Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das wä- re aber klug!)

Herr Bachmann, Sie haben gefragt, ob ich nicht gehört habe, dass Herr Wulff den Innenminister zurückgepfiffen hat. Erstens habe ich Herrn Wulff noch nie pfeifen gehört. Zweitens glaube ich bei Weitem nicht alles, was in der Zeitung steht - offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen.

(Björn Thümler [CDU]: Na, so was!)

Herr Briese, es geht hier in der Tat alles nach Recht und Gesetz zu.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Ach so, ja!)

Nicht zuletzt gibt es immer die Möglichkeit, das, was hier Recht und Gesetz ist, zu überprüfen. Das ist Ihnen völlig freigestellt. Gelegentlich tun Sie das auch.

Es ist nun einmal so: Wenn man nichts macht, kann man auch nichts verkehrt machen. Allerdings stellt es sich dann, wenn man nichts macht, am Ende häufig als verkehrt heraus, dass man nichts gemacht hat. Das bedaure ich sehr, Herr Briese. Sie machen das hier mit großer Frische, aber mit wenig Substanz.

(Beifall bei der CDU - Oh! bei den Grünen - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das war ein typischer Biallas!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE. Bitte!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes hatte ich angemerkt, dass dieser uns die Möglichkeit gibt, „die fragwürdige Praxis der verdachtsunabhängigen Kontrollen mit Identitätsfeststellung im Umfeld von Moscheen auf die Tagesordnung zu setzen und darüber zu reden“. Das wurde im Zuge der Ausschusssitzungen und insbesondere während der Anhörung getan.

Unter dem Strich ist dem Innenminister diese diskriminierende Praxis und Auslegung des SOG um die Ohren gehauen worden. Letztlich - ich sage es hier noch einmal - musste sogar der Ministerpräsident eingreifen und seinen Minister zurückpfeifen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Der kann doch gar nicht pfeifen, wie wir eben gehört haben!)

Die Vorgehensweise des Innenministers in diesem Punkt hat exemplarisch sein Politikverständnis deutlich gemacht. Das können wir in vielen anderen Punkten auch sehen, z. B. beim Einbürgerungsfall Menger-Hamilton. Herr Schünemann agiert immer an der Grenze und, wie in diesem Punkt geschehen, über die Grenze von bestehenden Gesetzen hinweg.

(Beifall bei der LINKEN)

Er steht auch dazu; denn er sieht an jedem möglichen, aber auch unmöglichen Punkt einen Ausnahmezustand. Und in einem von ihm definierten Ausnahmezustand bedarf es eines starken Mannes, nämlich Innenminister Schünemann selbst, der den vermeintlich in Gefahr geratenen Staat zu schützen hat.

Meine Damen und Herren, das Problem an diesem durchaus interessanten Agieren von Herrn Minister Schünemann ist, dass es vordemokratischen Prinzipien und Verhaltensweisen entspricht, aber nicht den heute geltenden rechtsstaatlichen Regelungen.

Um ihn darauf aufmerksam zu machen, gibt es allerdings zum Glück demokratisch gewählte Parlamente und eine engagierte Opposition inner- und außerhalb dieses Parlaments. Das ist auch gut so.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen hat der ehemalige Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz bemerkenswert klare Worte gefunden. Er sagte in seiner mündlichen Stellungnahme:

„Aber die extensive Aufzählung dessen, was zur Kultusfreiheit gehört, zeigt, dass der Staat die Gottesdienstbesucher nicht mit Polizeikontrollen behelligen darf. Denn es kommt nicht darauf an, welche lauteren Ziele der Staat verfolgt und wie sensibel die Polizei ihre Kontrollen durchführt - an beidem besteht für mich kein Anlass zu zweifeln -, sondern es kommt ausschließlich auf den Blickpunkt des Gottesdienstbesuchers an; denn er ist es, den das Grundrecht schützen will … Deshalb sind Eingangskontrollen eine Störung der Religionsausübung. Mir scheint, uns Christen würde es nicht anders gehen, wenn wir vor dem Betreten der Kirchen kontrolliert würden.“

Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.

Damit in dieser Frage künftig keine Unklarheiten mehr existieren, ist der Gesetzentwurf der Grünen richtig und wird von uns unterstützt.

