- Ich gehe normalerweise auf Zwischenrufe nicht ein. Ich weiß, dass sie immer verringert wurde. Ich habe nachgesehen: Wir hatten mal eine Steuerverbundquote von über 22 %. Aber eines steht fest: Die SPD hat die Quote nie unter 16,04 % fallen lassen. Sie haben sie auf 15,04 % gesenkt.
Sie haben sich dann sogar noch dafür loben lassen, dass Sie die Quote mal wieder um knapp 0,5 % erhöht haben. Damit verbleiben immer noch mehr als 90 Millionen Euro, die jedes Jahr in den kommunalen Haushalten fehlen - das alles im Vergleich zu der Zeit, als Sie die Regierung übernommen haben. Genau diese Summe fehlt in den kommunalen Kassen und müsste eigentlich wieder aufgefüllt werden.
Nun soll den finanzschwachen Städten und Gemeinden dauerhaft geholfen werden, ihre finanziellen Probleme zu lösen. Das finde ich ja ganz gut. Die Zauberworte heißen „Fusion“ und „Entschuldungsfonds“. Sicherlich ist das kein schlechter Weg - das ist vielleicht ein Lob, aber Kritik kommt gleich hinterher -, jedoch weist er wegen der ungenügenden Vorbereitung und der Halbherzigkeit, mit der Sie die Vorhaben umzusetzen versuchen, nach meiner Meinung große Defizite auf.
Wie sehen diese Defizite unserer Meinung nach aus? - Über den Finanzausgleich habe ich gesprochen. Wir meinen, er müsste zumindest so erhöht werden, dass die Kommunen wieder ein bisschen mehr Geld zur Verfügung haben. Dann reden Sie von Fusionen und sprechen dabei ganz eindeutig von Freiwilligkeit. Sie sagen, diese Fusionen müssen freiwillig geschehen. Das heißt, jede beteiligte Gebietskörperschaft muss der geplanten Fusion zustimmen. Damit haben Sie ein erstes Problem: Die Verweigerungshaltung einzelner Gemeinden, Mitgliedsgemeinden oder auch von Landkreisen kann jede sinnvolle Fusion verhindern. Zum Beispiel wird sich höchstwahrscheinlich kein Landkreis, der eine Kommune abgeben sollte, weil auch eine kreisübergreifende Fusion möglich wäre, darauf einlassen; denn er würde sich mit seiner Zustimmung selbst schwächen.
Die ärmsten Gemeinden bleiben auf der Strecke. Keiner will sie haben. Auch das habe ich schon einmal angesprochen. Die Folge ist: Es wird bei
uns ein Flickenteppich entstehen, weil nur die Gemeinden fusionieren, die meinen, sie könnten das gemeinsam machen, während die armen Gemeinden außen vor bleiben. Dadurch entsteht ein Flickenteppich, der vielleicht später gar nicht mehr zu korrigieren ist.
Das zweite Zauberwort heißt „Entschuldungsfonds“. Bis zu 70 Millionen Euro sollen in den Pott einfließen. 35 Millionen Euro kommen vom Land - das ist ja toll -, aber 35 Millionen Euro kommen auch von den Kommunen. Auch das heißt wieder für die Kommunen: Alle müssen mit bezahlen, aber nicht alle können davon profitieren.
Ich habe es eben noch einmal genannt: Es muss erst einmal eine Partnersuche stattfinden. Alle diejenigen, die die größten Probleme haben, werden, wenn sie Pech haben, keinen Partner finden und haben damit auch keine Chance, eine Fusion überhaupt anzustreben.
Ferner sind die Zahlungen selbstverständlich an Bedingungen geknüpft, die nicht alle fusionswilligen Gemeinden erfüllen können. Auch die stehen wiederum außen vor.
Dann steht die Frage im Raum, wie die Entschuldungsziele vor dem Hintergrund immer neuer Rückgänge bei den Steuereinnahmen erreicht werden.
Die nächste Frage: Wie gerecht ist die Vorgabe des Innenministeriums, dass nur die aufgelaufenen Kassenkredite bis zu 75 % entschuldet werden? - Ich bin Kaufmann und habe einmal gelernt: Wenn man Kassenkredite hat - sie heißen auch „Kontokorrentkredite“ - und sie hoch auflaufen, dann muss man diese möglichst schnell in Investitionskredite umschulden. So habe ich das einmal gelernt. Es gibt viele Gemeinden, die genauso gehandelt haben. Sie haben richtig gehandelt und haben ihre Kassenkredite in Investitionskredite umgewandelt. Aber es gibt auch Gemeinden, die das noch nicht getan haben. Die ersten haben ihre Hausaufgaben richtig gemacht, die zweiten aber nicht. Die zweiten werden aber dafür, dass sie es nicht gemacht haben, auch noch belohnt; denn es heißt, Kassenkredite werden bis zu 75 % entschuldet.
