Die Menschen wollen sich nicht krank zur Arbeit schleppen, weil sie Angst vor Kündigung haben müssen. Sie wollen anständige, gut bezahlte Arbeit, von der sie leben können. Sie wollen ihr örtliches und soziales Umfeld aufbauen und behalten und nicht arbeitsbedingt umziehen müssen, gerade Niedersachsen und Niedersächsinnen, von denen wir ja wissen, dass sie sturmfest, aber auch erdverwachsen sind.
Die Menschen wollen das Gefühl haben, ein Zuhause, eine Heimat zu haben, wo sie sich aufgehoben fühlen. Sie wollen nicht in Angst leben. Wo, Herr Wulff, ist Ihr Anteil, diese zutiefst menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen? Wann schließen Sie sich der Forderung der Linken nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn als untere Schranke an? Wann denken Sie über die von den Linken geforderte Arbeitszeitverkürzung nach, damit nicht Millionen arbeitslos sind und andere sich krank arbeiten, statt vom Produktionsfortschritt zu profitieren?
Wann begreifen Sie, dass Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch Rente mit 67 oder G8, parlamentarisch ausgedrückt, extrem unklug ist? Herr Wulff, es muss Ihnen doch peinlich sein, sich hier vorne hinzustellen und angesichts Millionen Arbeitsloser zu rechtfertigen, dass Schulabgänger früher in den Arbeitsmarkt gehen müssen und ihnen mit G8 ihre Jugend geraubt wird.
Wann endlich sorgen Sie für die von den Linken geforderte Abschaffung von Hartz IV oder mit einer Abschaffung der verfassungsrechtlich fragwürdigen Hartz-IV-Sanktionen zumindest für ein Weniger an Angst? Kommen Sie mir jetzt nicht mit anstrengungslosem Wohlstand und spätrömischer Dekadenz!
Sie werden all dieses Notwendige leider nicht tun. Aber es gibt für diejenigen, die ihr ganz natürliches menschliches Bedürfnis nach sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit politisch vertreten wissen wollen, zum Glück eine Alternative: die Linke. Sie wird sich - auch wenn Herr McAllister hier ausgeführt hat, Widerstand sei zwecklos -
Herr Wulff, Ihre warmen Worte und das Pathos in Ihrer Rede können über die Eiseskälte Ihrer Politik nicht hinwegtäuschen.
Schließlich weiß jeder mit einem Intelligenzquotienten über der Raumtemperatur, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht und vier neue Minister noch keine menschliche Politik machen, schon gar nicht bei der CDU und der FDP.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen zur Besprechung keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Besprechung abgeschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 und 13, die die Immunität von Abgeordneten betreffen, vereinbarungsgemäß zusammen auf:
Einzige (abschließende) Beratung: Immunität von Abgeordneten - Beschlussempfehlung des Ältestenrats - Drs. 16/2423
Einzige (abschließende) Beratung: Immunität von Abgeordneten - Beschlussempfehlung des Ältestenrats - Drs. 16/2424
Der Tagesordnungspunkt 12 betrifft die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Humke-Focks und der Tagesordnungspunkt 13 die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten EmmerichKopatsch.
Wir treten jetzt in die Beratung ein. Ich erteile dem Kollegen Jüttner von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen den Antrag auf Aufhebung der Immunität gegen unsere Kollegin Petra Emmerich-Kopatsch ab.
Ich will das begründen. Wir haben hier vor Monaten den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Asse eingesetzt, weil wir die Vermutung hatten, dass sich die Asse zu einem Skandal entwickeln kann. Und in der Tat: Das, was dort in der Einlagerung zwischen 1965 und 1978 geschehen ist, ist der größte umweltpolitische Skandal, der in Deutschland passiert ist.
Das wissen wir. Wenn ich es richtig sehe, dann ist das auch nicht strittig zwischen uns. Wenn man sich die Zeugenanhörungen ansieht, stellt man fest: Da ist für alle Beteiligten alles nach Recht und Gesetz abgelaufen. - Das Problem ist: Wir können nicht ausschließen, dass alles nach Recht und Gesetz abgelaufen ist. Deshalb interessiert uns die strafrechtliche Relevanz dieser Veranstaltung vergleichsweise wenig. Aber es ist ein Politikum, dass die Politik, die Wirtschaft und die Wissenschaft bei
Jetzt wird das Donnerstag für Donnerstag aufgeklärt. Da kommen schon Dinge ans Licht, die einen wirklich erschüttern müssen.
Meines Erachtens ist es Aufgabe der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, nicht nur aufzuklären, sondern auch ihre Arbeitsergebnisse öffentlich zu machen. Was hätten wir denn davon, wenn das nicht der Fall wäre? Dazu gehören nicht nur die öffentlich zugänglichen Protokolle über die Sitzungen, sondern dazu gehören auch Kommentierungen dieser Veranstaltungen.
