Protokoll der Sitzung vom 16.02.2010

Herr Nacke, dass ausgerechnet Sie, der Sie im Ausschuss nach meiner Erinnerung ungefähr gesagt haben, wir könnten hier eh nichts ändern, weil das ein Staatsvertrag ist, uns vorwerfen, den Föderalismus zu geißeln, ist ziemlich absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir kritisieren ferner, dass sich die Hochschulen auch mit diesem Staatsvertrag bis zu drei Fünftel der Studienanfänger selbst aussuchen und dafür ein eigenes Verfahren entwickeln können. Wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass die Abiturnote derzeit der beste Anhaltspunkt ist, um den Studienerfolg prognostizieren zu können. Wir sollten daher für nicht künstlerische Studiengänge keine weiteren Türen aufstoßen.

Es gibt ja bereits genügend: die Härtefälle, die Wartezeit, die Abiturnote sowie die Möglichkeiten für beruflich Qualifizierte im Rahmen der offenen Hochschule. Wenn nun aber theoretisch 60 % der Bewerberinnen und Bewerber ihre Plätze nur erhalten, nachdem es ein zusätzliches Auswahlverfahren gegeben hat, wozu man erst einmal zu der Hochschule fahren muss, um ein Bewerbungsgespräch zu führen, dann ist das erstens sozial ungerecht, zweitens ein Hindernis für die Internationalisierung der Studierendenschaft und drittens

eine Verfestigung der habituellen Mauern zwischen Akademikern und Nichtakademikern.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Abitur ist die Hochschulzugangsberechtigung. Es ist somit weitaus mehr als eine Berechtigung, sich um einen Studienplatz bewerben zu dürfen. Aber auch durch die zusätzlichen Hürden, die in den letzten Jahren aufgebaut worden sind und ihre Fortschreibung in diesem Staatsvertrag finden, verkommt die Hochschulzugangsberechtigung immer mehr zu einer bloßen Bewerbungsberechtigung. Das machen wir nicht mit!

(Beifall bei der LINKEN)

Das dritte Argument, warum wir diesen vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen müssen, betrifft die Gebührenfrage. Nirgendwo wird hier ausgeschlossen, dass die Hochschulen die anfallenden Kosten auf die Bewerberinnen und Bewerber umlegen dürfen. Wir müssen uns doch nur die Arbeits- und Servicestelle für internationale Studienbewerbungen - kurz: uni-assist - anschauen. Die uni-assist nimmt den Hochschulen bei der Bearbeitung der Anträge von Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausland einige Formalitäten ab. Die Kosten dafür werden auf die Bewerberinnen und Bewerber umgelegt. Die Bewerbung an der ersten Hochschule kostet 55 Euro, EU-Bürger zahlen 30 Euro. Jede weitere Bewerbung an einer Hochschule kostet 15 Euro. Genau das wollen wir nicht, weder für die Menschen mit Abitur noch für die Menschen mit einer ausländischen Hochschulzugangsberechtigung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf schließt eine solche Entwicklung nicht aus, sondern ermuntert die Hochschulen weiter, diesen bereits eingeschlagenen Weg zu gehen.

Aus all diesen Gründen werden wir den Staatsvertrag und den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile der Kollegin Frau von Below-Neufeldt das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisherige ZVS muss unbedingt weiterentwickelt werden. Deshalb ist der Entwurf zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für die Hochschulzulassung und die damit verbundene Änderung des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes so notwendig geworden.

Der Gesetzentwurf wurde im Dezember-Plenum vor wenigen Wochen eingebracht, in den Ausschuss überwiesen und dort beraten. Gut ist, dass die gemeinsame Stelle zur Hochschulzulassung in Dortmund in Form einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts eingerichtet wird und zwei ganz zentrale verschiedene Aufgaben erhält, nämlich einerseits die hoheitliche Aufgabe der Studienplatzvergabe. Andererseits wird diese Stiftung Servicestelle.

Zur hoheitlichen Aufgabe: Die Stiftung wird zentral nur noch Studienplätze in bundesweit gleichartigen Studiengängen mit einheitlichen Prüfungsordnungen vergeben. Das dient der Studienplatzvergabe für Studiengänge mit einem hohen Bewerberüberhang wie z. B. Medizin oder Pharmazie. Sie sollen durch die Stiftung schnell vergeben werden können. Das nutzt allen Bewerbern. Die Kritik daran ist nicht nachvollziehbar.

