Jetzt soll diese Verpflichtung in die Zielvereinbarungen eingestellt werden, von denen wir aber wissen, dass sie im Gegensatz zu Gesetzen ganz leicht geändert werden können. Das heißt, spätestens nach Ablauf der drei Jahre, in denen der Bund das Verfahren noch bezahlt, und sobald die Hochschulen selber zahlen müssen, werden sie vermutlich versuchen, sich aus diesem Verfahren wieder hinauszustehlen. Dieses Verfahren funktioniert aber nur dann, wenn sich bundesweit alle Hochschulen daran beteiligen. Deshalb wird die Kannbestimmung im Gesetz - die Hochschule kann an diesem Serviceverfahren teilnehmen - der Herausforderung in keiner Weise gerecht.
Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf § 5 Abs. 10, der zwar unverändert aus dem alten Hochschulzulassungsgesetz übernommen wurde, den wir aber schon damals, als er eingebracht wurde, abgelehnt haben und der jetzt im Kontext dieses neuen Serviceverfahrens noch einmal zusätzliche Brisanz erhält. Hier wird den Hochschulen nämlich ermöglicht, für die Teilnahme an Bewerbungsverfahren Gebühren zu erheben.
Da das Verfahren selber aber bis zu zwölf Bewerbungen zulässt, bedeutet das, dass bereits bei der Suche nach einem Studienplatz diejenigen die größeren Chancen haben, die aus entsprechend einkommensstarken Elternhäusern kommen und sich das Maximum von zwölf Bewerbungen - vorausgesetzt, die Hochschulen erheben diese Gebühren - leisten können.
Ein letzter Satz. - Hier, werte Kollegen von CDU und FDP, verengen Sie den Bildungstrichter ein weiteres Mal in nicht akzeptabler Weise. So richtig wir den Staatsvertrag finden, eine solche Entscheidung tragen wir nicht mit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Nacke, Sie haben hier eine Gespensterrede gehalten! Wir sind nicht gegen den Staatsvertrag. Wir sind dagegen, dass Sie im Windschatten des Staatsvertrages versuchen, Verschlechterungen für Studierende in Ihr Gesetz hineinzubringen. Diese lehnen wir ab.
Wir begrüßen die gemeinsame Stiftung für Hochschulzulassung ausdrücklich; denn nach acht Jahren Zulassungschaos an unseren Hochschulen sollen die Studienplätze endlich wieder über ein bundesweit koordiniertes Verfahren vergeben werden - ein längst überfälliger Schritt! Schon seit Jahren hat meine Fraktion auch in diesem Hause immer wieder auf eine Lösung gedrängt; denn Jahr für Jahr blieben auch an Niedersachsens Hochschulen Hunderte von Studienplätzen unbesetzt, weil die Hochschulen mit der Zulassung schlicht überfordert waren. Allein im Studienjahr 2007/2008 blieben 1 267 Studienplätze trotz mehrerer Nachrückverfahren am Ende unbesetzt. 1 267 unbesetzte Studienplätze bedeuten 1 267 junge Menschen, die in Niedersachsen studieren wollten, aber nicht konnten. Das halten wir für einen Skandal!
Die aktuellen Zahlen der KMK haben gezeigt, dass auch die eilig installierte Internetbörse das Problem nicht lösen konnte. Es ist also höchste Zeit für wirkliche Lösungen, damit die Länder das Chaos endlich in den Griff bekommen.
Nach jahrelangem Hin und Her haben sich die Länder nun endlich darauf geeinigt, diese Serviceagentur, die Ihnen schon vorgestellt worden ist, aufzubauen, die dann als zentrale Anlaufstelle
dienen soll. Erstmals zum Wintersemester 2011/2012 - auch das haben wir schon gehört - soll das neue Serviceverfahren zur Verfügung stehen. Wir sagen: reichlich verspätet, verschuldet durch Frau Schavan, die es nicht geschafft hat, die Softwareentwicklung rechtzeitig in Auftrag zu geben. Das ist deshalb ein Problem, weil wir wissen - Herr Nacke hat darauf hingewiesen -, dass 2011 der doppelte Abiturjahrgang aus unseren Schulen kommt. Einen Software-GAU, vergleichbar mit der missglückten Einführung der Lkw-Maut, können wir uns dann nicht leisten.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu dem konkreten Gesetzentwurf, den wir ablehnen. Es geht um genau drei Punkte.
