Warum sind eigentlich gerade in diesen fünf Jahren, in denen die SPD hier in Niedersachsen regiert hat, die Bildungsausgaben deutlich gesenkt worden? Das muss doch wohl Programm gewesen sein. Insofern gibt es doch überhaupt keinen Grund dafür, uns das heute vorzuwerfen.
Meine Damen und Herren, ich will und muss etwas zu Frau Heiligenstadt sagen. Sie haben ja recht. Alle Studien in Deutschland, die den sozialen Status von Kindern in unserem Land betrachten, ob nun PISA oder andere Vergleichsstudien, kommen am Ende immer wieder zu dem Schluss, dass natürlich der soziale Status auch ausschlaggebend für den Erfolg ist und dass hier Deutschland insgesamt - nicht Niedersachsen allein, sondern viele Länder in Deutschland und der Bund insgesamt - einen erheblichen Nachholbedarf hat. Die Ursachen sind vielfältig. Stadtstaaten wie Hamburg oder Bremen investieren ein Vielfaches der Ausgaben eines Flächenlandes wie Niedersachsen pro Schüler, und trotzdem gelingt es dort nicht besser als in Niedersachsen, in Bayern oder in Baden-Württemberg, Schüler aus problematischen sozialen Verhältnissen am Ende tatsächlich entsprechend zu integrieren und zu einem Schulabschluss zu führen.
Es gehört zur Wahrheit, Frau Heiligenstadt - das wird man irgendwann einmal akzeptieren müssen -, dass die Ausgaben für Bildung im Primarbereich ebenso wie die Ausgaben für den schulischen Bereich insgesamt und die Ausgaben für den Forschungs- und Bildungsbereich insgesamt im Vergleich gestiegen sind. Ich zitiere: Elementarbildung: 172 Millionen Euro in 2003, 380 Millionen Euro in 2010; schulische Bildung: 3,56 Milliarden Euro in 2003, 5,4 Milliarden Euro in 2010, fast 2 Milliarden Euro mehr; Bildung insgesamt: Steigerung von 5,76 Milliarden auf 8,2 Milliarden Euro. Wissen Sie, von wann diese Zahlen stammen? Das sind die Zahlen - ich habe es angedeutet - für die Zeit von 2003 bis 2010, und das ist zufälligerweise die Regierungszeit dieser Koalition in Niedersachsen, meine Damen und Herren.
Wenn es Ihnen wie uns um den Bildungserfolg unserer Schülerinnen und Schüler geht, dann dürfen wir schon für uns in Anspruch nehmen, dass die Hochschulzugangsberechtigtenquote heute bei 42 % und die Abiturientenquote im Schuljahr 2009/2010 bei 29,4 % - beide Zahlen mit steigender Tendenz - liegt. Es gab, zugegeben, einen Ausreißer im Jahr 2008; da haben Sie recht. Wir haben seit Jahren steigende Übergangsquoten an die Gymnasien und sinkende Schulabbrecherquoten.
Wir werden die Zahl der Ganztagsschulen auf 1 100 in diesem Schuljahr anheben, und ich kann heute auch schon mit ein wenig Frohsinn verkünden, dass wir neben den Investitionskosten im Krippenbereich inzwischen über 10 500 Plätze geschaffen haben und dass wir die rund 1 100 vorliegenden Anträge auf den Betriebskostenzuschuss bis auf 50 bis 70 Anträge bearbeitet haben. Das Thema hat in der letzten Woche ja doch für einigen Wirbel gesorgt, auch vonseiten der kommunalen Spitzenverbände. Das Ministerium und die Landesschulbehörde haben mit Hochdruck gearbeitet. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die daran mitgewirkt haben, dass bis auf etwa 50 Anträge alle Anträge - rund 1 050 Anträge - bearbeitet und inzwischen für das Jahr 2009 bewilligt wurden.
Ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, im Kultusausschuss auch bei den anstehenden Haushaltsberatungen sehr sorgfältig und sehr behutsam mit dem Thema „Demografische Rendite - Welche Möglichkeiten haben wir? Welche Chancen ergeben sich daraus für die Qualität von Schule, in Bezug auf Schulleiterentlastung, kleinere Klassen bis hin zur Qualität von Schule an sich?“ - umzugehen und über den richtigen Weg dorthin zu streiten. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass dieses Land nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat, und es wäre ein guter Konsens, wenn wir am Ende zu klugen, intelligenten Lösungen kämen, die immer auch die Haushaltslage dieses Landes berücksichtigen; denn auch dafür haben wir eine Verantwortung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meine Ausführungen mit einem herzlichen Dank für die Arbeit der Landesregierung und insbesondere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den beteiligten Häusern beginnen. Es ist ja ein recht großer Aufwand, auf über 50 Seiten diese Antworten zusammenzutragen und die Statistiken zu führen.
