Protokoll der Sitzung vom 17.02.2010

Herr Kollege, ich darf kurz unterbrechen. Zum einen muss es entschieden ruhiger werden. Zum anderen möchte ich die Frage stellen, ob Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Helmhold gestatten.

Nein, im Moment gestatte ich keine Zwischenfrage.

Jetzt ist die Zeit gekommen, um das deutsche Sozialsystem endlich wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir müssen die Anreize, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, stärken. Es darf nicht sein, dass der Focus in dieser Woche schreibt: Für Krankenschwestern lohnt es sich nicht mehr, morgens aufzustehen. - Wir diffamieren die Hartz-IV-Empfänger nicht. Eines werden wir von CDU und FDP aber auch weiterhin tun. Wir werden die Politikerinnen und Politiker an den Pranger stellen, die behaupten, es müsse einfach nur noch mehr umverteilt werden, damit es in Deutschland sozial gerecht zugeht. Das ist ausdrücklich nicht der Fall.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gerechtigkeit bedeutet eben auch Leistungsgerechtigkeit. Wir führen das berechtigte Streben der Menschen nach Wohlstand ad absurdum, wenn es sich in diesem Land nicht mehr lohnt, sich anzustrengen. Die Wahrheit ist: Dieser politische Irrweg führt geradewegs in die sozialpolitische Katastrophe.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben wohl Ihren Kompass verloren?)

Es gibt Familien, in denen die Abhängigkeit vom Staat von der einen an die nächste Generation weitergegeben wird.

Herr Kollege, ich darf noch einmal kurz unterbrechen. Es gibt erneut den Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von Frau Kollegin Flauger.

Nein, keine Zwischenfragen, Herr Präsident.

Ich will deshalb deutlich sagen: SPD, Grüne und allen voran die Linke setzen den Wohlstand in unserem Land aufs Spiel. Wenn ganze Teile der Bevölkerung keinen Sinn mehr darin sehen, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, geht einer Gesellschaft der komplette innere Kompass verloren. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Unver- schämtheit!)

- Frau Kollegin Flauger, jetzt komme ich auf Sie zurück. Welches Ziel Linke und SPD eigentlich haben, können wir derzeit in der Bundeshauptstadt

Berlin erleben. Unter Rot-Rot sind in Berlin 20 % der Menschen vom Staat abhängig. Die Arbeitslosigkeit in dieser Stadt beträgt fast 14 %. 40 % der Migrantinnen und Migranten sind arbeitslos. - Das ist der Nährboden, aus dem Elend und Extremismus wachsen. Da, wo Sie regieren, nämlich in Berlin, geht es gerade den Schwächsten der Gesellschaft am schlechtesten. Das ist Ihre Politik. Das darf ausdrücklich nicht zum Modell für Deutschland werden!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Äpfel und Birnen!)

Ich will Ihnen deshalb deutlich unsere Forderungen auch zu Hartz IV sagen.

Erstens. Es ist Zeit für eine Sozialleistung, die die verschiedenen Sozialleistungen in Deutschland bündelt.

(Glocke des Präsidenten)

Wenn es allein im vergangenen Jahr 193 000 Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide gegeben hat, dann zeigt das doch, dass diese Gesetze von Ihnen nicht besonders gut gemacht worden sind, sondern diese Gesetze sind von Rot-Grün besonders schlecht gemacht worden. Auch das muss deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben zugestimmt!)

Zweitens. Es muss sich lohnen, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen. Dabei geht es nicht um Minijobs, sondern es geht um Vollzeitarbeitsplätze. Ich sage das in aller Klarheit. Wer arbeitet, der muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet, und zwar nicht damit Menschen unterschiedlich viel verdienen, sondern weil ohne diesen Grundsatz die Gerechtigkeit in unserem Land verloren geht, um das deutlich zu sagen!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE])

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident, und füge drittens noch an: Die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen müssen ausdrücklich durch eine

Steuerreform in diesem Land endlich entlastet werden. Auch das muss an dieser Stelle noch einmal deutlich gesagt werden, ansonsten werden wir bei der sozialen Gerechtigkeit nicht zusammenkommen. Ich fasse zusammen:

Herr Kollege, das kann ich jetzt nicht mehr akzeptieren. Sie haben die Redezeit deutlich überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

(Heiner Bartling [SPD]: Abschalten!)