Erstens. Der Gesetzentwurf sieht vor - auch das hat Frau Heinen-Kljajić erwähnt -, es den Hochschulen selbst zu überlassen, ob sie sich an der bundesweiten Koordinierung beteiligen wollen oder nicht. Angesichts des Mangels an Studienplätzen und der gescheiterten Vergabe in Eigenregie der Hochschulen fordern wir eine im Gesetz verankerte Verpflichtung der Hochschulen, sich zu beteiligen. Fest steht - das wissen alle -: Der Erfolg des zentralen Verfahrens wird davon abhängen, dass sich alle Hochschulen daran beteiligen. Wir brauchen im Interesse der jungen Menschen diesen Erfolg.
Der Minister hat im Ausschuss seine Laissez-faireHaltung damit begründet, dass man den künstlerischen Hochschulen ein eigenes Auswahlverfahren ermöglichen muss. Diese Begründung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schlicht vorgeschoben. Der Staatsvertrag sieht in Artikel 7 Abs. 2 Nr. 2 ausdrücklich eine Ausnahmeregelung vor. Schon jetzt gibt es für künstlerische Hochschulen eine Sonderregelung im Hochschulzulassungsgesetz. Das müsste lediglich analog angewendet werden.
In Wahrheit geht es CDU und FDP um etwas ganz anderes. Getreu dem neoliberalen Zeitgeist, dem sie hinterherrennen, wonach Hochschulen wie Wirtschaftsunternehmen zu führen sind, sollen die Hochschulen die unternehmerische Freiheit haben, selbst zu entscheiden, ob sie sich beteiligen oder nicht; denn zahlen müssen die Hochschulen dann natürlich auch selbst.
Hochschulen sind aber für uns keine Unternehmen. Ihr Zweck ist nicht Gewinnerzielung, und sie handeln übrigens nicht mit Bananen; vielmehr geht es um die Berufschancen junger Menschen. Hier gibt es eine Verantwortung des Staates, und genau diese Verantwortung fordern wir hier ein. So
Zweiter Punkt - auch das hat Frau Heinen schon genannt -: Die Hochschulen sollen künftig auch darüber entscheiden dürfen, ob sie für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren von den Studierenden Gebühren kassieren wollen oder nicht. Auch die Gebührenhöhe können sie selber festlegen. Zukünftig werden die Studierenden in Niedersachsen also nicht nur dann Gebühren zahlen, wenn sie einen Studienplatz ergattert haben; sie werden auch schon abkassiert, wenn sie sich nur um einen Studienplatz in Niedersachsen bewerben. Offenbar hat der Minister den Auftrag, alles zu tun, damit Niedersachsen seine Position als bundesweites Schlusslicht bei der Studierquote behält. Zukünftig wird es in Niedersachsen also vom Geldbeutel der Eltern abhängen, wie oft und an welchen Hochschulen sich junge Menschen bewerben können. Auch zu dieser Regelung sagen wir Nein.
Dritter Punkt: Ebenso wenig zustimmen können wir der Regelung in § 7 Abs. 1 des Hochschulzulassungsgesetzes zum Zugang zu den Masterstudiengängen. Offenbar haben Sie aus der BolognaDebatte wenig gelernt. Ein zentraler Kritikpunkt der Studierenden sind die rigiden Restriktionen für die Zulassung zu den Masterstudiengängen. Zwar machen wir uns nicht die populistische Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Zulassung zum Master zu eigen; dies würde in unseren Augen die Bologna-Reform ad absurdum führen. Doch die bisherigen Zugangshürden in Form von Einheitsdurchschnittsnoten halten wir für falsch. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Trippelschrittchen, die strikte Notenregelung etwas zu relativieren, halten wir für nicht ausreichend. Andere Länder sind da schon viel weiter als Niedersachsen, z. B. Rheinland-Pfalz.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Der Staatsvertrag findet unsere Zustimmung. Das vorliegende Gesetz lehnen wir ab. Mit der SPD wird es keine neuen Hürden für den Zugang zu unseren Hochschulen geben.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dr. Andretta - Ähnliches gilt für Frau Dr. Heinen-Kljajić -, Sie haben mir gerade vorgehalten, ich hätte eine Gespensterrede gehalten.
Sie sprechen von Gebührentatbeständen. Sie lehnen einen Staatsvertrag, der zwischen allen Ländern abgestimmt ist, ab.
(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Wir lehnen den Staatsvertrag nicht ab, Herr Nacke! Mein Gott!)
Sie lehnen einen Staatsvertrag, der zwischen allen Kultusministern so vereinbart wurde, ab. Denn das tun Sie, wenn Sie heute mit Nein stimmen. Sie tun das deshalb, weil ein Gesetz, das Sie vor Jahren einmal abgelehnt haben, nicht geändert wird.
