Protokoll der Sitzung vom 17.02.2010

Schauen wir einmal, wie sich das heute entwickelt!

(Glocke des Präsidenten)

Ich will noch ganz kurz zwei, drei Sätze sagen zu dem, was hier an erhitzter Debatte stattgefunden hat. Ich will Ihnen einfach einmal einige Zitate vorlesen, insbesondere unseren Kollegen von der SPD.

Herr Kollege, mit „einigen Zitaten“ haben Sie ein Problem; denn Ihre Redezeit ist inzwischen abgelaufen.

Ich nehme zwei, und dann bin ich durch. Zitat eins:

„Wer arbeiten kann, aber nicht will, der kann nicht mit Solidarität rechnen. Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft.“

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Richtig!)

Wer hat das gesagt? - Das war 2001 Gerhard Schröder.

(Heiner Bartling [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!)

Das gleiche Zitat von Guido Westerwelle heute hätte bei Ihnen zu einem Eklat geführt. Dessen bin ich mir sicher.

(Heiner Bartling [SPD]: Da irren Sie!)

Zitat zwei:

„Das Arbeitslosengeld II oder die Sozialhilfe sind gewiss nicht so üppig bemessen, dass man davon in Saus und Braus leben kann. Aber es nutzt nichts, solchen Familien die Unterstützung zu erhöhen, die nicht mit Geld umgehen können, die sich vom Konsum berauschen lassen, statt erst einmal die notwendigsten Dinge zu bezahlen.“

Von wem ist das Zitat? - Von dem von SPD und Linken gemeinsam getragenen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, erschienen in der Super-Illu vom 26. September 2007.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Will von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern titelte die Süddeutsche Zeitung:

„Union entsetzt über Westerwelle

… CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe rief den liberalen Koalitionspartner in ungewöhnlichen deutlichen Worten zur Mäßigung auf. ‚Fragwürdige Verallgemeinerungen und scharfe Töne erschweren nur die notwendige Debatte über die Umsetzung der Hartz-IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts’, sagte Gröhe“.

Weiter heißt es an anderer Stelle:

„Auch Gröhe ließ erkennen, dass Westerwelle aus Sicht der Union unseriös argumentiert.“

Das, Herr Thiele, hätte ich mir auch von Ihnen in der heutigen Aussprache hier gewünscht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das setzt sich fort. Wer heute Morgen die Zeitungen aufschlägt, wird feststellen, dass der geballte Sachverstand unseres Wirtschaftsministers nach 100 Tagen zugeschlagen hat:

(Zuruf von der FDP: Sehr gut! Guter Mann!)

„überzogenes Anspruchsdenken“. In den letzten Tagen auch die Äußerung: „der, der morgens liegen bleibt“. Genau das ist der kalkulierte Tabubruch, den Sie ständig vorantreiben, gegen Minderheiten in diesem Land.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Dürr, zu Ihnen: Sie haben auf die Hartz-IVGesetzgebung abgehoben. Wer hat denn über den Bundesrat die Regelsätze durchgesetzt?

(Der Redner zeigt auf die Regie- rungsbank)

Da sitzt ein Verantwortlicher, niemand anders.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht Diffamierung und Sozialdarwinismus sind angesagt, sondern konsequente Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Darüber reden Sie hier nicht.

(Björn Thümler [CDU]: Nein, das ma- chen wir! Reden können Sie!)

Zurzeit haben wir bereits 2,7 Millionen offiziell registrierte Arbeitslose, und die Zahl steigt stark. Das sind Ihre Arbeitslosen. Sie müssen sich darauf konzentrieren, dass diese Menschen wieder in Arbeit kommen.

(Christian Grascha [FDP]: Das sind weder unsere noch Ihre Arbeitslosen! - Ulf Thiele [CDU]: Wenn überhaupt, dann unsere gemeinsamen Arbeitslo- sen! - Björn Thümler [CDU]: Die Ar- beitslosen gehören niemandem! Die sind nämlich Menschen!)

Denn niemand wird freiwillig arbeitslos, um in soziale Not zu geraten. Sie aber schüren eine miese Neidkampagne gegen Minderheiten.

Eine Minderheit sind im Übrigen auch die Steuerhinterzieher. Aber da tauchen Sie weg. Da hört man von Ihnen, der Mövenpick-Partei, nichts.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Richtig, meine Damen und Herren: Leistung soll sich lohnen, durch eine moderne, arbeitnehmerorientierte Politik, Politik für den guten Facharbeiter, den Ingenieur, den Techniker, den Wissenschaftler und den Hochschullehrer. Ja, hier muss sich Arbeit lohnen und durch Teilhabe Anerkennung finden.

Aber geben Sie auch den Arbeitslosen bei Karmann, bei Conti und bei vielen anderen wieder Arbeitsmöglichkeiten und damit eine Zukunft! Die sind nicht freiwillig arbeitslos geworden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Geben Sie ihnen im Übrigen - das ist hier schon angesprochen worden - Arbeitsmöglichkeiten, die ordentlich bezahlt werden! Über 4,9 Millionen Arbeitnehmer arbeiten inzwischen in geringfügiger Beschäftigung. Weitere 2,2 Millionen haben einen Nebenjob in geringfügiger Beschäftigung. Über 2 Millionen sind Geringverdiener mit 4 bis 5 Euro Stundenlohn. Wo sind Ihre Vorschläge für gute Arbeit und guten Lohn?

Mehr als 20 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen leben in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Ihre Vorstellung, Frau König, ist: Hauptsache Arbeit! Der Lohn ist zweitrangig. Immer besser arbeiten, egal zu welchen Bedingungen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Den Rest zahlt der Staat!)

Der Stundenlohn der geringfügig Beschäftigten liegt unter der Grenze von 9,62 Euro, und ihr Anteil an der Gesamtheit der Arbeitnehmer wächst ständig. 1,3 Millionen Beschäftigte sind sogenannte Aufstocker. Sie erhalten neben ihrem Gehalt noch zusätzliche Leistungen der Grundsicherung. Das sind 26 % aller Hartz-IV-Empfänger. Die wollen arbeiten, aber zu vernünftigen Bedingungen, mit ordentlichem Lohn!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Steuergelder werden hier genutzt, um die Lohndrückerei bestimmter Betriebe zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Von Mindestlöhnen in Höhe von 7,50 Euro würden bundesweit 5 Millionen Beschäftigte profitieren. Dies würde zu Einsparungen im Bereich Hartz IV von 3 Milliarden Euro und zu Mehreinnahmen in der Sozialversicherung von 7,5 Milliarden Euro führen. Da wäre das Geld, um vernünftig zu finanzieren, wenn man es nur wollte. Aber Sie wollen es politisch nicht.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)