Ich habe gerade die Glocke gehört. Für mich ergäben sich noch einige Fragen, aber eine ganz wichtige Frage möchte ich Ihnen noch stellen: Wie ernst meint es nun unser Innenminister mit den Fusionsgesprächen mit den Städten und Gemein
den? Dazu habe ich einen Zeitungsausschnitt mitgebracht. Ich möchte das kurz zitieren. Dabei geht es um die Fusion der Samtgemeinde Walkenried mit der Stadt Bad Sachsa. Hierzu hat der Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes einen Bericht geschrieben. Danach seien bereits am 17. September 2008 Vertreter des CDU-Samtgemeindeverbandes im Ministerium gewesen und hätten dort einen Gesprächstermin mit Innenminister Schünemann zur Thematik „Fusion“ wahrgenommen.
Schon damals habe der Innenminister gesagt, dass eine Fusionseinheit von der Größenordnung Bad Sachsa/Walkenried keinen Sinn mache.
Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Auf der einen Seite bemüht man sich zu fusionieren. Auf der anderen Seite stellt sich der Innenminister hin und sagt: Das macht keinen Sinn. - Diese Aussage ist mir ein bisschen schleierhaft. Aber vielleicht kann der Herr Minister selbst etwas dazu sagen.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Wir kommen in den zentralen Fragen der Gebiets- und auch der Verwaltungsreform, die für das Land wichtig sind, in dieser Legislatur überhaupt nicht voran, sehr verehrte Damen und Herren. Nach der Abschaffung der Bezirksregierung ist dieser Prozess stecken geblieben. Das muss man ganz ehrlich konstatieren, Herr Schünemann. Sie wissen auch nicht genau, wie Sie diesen Prozess jetzt wieder in Fahrt bringen sollen. Jeder in diesem Land weiß eigentlich: Die kommunale Gebietskulisse in Niedersachsen ist nicht zukunftsfähig, und die ganze Verwaltungsstruktur ist nicht wirklich durchdacht. Aber Sie haben in dieser Legislatur einen zentralen großen Fehler gemacht; denn Sie haben gesagt: Mit mir gibt es keine Gebietsreform von oben. - Das ist
das entsprechende Mantra, auf das Sie sich zurückgezogen haben. Deswegen haben wir momentan das Phänomen, dass sich schlicht und ergreifend nichts voranbewegt.
Das ist überraschend; denn das wissen mittlerweile eigentlich alle. Zum Beispiel Herr McAllister fährt durch seinen Landkreis und sagt: Liebe Leute, fangt mal an, etwas nachzudenken; denn wer sich nicht bewegt, wird bewegt. - Das hört sich schon ganz anders an, Herr McAllister, da ist schon die erste unterschwellige Drohung. Wir sind schon ganz gespannt, was passiert, wenn Sie - vielleicht - in andere Ämter kommen, ob dann der Druck noch einmal etwas erhöht wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Alle in Niedersachsen wissen es also: Die Gebietskulisse ist nicht wirklich zukunftsfähig, und der Verwaltungsaufbau ist nicht wirklich durchdacht. Es ist ein großer Mythos, Herr Schünemann, dass wir eine glasklare, in sich konsistente oder in sich logische Zweistufigkeit haben. Wir haben mehrere Sonderbehörden im Land. Wir haben die Regierungsvertretungen. Da wissen Sie nicht so recht, was mit ihnen passieren soll. Wir haben die GLLs. Da wissen Sie nicht so recht, was mit ihnen passieren soll. Mit dem NLWKN haben wir eine weitere Sonderbehörde, eine große Mammutbehörde. Was da passiert, ist auch nicht so recht in sich stimmig. Also: viele ungelöste Fragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl was die Verwaltung als auch was die kommunale Gebietskulisse angeht! Da müssen schlicht und ergreifend jetzt endlich einmal mehr Veränderungen her.
Jetzt haben Sie eine Idee gehabt - Herr Hausmann hat es gesagt -, die am Anfang einen gewissen Charme hatte. Sie wissen natürlich, dass Gebietsreformen ein sehr schwieriges Vorhaben sind - das wissen wir alle in diesem Hause -, weil die Kommunen eine extrem starke Stellung in der Verfassung haben. Da haben Sie sich angeschaut, wie andere Bundesländer das gemacht haben, und festgestellt: Uh, das ist ein sehr schwieriger Prozess! Da gab es einige Niederlagen vor den Staatsgerichtshöfen. - Daraufhin hat sich Uwe Schünemann gesagt: So mache ich das nicht, sondern ich mache einen Zukunftsvertrag und versuche, mit dem goldenen Zügel zu führen. - Mit Speck lockt man Mäuse, und vielleicht lockt man mit einem Entschuldungsvertrag den einen oder anderen Landrat oder Bürgermeister. Die Grundidee ist also gar nicht so schlecht. Aber jetzt, Herr
Schünemann, müssen wir doch konstatierten, dass nichts in die Gänge kommt, dass nichts passiert. Der Zukunftsvertrag ist - so leid es mir tut - ein großer Flop. Er greift schlicht und ergreifend nicht. Das ist das zentrale Problem.
