Die klinischen Erfahrungen der forensischen Sexualmedizin zeigen, dass rechtskräftig verurteilte Sexualtäter für therapeutische Angebote schwerer zugänglich sind. Weiter gehen die Experten davon aus, dass sich weder die Nachfrage noch der vorausgegangene sexuelle Missbrauch über diese Maßnahme eindämmen lässt. Umso wichtiger, meine Damen und Herren, wird die Unterstützung dieses Präventionsansatzes, der sich an selbst motivierte, an Hilfe suchende Männer wendet. Es ergänzt die Möglichkeit - so die Fachleute - auf Reduktion der Nachfrage nach Kinderpornografie, und gleichzeitig senkt der Ansatz die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene pädophile Männer Kinder selbst missbrauchen, da hier darauf abgezielt wird, dass diese Männer die Verhaltenskontrolle über ihre Impulse lernen oder sie medikamentös zu unterdrücken.
Gerade vor dem Hintergrund der vielen, vielen Missbrauchsfälle darf es doch gar keinen Zweifel geben, dass es gesellschaftlicher Anstrengungen bedarf, um jedes Erfolg versprechende Projekt zu
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir finden es ausgesprochen gut und wichtig, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dieses sensible Thema angesprochen hat und dass wir es weitgehend schaffen, ruhige und vernünftige Redebeiträge dazu zu leisten, die hoffentlich dazu führen werden, dass wir entsprechend tätig werden können. Denn zwischen uns sollte unstrittig sein, dass der beste politische Umgang mit sexuellem Missbrauch von Kindern eine erfolgreiche Präventionsarbeit ist, die sich natürlich vorrangig an die Opfer richten muss. Das ist, denke ich, wichtig.
Wir müssen die Kinder früh dazu erziehen, ein Nein und eine deutliche Abwehrhaltung auf verbale und körperliche Grenzüberschreitungen zu habitualisieren. Das kann die Kinder leider nicht vollständig gegen jeglichen Übergriff, gegen jeglichen Missbrauch schützen, keine Frage. Aber es ist ein zentraler Punkt in der üblichen Konstellation des Kindesmissbrauchs. Es ist daher absolut bedauerlich, dass diesbezügliche pädagogische Projekte in Kindergärten und Schulen bisher nur unzureichend gefördert werden und soziale Akteure wie z. B. Mädchenprojekte chronisch unterfinanziert sind.
Neben der präventiven Arbeit mit den potenziellen Opfern müssen wir auch einen Blick auf die potenziellen Täter richten. Das wurde schon mehrfach gesagt. Das Charité-Projekt Dunkelfeld richtet sich dabei an drei verschiedene Gruppen von Männern - ich möchte das hier wiederholen -: erstens an Männer, die bisher weder sexuellen Missbrauch noch Kinderpornografiedelikte begangen haben, aber sich selbst davor fürchten, Kinderpornografie zu nutzen, zweitens an Männer, die noch nie sexuellen Missbrauch begangen haben, aber bereits im sogenannten Dunkelfeld Kinderpornografie genutzt haben und befürchten, dies weiter zu tun, drittens an Männer, die Kinderpornografie im Hellfeld genutzt haben und einen Rückfall befürchten. Wir sehen hier ein fraglos sehr schwieriges Arbeitsfeld. Es kann tatsächlich nur niedrigschwellig
funktionieren. Gleichzeitig darf es keineswegs den Anstrich eines Täterschutzes bekommen. Aber „schwierig“ heißt eben nicht „falsch“. Das müssen wir uns in diesem Zusammenhang immer wieder vor Augen führen.
Ich eröffne die Beratung und gebe Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in dieser Landtagssitzung ist deutlich geworden - es ist eigentlich schon in den letzten Monten deutlich geworden -: Unsere Kommunen befinden sich in einer tiefgreifenden finanziellen Krise. Unseren Städten und Gemeinden, jedenfalls sehr vielen Städten und Gemeinden, geht es nicht nur schlecht, sondern richtig schlecht. Viele unserer Kommunen und Gemeinden sind nicht nur verschuldet, sondern sogar überschuldet. Es gibt schlicht und ergreifend fast nichts mehr zu entscheiden, keine freiwilligen Leistungen mehr. Wir hangeln uns von einem Kassenkredit zum nächsten Haushaltssicherungskonzept.