Ich darf - vielleicht gestatten Sie mir das an dieser Stelle - auch einen Dank an die Kollegin HeisterNeumann und den Kollegen Stratmann für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren richten,
die einigen Erfolg mit sich gebracht hat, wie die beeindruckenden Daten in den Antworten auf diese Große Anfrage zeigen. Deswegen bedanke ich mich auch dafür, dass die Anfrage so gestellt wurde, machen die Antworten doch deutlich, welche beeindruckenden Leistungen seit dem Regierungswechsel erbracht wurden, was ja auch in den Antworten der Ministerin und des Ministers deutlich geworden ist.
Normalerweise ist es ja so - das wissen wir -, dass in 50-seitigen Antworten mit zahlreichen Statistiken immer irgendjemand irgendetwas findet und sagt, an einer Stelle sei aber etwas nicht ganz so, wie man es sich vielleicht vorgestellt habe, und an anderer Stelle gebe es Verbesserungsbedarf. Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben mich die Einlassungen aus der Opposition etwas gewundert. Frau Lesemann bleibt sehr allgemein, redet von „dubiosen Rechentricks“, von „Kuhhandel“, von „nebulös“. Diese Wortwahl zeigt, dass Sie nicht viel gefunden haben, was Sie hier wirklich konkret kritisieren wollen.
Bei einem zulässigen und natürlich richtigen Hinweis auf das Haushaltsrecht dieses Hauses reden Sie davon, die Angaben seien nicht konkret genug. Insbesondere hat mich überrascht, dass Sie einmal mehr diese Große Anfrage nutzen wollten, um gegen das Kooperationsverbot vorzugehen. Ihre Föderalismusfeindlichkeit wird hier einmal mehr deutlich. Ich bedanke mich an dieser Stelle recht
herzlich bei Frau Ministerin Wanka, die hier ein sehr deutliches Zeichen für den Föderalismus gesetzt hat. Herzlichen Dank im Namen der CDUFraktion!
Meine Damen und Herren, dann kommen alte Hüte wie beispielsweise die Studienanfängerquote, über die wir hier nun weiß Gott schon oft genug diskutiert haben. Wenn Sie einfach nicht akzeptieren wollen, dass es Gründe dafür in einem Bundesland mit großen Anrainerstädten wie Hamburg oder Bremen gibt, die sich zwingend aus Niedersachsen bedienen und die jungen Menschen von hier an ihre Hochschulen locken, dann lohnt es nicht, darüber weiter zu diskutieren.
Aber über einen Punkt, liebe Frau Kollegin Heiligenstadt, möchte ich dann doch diskutieren, weil Sie auf eine besondere Statistik eingegangen sind, die uns in der letzten Woche beschäftigt hat und die ja gar nicht unbedingt Inhalt dieser Anfrage gewesen ist. Es geht um die Abiturquote. Der Kollege Lies saß mir im Zug gegenüber, als ich in der HAZ gelesen habe, was Sie dazu gesagt haben. Deshalb könnte er Ihnen das inzwischen erklären; denn wir haben sofort sehr ausführlich darüber diskutiert. Heute erwähnen Sie ausgerechnet das Ammerland, meinen Heimatwahlkreis, und verweisen auf die dort zu verzeichnende schlechte Abiturquote, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Statistikdaten, die Sie in Ihrer Pressekonferenz genannt haben, nicht stimmen. Ich zitiere aus der Drs. 16/2370. Dort heißt es:
„Die örtliche Herkunft der Absolventinnen und Absolventen wird statistisch nicht erhoben. Daher enthalten die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen der allgemeinbildenden Schulen und der berufsbildenden Schulen mit allgemeiner Hochschulreife der einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte nicht die Jugendlichen, die zwar im Landkreis wohnen, aber in benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten beschult werden.“
125 000 Menschen leben im Ammerland, 30 000 davon in unmittelbarer Nähe zum Oberzentrum Oldenburg. Die nächstgelegene Schule für viele Schülerinnen und Schüler befindet sich in der Stadt Oldenburg. Zwei von sechs Gemeinden, nämlich die Gemeinden Wiefelstede und Rastede, haben vertragliche Vereinbarungen bezüglich der Beschulung in der Stadt Oldenburg getroffen. Alle diese Ammerländerinnen und Ammerländer werden statistisch bei Oldenburg geführt, weshalb die auf 56 % kommen.
