratisch und mit einem möglichst geringen Kostenaufwand für die Kfz-Halter und auch für die Kommune hinbekommen. Wir sind auf einem guten Weg, dies gemeinsam zu erörtern.

Ich halte das für den Beginn einer besseren Auseinandersetzung über die Frage der Feinstaubbelastung und die Frage der Stickoxidbelastung, die wir jetzt unbedingt angehen müssen. Das kann man nicht gegeneinander, sondern nur miteinander.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Schröder-Ehlers stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht Hannover in seiner Entscheidung alle Gutachten, die dem Luftreinhalteplan zugrunde lagen, noch einmal sehr genau überprüft hat und auch eigene Gutachter beschäftigt und dabei festgestellt hat, dass mögliche Zusatzbelastungen bei Diesel-3Fahrzeugen - nämlich bei den 1 %, bei denen das nicht funktioniert - schon berücksichtigt wurden und dass alle Annahmen sehr niedrig angesetzt worden sind, frage ich Sie nochmals, Herr Sander: Woher beziehen Sie Ihre neuen Erkenntnisse?

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Schröder-Ehlers, ich habe vorhin versucht, den Nachweis zu erbringen, auf welche Studien sich meine Mitarbeiter berufen haben. Sie bekommen sie natürlich auch. Das ist gar kein Problem.