Den Änderungsantrag der SPD und den Änderungsantrag der Grünen lehnen wir allerdings wegen grundsätzlicher Ablehnung von verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen ab.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat nun Herr Oetjen das Wort. Bitte!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für den Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, den wir heute beraten, waren die Moscheekontrollen, wie hier gerade schon gesagt worden ist.

Im Innenausschuss haben wir eine sehr umfangreiche Anhörung durchgeführt. Ich möchte an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, dass wir uns intensiv mit der Materie beschäftigt haben.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das dürfen wir ja nicht mehr!)

Wir haben Verfassungsrechtler da gehabt, und wir haben Praktiker da gehabt, die mit dem Gesetz arbeiten. Darüber hinaus haben die Verbände der Muslime angehört.

Grundsätzlich ist uns dabei von den Praktikern dargestellt worden, dass die verdachtsunabhängigen Kontrollen zur Bekämpfung der internationalen und der grenzüberschreitenden Kriminalität notwendig sind. Deswegen kommt der ursprüngliche Vorschlag, der von der Fraktion der Grünen vorgelegt worden ist, den § 12 Abs. 6 komplett aus dem Nds. SOG zu streichen, für uns in keiner Weise in Betracht.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sehr richtig!)

In der Anhörung ist von den meisten dargestellt worden, dass § 12 Abs. 6 vom Grunde her in sich selbst nicht verfassungswidrig ist,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das ist nicht richtig!)

aber dass die Anwendung des § 12 Abs. 6 durchaus verfassungswidrig sein könnte und dass dafür der Einzelfall zu prüfen sei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus der Sicht der FDP-Fraktion ist bei den Moscheekontrollen das Grundrecht der Religionsfreiheit betroffen. Ich kann nicht sagen, ob die Moscheekontrollen, die in der Vergangenheit gemacht worden sind, auf der Basis von § 12 Abs. 6, also verdachtsunabhängig, oder auf der Basis von Verdachtsmomenten durchgeführt worden sind. Allerdings sagt meine Intuition,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Vorsicht! Jetzt kommt Glatteis!)

dass es sinnvoll ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich von Kontrollen im Umfeld von Moscheen abzusehen;

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Hört, hört!)

denn die Religionsfreiheit kann betroffen sein. Dies allein sollte uns Grund genug sein, hier sehr vorsichtig zu agieren.

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP] - Kreszentia Flauger [LINKE]: Guck mal an!)

Daher begrüßt die FDP-Fraktion die Ankündigung der Landesregierung und des Innenministeriums, nicht mehr auf der Basis von § 12 Abs. 6 im Umfeld von Moscheen zu kontrollieren. Wir halten das für die richtige Entscheidung.

Das heißt natürlich nicht, dass in keinem Fall mehr vor Moscheen kontrolliert werden kann. Der Kollege Biallas hat dazu Ausführungen gemacht. Wenn dies auf einer anderen Rechtsgrundlage als auf § 12 Abs. 6 geschieht, d. h. mit Verdachtsmomenten, dann ist eine Kontrolle im Umfeld von Moscheen natürlich auch weiterhin möglich.

Für die FDP-Fraktion, meine Damen und Herren, ist die Angelegenheit damit erledigt. Wir gehen davon aus, dass das niedersächsische Innenministerium in Zukunft darauf achtet - wir erwarten das auch -, dass der § 12 Abs. 6 verfassungskonform angewendet wird.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr gut! - Filiz Polat [GRÜ- NE]: Entschuldigen Sie sich einmal bei den Verbänden!)

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich der zuständige Minister, Innenminister Schünemann, zu Wort gemeldet. Bitte!

(Ralf Briese [GRÜNE]: Jetzt bin ich aber gespannt! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Jetzt tritt er zurück!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Polizei kann den islamistischen Terrorismus nur wirksam bekämpfen, wenn sie Kenntnisse über Strukturen und Netzwerke hat, in denen

Straftaten verabredet und vorbereitet werden. Die Ermittlungen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ebenso wie in den anderen Fällen hatten gezeigt, dass islamische Vereine und Moscheen als Anlaufstellen, Treffpunkte oder Logistikzentralen für islamistische Personen eine erhebliche Rolle spielten. Das sind Fakten, die man nicht wegdiskutieren kann. Dies war etwa auch bei den kürzlich verurteilen Verdächtigen der SauerlandGruppe der Fall. Diese Orte mussten daher gezielt in den Blick genommen werden.