Ja, ich komme sofort zum Schluss. - Die eigentliche Herausforderung liegt doch darin, an dieser Stelle zunächst einmal die Übergangsquote von Abiturienten auf die Hochschulen zu erhöhen. In diesem Punkt bildet Niedersachsen das Schlusslicht. Das ist die Realität - und nicht Ihre blumige Umschreibung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bedanke ich mich recht herzlich für den Ritterschlag. Soweit ich weiß, leidet auch der Republikaner Hoffmann von Fallersleben darunter, dass man ihn jetzt immer für einen Adligen hält. Ich denke aber, dass das damit nicht gemeint war.
Sie müssen sich entscheiden. Ich empfehle Ihnen, das auch einmal mit Ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin abzusprechen. Was soll ich machen? Soll ich auf das antworten, was Sie hier gesagt haben, damit wir hier eine Debatte führen können, oder soll ich ganz neue Aspekte einführen, von denen Sie überhaupt nicht geredet haben? - Bitte, Sie haben es jetzt noch einmal mit einer Kurzintervention versucht. Ich möchte dazu gern einen Satz sagen.
Über Studienbeiträge haben wir weiß Gott lange genug diskutiert und in dieser Runde auch oft genug gesprochen. Deswegen verweise ich nur auf die Überschrift eines Artikels - ich habe ihn jetzt nicht dabei - in der taz von vor drei Tagen, glaube ich: Studienbeiträge schrecken nicht ab. - Mehr ist dem nicht hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, zusätzliche Redezeit hat Frau Korter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt. Anderthalb Minuten!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Minister Althusmann, ich war gespannt darauf, was Sie dem Haus als neuer Minister als Erstes zu erklären haben. Sie haben hier eine ganze Reihe von Zahlen aufgesagt und darauf hingewiesen, wer in welchem Jahr wie viel ausgegeben hat. Das war sehr interessant. Insgesamt war es aber dennoch sehr enttäuschend. Wer da Inhaltliches erwartet hat, hat da nichts gefunden.
Natürlich gibt Niedersachsen eine ganze Menge Geld für die Bildung aus. Im Ländervergleich befinden wir uns aber immer noch ganz weit hinten. Das muss uns doch zu denken geben.
Wenn man Geld ausgibt, dann muss man sich doch auch einmal fragen, wie effizient die Ausgaben für die Bildung sind. Ist es noch effizient, wenn ich Hauptschulen, Realschulen, Förderschule A, Förderschule B und Gymnasien und alle anderen
möglichen Schulformen in der Fläche als Kleinstschulen nebeneinander aufrechterhalte, anstatt endlich den großen Hebel umzulegen und zuzulassen, was die Kommunen vernünftigerweise wollen, nämlich kleine Gesamtschulen, damit sie ihr Bildungsangebot in der Fläche wirklich aufrechterhalten können?
(David McAllister [CDU]: Vielfalt! Viel- falt! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich wusste doch, dass das noch kommt!)
Ist es vernünftig, mit viel Geld teure Warteschleifen zu finanzieren - nach meinen Berechnungen sind es in Niedersachsen 400 Millionen Euro pro Jahr -, die nur zu sehr wenig Anerkennung und sehr wenig Qualifikation für die Jugendlichen führen? - Das hätte ich gern gewusst. Stattdessen wird einfach gesagt: „Soundso viel haben wir ausgegeben“. Das ist ein bisschen dürftig. Ich möchte gern wissen, ob wir da noch mehr zu erwarten haben.
Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion ist ebenfalls zusätzliche Redezeit beantragt worden. Frau Heiligenstadt, drei Minuten! Bitte!
Herr Präsident! Herr Minister Dr. Althusmann, Ihre Ausführungen haben durchaus Anlass gegeben, auch über das nachzudenken, was Sie gerne an qualitativen und kreativen Prozessen in der Zukunft mit diesem Haus umsetzen möchten. Ich bin sicher, dass meine Kolleginnen und Kollegen im Kultusausschuss und auch in der gesamten Fraktion sehr bereit dazu sind, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Wir sind auch gespannt auf Ihre Ausführungen bei der nächsten Ausschusssitzung zu Ihrer Planung im Kultusbereich.
Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass es in Niedersachsen natürlich nicht ganz so golden ist, wie Sie und auch Redner der Fraktionen von CDU und FDP es hier immer gerne darstellen. Sonst hätten wir nicht zig Demonstrationen, Belastungsanzeigen, über Stresssituationen stöhnende Schülerinnen und Schüler usw. Ich will das gar nicht alles im Einzelnen ausführen.
Herr Dr. Althusmann, deswegen hätte ich mir gewünscht, dass Sie bei Ihren Ausführungen ein klein wenig den Haushälter beiseite gelassen hätten und als Kultusminister dieses Landes einer großen Gefahr entgegengetreten wären. Sie soll
ten die Demografierendite - ich mag dieses Wort eigentlich nicht -, die im Bildungsbereich aufgrund der zurückgehenden Schülerzahlen in den nächsten Jahren zur Verfügung steht, auch tatsächlich nutzen - gern gemeinsam mit uns; dieses Angebot mache ich Ihnen - und sie nicht der Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen lassen. Wir sollten wirklich vereinbaren: Alles, was im Bildungsbereich ist, bleibt im Bildungsbereich. Dann sind wir auch an Ihrer Seite, Herr Dr. Althusmann.
Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.
Einzige (abschließende) Beratung: a) Kurskorrektur auf dem Weg nach Bologna - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1505 - b) Mit einer kooperativen Hochschulpolitik bessere Studienbedingungen und gute Lehre durchsetzen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2064 - c) Den Bologna-Prozess vom Kopf auf die Füße stellen - Lernende und Lehrende ins Zentrum rücken - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2226 - d) Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses gemeinsam mit den Hochschulen vorantreiben - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2287 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/2422
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur lautet hinsichtlich der Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE auf Ablehnung und hinsichtlich des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP auf unveränderte Annahme.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bologna, die Hauptstadt der norditalienischen Region Emilia-Romagna, war der Geburtsort des europäischen Universitätswesens im 12. Jahr
hundert. Nicht von ungefähr nahm der BolognaProzess zu Beginn des 21. Jahrhunderts in dieser italienischen Stadt seinen Ursprung und wurde nach ihr benannt. Wieder ging es um eine europäische Idee, nämlich die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums.
Die Studierenden Europas sollen die Möglichkeit bekommen, in allen Ländern zu studieren. Egal ob sie in England, den Niederlanden, Norwegen, Russland, Kroatien, Italien oder in Deutschland studieren: Überall sollen sie vergleichbare Studienbedingungen vorfinden und sollen ihre Studienabschlüsse anerkannt werden. Mobilitätsgrenzen sollen überwunden, die Hochschulen geöffnet und die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Ein einheitlicher europäischer Hochschul- und Forschungsraum in einem vereinten Europa: Was für eine großartige Chance für unsere Hochschulen!
Doch wurde die Chance genutzt? Wie steht es um das Versprechen grenzenloser Mobilität? - Nach elf Jahren müssen wir leider feststellen: Wir haben wenig erreicht. Unsere Hochschulen sind nicht offener, die Mobilität ist nicht größer geworden - noch nicht einmal im eigenen Land. Im Gegenteil! Versuchen Sie einmal, als Lehramtsstudentin von der Universität Hildesheim nach Göttingen zu wechseln. Es wird Ihnen nicht gelingen. Überall lauern Anerkennungshemmnisse, Unklarheiten beim Übergang vom Bachelor zum Master, permanenter Prüfungsstress, überbordende Stofffülle, heilloses Durcheinander bei der Zulassung und miserable Abstimmung der Lehrangebote.
Kein Wunder, dass die Studierenden auf die Barrikaden gingen und fordern, dass ihr Studium wieder studierbar wird! Das tun sie zu Recht.
Wir fragen: Was ist also schiefgelaufen? Die Politik wollte den Bologna-Prozess, war aber nicht bereit, den Hochschulen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Reform ja, zusätzliches Geld nein! Insgeheim hegte man sogar die Hoffnung, durch Verkürzung des Studiums mehr Studenten ohne zusätzliches Geld durch die Hochschulen schleusen zu können - wohl wissend, dass die Hochschulen schon jahrzehntelang unterfinanziert sind. Es ist also kein Wunder, dass die Hochschulen mauerten. Sie klagten, Bologna sei ihnen wie eine tote Katze über den Zaun geworfen worden.
In Niedersachsen - Frau Ministerin Wanka, das sollten Sie wissen - war es besonders bitter. Hier mussten die Hochschulen die Bologna-Reform unter dem Spardiktat des HOK umsetzen. Statt mit mehr Personal die Betreuung im Studium zu verbessern, mussten die Hochschulen mehrere Hundert Stellen an den Finanzminister abliefern. Gleichzeitig wurden sie aus dem Ministerium mit unsinnigen Erlassen und Richtlinien traktiert, so z. B. die Auswahl der Master-Kandidaten nach einem sturen Notenschema vorzunehmen. Doch damit nicht genug - statt den Bologna-Prozess sozial abzufedern, führte Niedersachsen Studiengebühren ein und lässt bis heute sogar BAföGEmpfänger abkassieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Hochschulen haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Viele haben die Reform eher als lästige Pflicht denn als Chance und Herausforderung gesehen. Studiengänge wurden oft nur umetikettiert. Der Stoff wurde in viele kleine hoch spezialisierte Module zerhackt. Jedes einzelne Modul hat man dann mehrfach abgeprüft. Die Folgen für die Studierenden sind bekannt: hohe Arbeitsdichte, ständige Kontrolle und ein Prüfungsmarathon, der den Studenten keine Atempause lässt und keinen Umweg zugesteht.
Dank der Proteste der Studierenden wurde die Misere an den Hochschulen endlich öffentlich. Plötzlich konnten sich die Studierenden kaum noch vor Solidaritätsbekundungen retten. Allen voran Frau Schavan. Doch auch Herr Stratmann wollte nicht hintanstehen und lud zum Gespräch.
Von warmen Worten kann sich aber leider keiner etwas kaufen. Schon Schiller wusste: Das Wort wird nicht reichen, wenn die Tat nicht spricht. - Und auf Taten warten wir bis heute!
Meine Damen und Herren, die SPD gehört von Beginn an zu den Befürwortern des BolognaProzesses. Wir wollen, dass Bologna ein Erfolg wird und das Ziel eines europäischen Hochschulraumes ohne geografische und ohne soziale Grenzen Wirklichkeit wird.