Die zweite große Säule ist die Serviceleistung für die Hochschulen bei den Vergabeverfahren. Dies betrifft alle anderen Studiengänge. Hochschulen informieren und werben, das ist Teil ihres Wettbewerbs.

Die Serviceleistungen der Stiftung haben zwei Schwerpunkte, nämlich die Mehrfachbewerbungen und die Bewerberauswahl.

Es ist bekannt, dass sich angehende Studienanfänger oftmals an verschiedenen Hochschulen bewerben. Mit der Inanspruchnahme der zentralen Hochschulzulassungsstelle durch die Hochschulen können diese Mehrfachbewerbungen abgeglichen werden, was eine Verbesserung im Zulassungsverfahren erwarten lässt. Das Verfahren wird also verkürzt; ein großer Vorteil.

Die Stiftung wird eine weitere Serviceleistung für die Hochschulen erbringen, nämlich die Studienplatzvergabe. Ganz bedeutsam ist diese Studienplatzvergabe künftig hier bei uns in Niedersachsen; denn wir haben den doppelten Abiturientenjahrgang in 2011 mit zu erwartenden höheren Bewerberzahlen. Es gibt aber auch eine beabsichtig

te Änderung des Hochschulgesetzes und damit die Öffnung für andere Bewerber. Damit werden die Hochschulverwaltungen aufwendigere Auswahlentscheidungen treffen müssen. Es ist nicht mehr allein die Abiturnote, sondern es zählen unter Umständen auch andere Qualifikationen.

Diese Aufgabe kann künftig also unter Beteiligung der Landeshochschulkonferenz an die Stiftung für Hochschulzulassung übertragen werden. Die Entwicklungs- und Einführungskosten trägt der Bund. Der Service soll ab dem Wintersemester 2011/2012 angeboten werden, also genau rechtzeitig für unseren niedersächsischen doppelten Abiturientenjahrgang. Gerade wegen der zu erwartenden hohen Zahl sollen die Zugangsbedingungen natürlich optimiert sein.

Die FDP-Fraktion stimmt diesem Gesetzentwurf und dem Staatsvertrag zu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich insoweit etwas kürzer fassen, als ich zur Kenntnis genommen habe, dass auch die Opposition dem Staatsvertrag als solchem durchaus zustimmen würde, dass sie sich aber an Änderungen des Zulassungsgesetzes reibt und ihre Zustimmung daran letztendlich scheitert. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle nicht bewerten, ob ich das für verantwortliches Handeln halte oder nicht. Dazu hat der Kollege Nacke einiges gesagt.

Aber es ist in der Tat so - wer wollte das bestreiten, liebe Frau Kollegin Heinen-Kljajić, liebe Frau Andretta, aber auch Herr Perli? -, dass sich in den letzten zehn Jahren sehr vieles verändert hat. Das hat auch die Debatten, die wir hier im Landtag geführt haben, durchaus stark beeinflusst. In der Tat haben wir heute eine andere Auffassung von dem, was wir unter Autonomie, Selbstverantwortung und Selbstständigkeit von Hochschulen verstehen. In der Tat haben wir heute auch eine andere Auffassung von dem, welche Rechte Hochschulen für sich in Anspruch nehmen können, ihre Studierenden selbst auszusuchen.

Ich war bisher der Auffassung - ich klammere einmal die Linke aus -, dass wir bis auf die eine oder andere Nuance in der Frage der Stärkung der Autonomie, aber auch des Selbstauswahlrechts von Hochschulen mehr oder weniger einer Meinung waren. Wenn das so ist, dann muss man bei der Frage der Studienplatzvergabe in der Tat auch etwas ändern. Hier im Saal wird es auch niemanden geben, der bestreitet, dass wir auch in der Vergangenheit häufig Probleme bei der Vergabe hatten. Nicht ohne Grund ist die Kritik an der ZVS - im alten Sinne, sage ich einmal - immer mächtig gewesen. Auch hier im Parlament sind zum Teil außerordentlich kontroverse Diskussionen über die Zukunft der ZVS geführt worden. Bitte tun Sie also nicht so, als sei früher alles besser gewesen!