Unsere Kollegin Emmerich-Kopatsch hat in einer Presseerklärung, die sie als stellvertretende Landesvorsitzende und als Mitglied des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - ich will ausdrücklich sagen: nicht als Privatperson - abgegeben hat, die Bundesbildungsministerin attackiert, als sie hier ausgesagt hat, und in diesem Zusammenhang auch zu einem der Zeugen Stellung genommen, der im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt hat. Dieser Zeuge ist nicht irgendwer, sondern, wenn man so will, die Spinne im Netz der atomaren Müllpolitik in Deutschland seit 1969.
Es kommt auch nicht von ungefähr, dass der Ausschuss diesen Zeugen noch einmal vorladen und wahrscheinlich auch vereidigen wird; denn es gibt eine Reihe von Ungereimtheiten, beispielsweise dass Deklarationen dessen, was dort eingelagert worden ist, nach Aussage des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz sehr häufig nicht korrekt waren. Es gibt Aussagen darüber, dass dort Einlagerungen vorgenommen worden sind, die nicht hätten durchgeführt werden dürfen. Außerdem gibt es - das liegt im PUA vor - Unterschriften dieses Zeugen auf Einlagerungsscheinen aus dem Jahre 1979, als die Einlagerung überhaupt keine rechtliche Genehmigungsgrundlage mehr hatte.
Dass in diesem Zusammenhang Ross und Reiter genannt werden und dass eine Abgeordnete ihr Wissen, wenn auch sehr zugespitzt, deutlich machen muss, fällt für uns unter politische Meinungsfreiheit, meine Damen und Herren.
Deshalb geht es bei dieser Frage nicht darum, wie sich Regierung und Opposition verhalten - das normale Spiel findet dabei im Kern nicht statt -, sondern es geht um die Frage, ob ein Parlament so selbstbewusst ist, für seine Mitglieder zu gewährleisten, dass deren Meinungsfreiheit uneingeschränkt gilt und dass die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht von Gerichten festgelegt werden, meine Damen und Herren.
Wir haben hier ein Verfahren entwickelt, dass die Immunität immer dann, wenn jemand von uns ein Fehlverhalten begeht - also eine Frau ihren Mann schlägt oder irgendjemand volltrunken durch die Gegend fährt -, automatisch aufgehoben wird, ohne dass wir diesen Sachverhalt hier behandeln. Das haben wir zu Beginn der Wahlperiode festgelegt, und das ist auch in Ordnung. Es gibt nur eine Ausnahme: Diese Ausnahme beschäftigt sich mit politischen Meinungsäußerungen von Abgeordneten. Ich finde, dafür gelten andere Kriterien. Wenn man sich die Fälle aus den letzten Jahrzehnten ansieht, dann stellt man fest, dass immer quer über die Fraktionsgrenzen entschieden worden ist, weil wir nicht wollen, dass Gerichte entscheiden, und weil wir wollen, dass zugespitzt argumentiert wird und dass hier auch Polemik - übrigens auch Unsachlichkeit - möglich ist. Das alles ist also abgedeckt.
Nun kommt der GBD mit seiner Vorlage und sagt, die Grenze liege zwischen Beleidigung und Verleumdung. So kann man das juristisch interpretieren. Das ist nachvollziehbar. Ich kritisiere den GBD gar nicht, sondern ich appelliere an das Selbstverständnis des Parlamentes. Im Übrigen habe ich die Presseerklärung von Frau Emmerich-Kopatsch am Montag in einer Pressekonferenz verteilt. Die Journalisten haben mich daraufhin gefragt: Wofür ist denn die Strafanzeige? Was liegt denn noch vor? - Ich habe gesagt: Es geht nur um diese Presseerklärung. - Daraufhin haben die Journalisten gefragt: Wieso, da steht doch gar nichts Verwerfliches drin? - Natürlich sind dort kritische Anmerkungen enthalten. Das ist so und ist doch gar nicht zu bestreiten.
Im Übrigen will ich auf Folgendes hinweisen, Kollege Langspecht: Sie haben am letzten Donnerstag eine Presseerklärung veröffentlicht, in der Sie mich verleumden,
weil Sie - ich war Zeuge im Untersuchungsausschuss, Sie waren anwesend - mich wider besseres Wissen in der Öffentlichkeit herabwürdigen. Das ist der gleiche Sachverhalt, der dort vorliegt.
Meine Damen und Herren, im Normalfall hätte ich die Presseerklärung in den Papierkorb geworfen und gesagt: Das ist hier das normale Geschäftsgebaren. - Ich werde als Fraktionsvorsitzender in jeder Woche beleidigt. Im Zweifel beleidigen wir die anderen auch.