Ich sage Ihnen noch etwas: Diese wunderbare Vereinbarung - Wolfgang Wulf winkt schon ab - ist von der Stadt Oldenburg vor sechs Jahren einseitig gekündigt worden, weil sie ihrer oberzentralen Verantwortung nicht mehr gerecht werden will. Fragen Sie einmal die Kollegin Sigrid Rakow! Sie wird das sehr genau erklären, weil sie dem Kreistag angehört und die Zahlen sehr genau kennt. Sie haben keine Ahnung davon, was in der Fläche los ist. Deshalb bringen Sie solche Presseerklärungen, die wirklich unter aller Kanone sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz auf die Große Anfrage zurückkommen, der man einiges entnehmen kann: frühkindliche Bildungsangebote, das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung, das Brückenjahr, Sprachförderung ab dem dritten Lebensjahr, Sprachförderung vor der Einschulung, Ganztagsangebote in Grund- und weiterführenden Schulen, Maßnahmen gegen die Beendigung der Schullaufbahn ohne Schulabschluss, Maßnahmen zur Berufsorientierung, Pakt für Ausbildung, offene Hochschule, Bereitstellung von zusätzlichen Studienplätzen, Umsetzung des Bachelor-Prozesses, familienfreundliche Hochschulen, berufsbegleitende Studien- und Weiterbildungsangebote und die aktuelle Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes. All das sind Leistungen dieser Landesregierung, die wir in den letzten sieben Jahren auf den Weg gebracht haben.
Alle diese Maßnahmen haben nur ein einziges Ziel, meine Damen und Herren, nämlich das Ziel, das Bildungspolitik haben muss: In Niedersachsen darf es keinen einzigen Abschluss mehr ohne Anschluss geben. Immer muss eine offene Tür vorhanden sein, durch die man gehen kann. Wenn man durch diese offene Tür gegangen ist, muss es eine weitere offene Tür geben, mehrere Angebote.
Ich sage noch etwas: Es darf noch nicht einmal einen Abbruch ohne Anschluss geben. Auch dann, wenn irgendjemand ein Studienangebot, einen Abschluss oder irgendein anderes Ziel nicht erreichen konnte, muss es offene Türen geben, durch die man weitergehen kann. Das ist der Anspruch. Von diesem Anspruch höre ich von Ihnen aber gar nichts.
Zu dem Beitrag von Herrn Nacke hat sich Frau Heinen-Kljajić zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In welch einer denkwürdigen Weise kommentieren Sie hier die Beiträge zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion? - Die Kollegin von der FDP beschreibt in blumigen Worten, wie wichtig Wissen ist. Im Anschluss daran beschreibt sie die Bildungspolitik der FDP mit dem Hinweis darauf, dass sie den jungen Menschen Mut zuspreche.
Herr von Danwitz kommt mit der forschen Parole: Wir haben für jeden etwas zu bieten. - Jedenfalls so ähnlich haben Sie es formuliert.
Und Herr von Nacke zählt uns hier eine gigantische Latte von irgendwelchen Projekten auf, die hier gestartet worden sind.
Die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes - als hochschulpolitische Sprecherin meiner Fraktion habe ich natürlich besonders darauf geachtet, was Sie hier zum Thema „Hochschule“ erzählen - besagt ganz klar: Es gibt noch immer einen absolut starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen, die wir in diesem System haben.
Das Studium trotz dieser Diagnose auch weiterhin durch Studiengebühren zu verteuern, ist sozial- und bildungspolitisch schlicht ein Affront;
Werter Herr Nacke, welchen Effekt erwarten Sie denn, wenn zukünftig theoretisch eine Fachangestellte ohne Abitur zur Hochschule zugelassen werden kann - was im Moment übrigens noch nicht einmal 1 % der Personen in Anspruch nehmen -, gleichzeitig aber nicht einmal 50 % derjenigen Menschen aus einkommensschwachen Familien, die schon Abitur haben, an die Hochschulen gehen?
Das muss Ihnen doch zu denken geben! Darüber kann man doch nicht einfach hinweggehen! Natürlich brauchen wir mehr Abiturienten, und natürlich brauchen wir Hochschulzugänge jenseits des Abiturs.