Nun treffen hier, wenn man so will, wieder einmal zwei Denkschulen aufeinander. Unsere Denkschule ist die: Es gibt eine differenzierte Hochschullandschaft. Hier ist insofern die HBK zu nennen; dieses Beispiel ist hier expressis verbis genannt worden, Frau Heinen-Kljajić. Diese differenzierte Hochschullandschaft erlaubt es uns wahrscheinlich sehr viel besser, über Zielvereinbarungen auf diese Differenziertheit einzugehen, als über eine gesetzliche Regelung. Deshalb haben wir uns für die Zielvereinbarung entschieden, was aber im Ergebnis bedeuten wird - davon bin ich überzeugt -, dass vermutlich bis auf die HBK jede Hochschule verpflichtet werden wird, am Auswahlverfahren teilzunehmen. Es bleibt eben die Frage: Macht man es an der Stelle systematisch richtig, oder macht man es systematisch falsch? Wir haben uns für den systematisch richtigen Weg entschieden.

Nun zu der Frage möglicher zusätzlicher Kosten für die Studierenden. Auch da, finde ich, gehört es zur Ehrlichkeit dazu - das ist im Ausschuss gesagt worden -: Es gibt eine eindeutige Beschlusslage der Kultusministerkonferenz, aus der deutlich wird, dass die Studierenden durch das neue Verfahren eben nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden sollen. Wir sind die letzten in Niedersachsen, die KMK-Beschlüsse, insbesondere soweit es jüngere Beschlüsse anbelangt, nicht ernst nähmen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die KMK ist ja der Lieblingsclub des Ministerpräsi- denten!)

Deshalb haben wir Ihnen im Ausschuss erklärt: Wir werden auch über die Zielvereinbarungen dafür Sorge tragen, dass es zu keiner Kostenbelastung für die Studierenden kommt. - Insoweit ist das wirklich eine Geisterdebatte, die Sie hier führen,

die im Wesentlichen dazu beitragen soll, auf Seiten der Studierenden wieder Ängste auszulösen, für die es überhaupt keinen Grund gibt. Das finde ich an dieser Stelle unseriös, wenn ich das einmal so deutlich sagen darf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine letzte Bemerkung - das ist mir bei Herrn Perli wieder sehr deutlich geworden -: Sie dürfen bitte nicht die Zugangsvoraussetzungen mit den Zulassungsvoraussetzungen durcheinanderbringen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es!)

Wir haben uns auf dieser Seite des Hauses immer dazu bekannt, dass wir uns über jeden zusätzlichen Studierenden freuen, dass wir aber nicht den Fehler der 70er- und 80er-Jahre wiederholen wollen, nämlich Leute auch an solche Hochschulen zu schicken, die über schlechteste Bedingungen verfügen und nicht in der Lage sind, sie auf ihre Berufe vorzubereiten. Das heißt, bei uns müssen die Aspekte der Studierendenzahl und der Qualität in Übereinstimmung gebracht werden. Das bedeutet, dass wir natürlich weiterhin Studiengänge haben müssen, die zulassungsbeschränkt sind, und dass es da Mechanismen und Instrumente geben muss, die diese Zulassungsbeschränkungen wie auch immer regeln.

Das machen wir im großen Einvernehmen zusammen mit den Hochschulen. Das hat bisher gut funktioniert in Niedersachsen. Deshalb halten wir an diesem Prinzip fest.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile Frau Dr. Andretta das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch etwas zu Ihrer Systematik sagen, Herr Minister. Die Hochschulen werden auch mit dem Serviceverfahren ihre Bewerber und Bewerberinnen weiterhin selber aussuchen können. Es geht lediglich um die Koordinierung. Dem stimmen Sie zu. Das heißt, an der Systematik ändert sich überhaupt nichts. Wir wollen, dass die Hochschulen verpflichtet werden, sich an dieser Koordinierung zu beteiligen. Wir wollen nicht die Auswahl vorschreiben. Wir halten es im Interesse der Berufs- und Studienchancen von jungen Menschen für mehr als angemessen und notwendig, dieses nicht dem Laissez-faire der Hochschulen zu über

lassen, sondern in das Gesetz zu schreiben. Wir haben Verantwortung für die junge Generation.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Einzelberatung abgeschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe auf:

Artikel 1. - Unverändert.

Artikel 2. - Dazu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Ich bitte diejenigen um das Handzeichen, die der Änderungsempfehlung des Ausschusses zustimmen wollen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.