Sie malen ein Gespenst an die Wand. Sie wissen ganz genau: Die Kosten werden für die nächsten drei Jahre vom Bund getragen. Das heißt, innerhalb dieser Legislaturperiode können auf die Studierenden keine Kosten zukommen. Sie wissen genau, dass die KMK vereinbart hat, dass Studierenden keine zusätzlichen Belastungen auferlegt werden sollen.
Sie lehnen einen Staatsvertrag ab, weil wir ein Gesetz nicht ändern, obwohl sich gar keine Notwendigkeit zu einer Änderung ergibt, weil die Kosten für die Hochschulen sinken werden. Das ist ein reiner Vorwand, das ist reine Fundamentalopposition. Sie wollen ablehnen. Sie wollen ein Gespenst durchs Land treiben. Im Grunde genommen können Sie Ihre Ablehnung aber nicht begründen.
Mit Formulierungen wie „Abkassieren“ und „Geldbeutel der Eltern“ betreiben Sie rein ideologische Stimmungsmache, die mit dem Staatsvertrag und mit dem, was wir hier vereinbaren, nichts zu tun hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Nacke, es wäre für alle hier im Landtag sehr hilfreich gewesen, wenn Sie den Staatsvertrag einmal gelesen hätten. Dieser Staatsvertrag regelt ausschließlich die Gründung der Stiftung für Hochschulzulassung. Dieser Stiftung stimmen wir zu, weil wir sie für einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Verfahren halten. Dieser Staatsvertrag sagt nichts über Gebühren. Er sagt auch nichts darüber, ob die Hochschulen zur Teilnahme verpflichtet sind oder nicht. Das tut alleine Ihr Gesetz. Wir sagen: Dieses Gesetz bedeutet eine Verschlechterung für Studierende, die wir ablehnen werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Staatsvertrag, der heute zur Abstimmung steht, soll dabei helfen, die Mangelsituation beim Studienplatzzugang besser zu organisieren, ohne aber den Mangel grundsätzlich anzugehen. Dabei liegt hier das eigentliche Problem. In Niedersachsen ist mehr als jeder zweite Studienplatz mit einem Numerus clausus belegt. Bundesweit landen jedes Jahr Zehntausende von Studierwilligen auf Wartelisten oder beginnen ein sogenanntes Parkstudium, um überhaupt mit dem Studieren beginnen zu dürfen. Der vorhergehende Auswahlprozess ist belastend, sowohl für die Studienplatzbewerberinnen und -bewerber als auch für die Kapazitäten der Hochschulen.
Doch anstatt dieses Problem an der Wurzel zu packen und die nachfrageorientierte Bereitstellung von Studienplätzen ganz nach oben auf die politische Agenda zu setzen, wird hauptsächlich an einer Verbesserung der Mangelverwaltung gearbeitet.
Aber auch dieses eigentliche Ziel, die bessere Verwaltung des Mangels, wird durch die neue Regelung kaum erreicht. Die Hochschulen müssen sich in den meisten Studiengängen nach wie vor
nicht an dem bundesweiten Verfahren beteiligen und können weiterhin alles in Eigenregie regeln. Das heißt, dass trotz des vorliegenden Staatsvertrags nicht garantiert werden kann, dass die wochen- und monatelangen Nachrückverfahren ein Ende haben. Im laufenden Wintersemester waren in Niedersachsen vier Wochen nach Semesterstart noch immer gut 2 000 Studienplätze nicht vergeben; bundesweit waren es 18 000.
Das Chaos für die Studienbewerber könnte künftig sogar noch größer werden, wenn sich manche Hochschulen an einem abgestimmten Verfahren beteiligen und andere das für dasselbe Fach nicht tun. Wie soll ein Schulabgänger bei diesem Wildwuchs eigentlich noch durchsteigen und wissen, wo er sich wie zu bewerben hat?
Meine Damen und Herren, die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Regelung, die Klarheit und Transparenz schafft und die Herr Nacke hier als Rote Karte für den Föderalismus bezeichnet hat, ist das einzige Mittel, um es zu schaffen, dass jeder Studierwillige weiß, wo er sich wie zu bewerben hat.
Herr Nacke, dass ausgerechnet Sie, der Sie im Ausschuss nach meiner Erinnerung ungefähr gesagt haben, wir könnten hier eh nichts ändern, weil das ein Staatsvertrag ist, uns vorwerfen, den Föderalismus zu geißeln, ist ziemlich absurd.