Wenn ein solches Projekt verantwortungsvoll und mit hoher Fachkompetenz umgesetzt wird, kann es einen gewichtigen Beitrag zum Schutz von Kindern leisten, auf den wir nicht verzichten können. In diesem Fall habe ich die hoffentlich begründete Hoffnung an die CDU, dass wir uns dieses Projekt in Berlin wirklich einmal genauer anschauen und dann von diesen Erfahrungen lernen mögen. Wir brauchen auch an diesem Punkt das Rad in der Tat nicht neu zu erfinden; denn wir können in diesem Fall für Niedersachsen lernen. Das ist meine Hoffnung, mit der ich meinen Redebeitrag schließen möchte, nämlich dass wir uns dieses Projekt wirklich genauer anschauen. 80 000 Euro Anschubfinanzierung wären ein erster Schritt.
In diesen Zeiten macht es schlicht und ergreifend keinen echten Spaß mehr, das bürgerliche Ehrenamt auszuführen. Kommunalpolitik ist eine wirklich sehr schwierige Aufgabe geworden.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Zustimmung bei den GRÜNEN und bei den LINKEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Wo ist der Kommunalminis- ter?)
Auch in diesem Landtag reden wir immer wieder von dem großen Megathema Bildung. Wir sagen: Bildung ist die zentrale Herausforderung für unsere Zukunft; sie sichert unsere Zukunft und ist die entscheidende Antwort auf die Frage nach Chancengerechtigkeit.
Der Ältestenrat hat empfohlen, federführend den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend den Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit diesem Thema zu beschäftigen. Wer das so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Auch keine. Dann ist es so beschlossen.
Aber warum statten wir unsere Kommunen dann nicht finanziell vernünftig, angemessen, adäquat aus, damit sie den Krippenausbau schnell voranbringen können, der ein wichtiger Baustein in der Bildungslandschaft ist?
Insbesondere Herrn Schünemann möchte ich bei dieser Frage noch einmal ansprechen. Er ist der amtierende, verantwortliche Kommunalminister. Erste Beratung: Kommunalverfassungsrecht demokratisieren - Kommunalfinanzen reformieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2417
Herr Schünemann, Sie reden sehr gerne von dem Thema Prävention. Prävention ist Ihnen sehr wichtig. Wir haben vor Kurzem mit einem Kriminaldirektor des Bundesinnenministeriums gesprochen.
Wissen Sie, was der Ihnen antwortet, wenn Sie mit ihm über Kriminalprävention reden? - Er sagt, die entscheidende, langfristige, wichtige Aufgabe für echte Kriminalprävention ist die Primärprävention, ist der Ausbau der Bildungsinfrastruktur im frühkindlichen Bereich. Dazu habe ich von Ihnen noch nie etwas gehört.
Aber was hilft eine Gemeindefinanzreform, die vielleicht die Gewerbesteuer verstetigt oder nachhaltig reformiert, wenn die Kommunen auf anderen steuerpolitischen Ebenen zu weiteren Kürzungen herangezogen werden? - Damit ist nichts gewonnen.
Deswegen muss die zweite Aussage sein: Wir können uns momentan in dieser Finanzlage, in der der Bund, die Länder und die Kommunen dramatisch überschuldet sind, keine steuerpolitischen Beschlüsse auf Bundesebene leisten, die wiederum zulasten der Kommunen gehen.
(Astrid Vockert [CDU]: Das hat er schon immer gesagt! Da war er noch innenpolitischer Sprecher! Sie haben vielleicht eine Ahnung! Da waren Sie noch nicht im Landtag! - Heinz Rolfes [CDU]: Nur weil du es nicht mitbe- kommen hast!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ihrem Gesetzentwurf zum Kommunalverfassungsrecht ist auch kein großer kommunalpolitischer Aufbruch zu entdecken. Die Kommunalfinanzen und das Verfassungsrecht sind natürlich unmittelbar miteinander verkoppelt. Deswegen haben wir beide Punkte in einen Antrag geschrieben. Sie pflastern Kommunen lieber mit Videokameras zu. Sorgen Sie einmal dafür, dass die Kommunen den Krippenausbau schnell und zügig voranbringen können! Dann haben wir eine echte und funktionierende Kriminalprävention. (Beifall bei den GRÜNEN) In der Öffentlichkeit ist Ihre kleine böse Attacke gegen die kleineren Mitbewerber, die Stichwahl abzuschaffen, schon sehr kontrovers diskutiert worden. Das ist ein demokratischer Affront gegen diese politischen Mitbewerber.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weil momentan auf Bundesebene die entsprechende Arbeitsgruppe zur Gemeindefinanzreform tagt, muss von diesem Landtag heute das Signal ausgehen: Ja, wir müssen uns über die Kommunalfinanzen unterhalten, und wir müssen ein deutliches Signal aussenden. Wir wollen die Beibehaltung und auch eine Verstetigung und Verbreiterung der Gewerbesteuer, weil das alle Kommunen, alle Städte und Gemeinden fordern.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Mein Gott! Die Gesetzesberatung kommt noch!)