Ich komme zum Schluss: Die Debatte ist richtig, und wir werden sie weiter führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Unglaublich! Der sollte erst mal in die Praxis ge- hen! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Starmathematiker! - Weitere Zurufe)

Ich erteile Frau Kollegin Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dürr, bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, noch zwei Sätze zu Ihren eben geäußerten Worten.

(Johanne Modder [SPD]: Das lohnt nicht!)

In einem gebe ich Ihnen recht: Mit der Erhöhung der Regelsätze werden wir die soziale Schieflage in diesem Land nicht beseitigen. Da gibt es andere Mittel, auf die ich noch eingehen werde.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Zweiten haben Sie die Arbeitslosensituation in Berlin unter einer rot-roten Regierung angesprochen. Auch ich bin nicht mit allem einverstanden, was dort passiert. Das muss man auch nicht sein. Aber ich gebe Ihnen drei Beispiele für das, was dort positiv für die Arbeitnehmer getan wird:

(David McAllister [CDU]: Na was denn? - Zuruf von Gabriela König [FDP])

Öffentliche Unternehmen wurden gesichert und nicht privatisiert. Gemeinschaftsschulen. Studiengebühren gibt es nicht.

(David McAllister [CDU]: Berliner S-Bahn!)

Das könnte man weiter fortführen. Richtig ist, dass nicht alle Probleme gelöst wurden, aber die Ansätze sind die richtigen, und zwar nicht solche, die Sie wollen, sondern die Ansätze sind die richtigen für die Menschen, die dort leben.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Als ich die Überschrift des Antrags der FDP gelesen habe „Arbeit muss sich lohnen“, habe ich gedacht: Damit haben Sie ja recht!

(Gabriela König [FDP]: Haben wir ja auch!)

Sie haben recht mit Ihrer Überschrift: 20 % der Erwerbstätigen bekommen Armutslöhne, mit denen ein menschenwürdiges Leben in Deutschland unmöglich ist. Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist keine Randerscheinung. In dem Hochlohnland Deutschland existieren mittlerweile ganze Wirtschaftszweige, in denen Löhne und Gehälter gezahlt werden, die nicht armutsfest sind. Aber das haben Sie sicherlich nicht gemeint.

Meine Damen und Herren, die bundesweiten Entwicklungstendenzen lassen sich auch in Niedersachsen beobachten. Gerade bei den unteren Einkommensgruppen ist das Lohnniveau in den letzten Jahren gesunken. Während Gewerkschaften früher noch weitgehend in der Lage waren, für nahezu alle Beschäftigten wirksame Mindestregelungen bei den Entgelten zu erzielen, wurde diese Position bedingt durch die zunehmende Tarifflucht von Unternehmen in den letzten Jahren geschwächt. Mittlerweile können auch Tarifverträge nicht mehr wirksam vor Niedrigeinkommen schützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten müssen. Mit Hungerlöhnen können Beschäftigte ihre Existenz und die ihrer Familien nicht sichern. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde das verhindern. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist darum absolut notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP sagt: „Arbeit muss sich lohnen“, und lehnt gleichzeitig diesen Mindestlohn ab. Welche Heuchelei, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

Bei dem Slogan „Arbeit muss sich lohnen“ geht es der FDP keineswegs darum, dass Arbeit wieder gut belohnt wird, sondern ausschließlich darum, dass Steuern und Abgaben auf den Lohn, der schon gering ist, gesenkt werden. Davon haben die Geringverdiener überhaupt nichts.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das wissen sie auch!)