- Genau, die Gesetzesberatung kommt noch, Herr Rolfes. Aber es steht doch im Entwurf. Deswegen muss man sich auch frühzeitig in dieser Frage positionieren.
Das ist die zentrale Forderung der Städte und Gemeinden. Wir wollen eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer. Wir wollen keine Alternativkonzepte, auch keine aufkommensneutralen Alternativkonzepte, sondern wir wollen eine Revitalisierung der Gewerbesteuer.
(Beifall bei den GRÜNEN) Wir sagen klar und deutlich aus grüner Sicht: Wir wollen die Stichwahl beibehalten. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass ein Bewerber schon im ersten Wahlgang mit einer relativen Mehrheit von vielleicht 20 % oder 25 % gewählt werden kann, wenn also 75 % dagegen waren. Jemand kann also mit 25 % für acht Jahre zum Bürgermeister gewählt werden. Das ist überhaupt nicht demokratisch und findet in keiner Weise unsere Zustimmung. Interessant war es, gestern bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage zu hören, dass Sie gesagt haben: Momentan tagt man zur Gemeindefinanzreform, und das, was am Ende dabei herauskommt, muss auf jeden Fall aufkommensneutral sein. Als ich gefragt habe, ob Sie weitere Steuersenkungen im Bundesrat, die zulasten der Kommunen gehen, verhindern werden, haben Sie gesagt: Das wissen wir nicht genau, dazu ist die letzte Messe noch nicht gelesen. (Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)
In diesem Entwurf zum Kommunalverfassungsrecht vermisse ich auch weitere Aufbruchssignale. Es wird Sie nicht verwundern, dass Grüne immer wieder dafür streiten werden, dass Niedersachsen endlich einen reformierten Bürgerentscheid bekommt.
Abschließend: Wir brauchen vernünftige Finanzen für unsere Kommunen und ein neues demokratisches Kommunalverfassungsrecht.
Das ist eine zentrale Forderung vieler Bürgerrechtsorganisationen, von Mehr Demokratie e. V., aber auch von vielen anderen. Wir wollen endlich einen vernünftigen Bürgerentscheid im Kommunalverfassungsrecht, damit die Leute in diesem Lande auch bei entscheidenden kommunalpolitischen Fragen endlich substanziell mitarbeiten können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen greift zwei zentrale Themen in der aktuellen Innenpolitik auf. Gleich beide Themen - das neue Kommunalverfassungsgesetz und die Reform der Kommunalfinanzen - in einem Antrag abhandeln zu wollen, halte ich allerdings für nicht zielführend und sachgerecht.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir brauchen eine Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts, also eine Änderung des § 108 NGO. Darüber ärgern sich die Kommunen sehr stark. Wenn sie das entsprechende Geld vom Bund und von den Ländern nicht bekommen, dann müssten die Kommunen zumindest die Möglichkeit haben, entsprechende Erträge selber zu erwirtschaften. Das ist ganz zentral. Aber mit dem Privatisierungsvorbehalt in § 108 NGO haben Sie es den Gemeinden sehr schwer gemacht, eigene Einnahmen zu erwirtschaften. Wir brauchen dringend eine Änderung des entsprechenden Paragrafen, damit die Kommunen in dieser schwierigen Krise zumindest eigene Mittel erwirtschaften können.
(Zustimmung bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Stimmt! Das ist richtig! Das ist nur ein Rundumschlag!)
Der Entwurf eines Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes, also die Zusammenfassung von NGO, NLO, Göttingen-Gesetz und Regionsgesetz, befindet sich in der Verbandsanhörung und wird, denke ich, im Juniplenum ins Parlament eingebracht, sodass wir umfassend und gründlich beraten können und wohl auch eine große Anhörung durchführen werden. (Beifall bei den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, am Anfang stand lediglich ein einheitliches Kommunalgesetzbuch auf der Tagesordnung, also lediglich das Zusammenfassen ohne inhaltliche Änderungen. Dieses Ansinnen hat der Herr Innenminister sehr schnell aufgeben müssen, weil er landesweit auf Ablehnung gestoßen ist, auch bei den kommunalen Spitzenverbänden. Dann aber wurden ein paar inhaltliche Änderungen eingebracht - ein zugegebenermaßen geschickter Schachzug - und unter der Überschrift „Stärkung des Ehrenamtes“ vermarktet. Wenn man sich aber die zehn Punkte zur Stärkung der ehrenamtlichen Mitwirkung etwas genauer ansieht, kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass dort eigentlich nur weiße Salbe verteilt wurde.