Sie können gleich darstellen, wo in dieser Legislatur auf der Kreisebene noch etwas passieren soll. Da bin ich insbesondere auf Ihren Landkreis ganz gespannt. Er führt einen politischen Limbotanz auf: Mal geht er dahin, mal geht er dorthin, aber so richtig klar ist es nicht, ob er überhaupt noch fusionieren will.
Wir haben in Niedersachsen über 450 Gemeinden. Vier oder fünf überlegen jetzt aufgrund des Zukunftsvertrages, vielleicht zu fusionieren. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist schlicht und ergreifend zu wenig, das klappt nicht, das reicht einfach nicht. Wir müssen mehr machen! Wir brauchen definitiv mehr!
Deswegen am Ende mein Angebot: Ich glaube, es wäre notwendig, dass wir in dieser wichtigen Frage aus parteipolitischen Schützengräben hinauskommen. Es war sehr schade und in meinen Augen auch ein großer politischer Fehler, dass Sie damals gesagt haben: Die Enquetekommission brauchen wir nicht. Ich versuche, das alles selbst zu regeln. - Vielleicht hätten wir gemeinsam eine Gebietskulisse planen können, und zwar nach etwas rationaleren und moderneren Zukunftsgesichtspunkten. Das wollten Sie aber nicht. Jetzt ist der Karren ziemlich tief in den Dreck gefahren; denn wir haben in diesem Bereich keine Bewegung. Sie müssen irgendwann einmal in diesem Hause die Frage beantworten, wohin Sie sowohl mit der Verwaltungsstruktur als auch mit der Gebietsstruktur wollen. Sie haben keinen Plan dafür. Jetzt wird uns dieser kleine, mickrige Zukunftsvertrag präsentiert. Natürlich wissen wir alle: Eine Gebietsreform alleine wird nicht ausreichen. Wir brauchen - das ist mindestens genauso wichtig - eine Gemeindefinanzreform. Das ist ganz zentral. Wir brauchen auch eine vernünftige Wirtschaftsstrukturpolitik. Wir brauchen aber auch ganz bestimmt mehr als diesen kleinen Zukunftsvertrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kern des Gesetzes ist die Schaffung eines Entschuldungsfonds für Landkreise und Gemeinden, der in Form eines Sondervermögens aufgelegt werden soll und sich zu gleichen Teilen aus Mitteln des Landes und der kommunalen Gebietskörperschaften durch jährliche Zuführungen speist. Das Land erhebt den kommunalen Anteil der Zuführungen an den Fonds durch eine Umlage bei den Landkreisen und Gemeinden. Diese Zins- und Tilgungshilfe können Landkreise und Gemeinden mit weit überdurchschnittlicher Liquiditätskreditverschuldung erhalten, die trotz erheblicher Konsolidierungsbemühungen keinen Haushaltsausgleich erreichen, wenn sie mittels einer Fusion oder Umwandlung in eine Einheitsgemeinde zu einer wesentlichen Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit beitragen oder mit entsprechender Zins- und Tilgungshilfe ohne Fusion oder Umwandlung ihre dauernde Leistungsfähigkeit wiederherstellen können.
Meine Damen und Herren, aus der Sicht meiner Fraktion ist das der falsche Weg. Mit der Regelung, dass die kommunale Ebene an der Speisung des Fonds beteiligt werden soll, wird letztlich die sowieso schon katastrophale finanzielle Lage der Kommunen weiter verschärft.
Die Konsequenz ist: Arme Kommunen sollen den allerärmsten Kommunen unter die Arme greifen. Das löst keines der Probleme und wird von uns abgelehnt.
Wenn überhaupt, muss das Land einen solchen Fonds alleine speisen. Was wir in diesem Land viel mehr brauchen, ist eine grundsätzliche Reform der Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden, die zum Ergebnis haben muss, dass die Einnahmeseite der Kommunen endlich auf stabile Füße gestellt wird und die chronische Unterfinanzierung und das damit einhergehende strukturelle Defizit beendet wird.
und mehr auf Kassenkredite zurückgreifen müssen. Die wenigen Kommunen, die bisher ohne Kassenkredite ausgekommen sind, werden sich also sowieso und zusätzlich wegen dieser verzweifelten Rettungsversuche für andere Kommunen hoch verschulden müssen. In Wolfsburg z. B. wurden zur Vermeidung von Kassenkrediten die Rücklagen in den aktuellen Haushalt eingestellt. Wenn sich also auf der Einnahmeseite nichts tut - z. B. keine steigenden Gewerbesteuereinnahmen durch einen großen Automobilkonzern eintreten -, wird auch Wolfsburg Kassenkredite aufnehmen müssen, um sich selber und dann auch andere Kommunen zu finanzieren.
Doch was passiert eigentlich, wenn eine hoch verschuldete Kommune keinen Fusionspartner findet? Wie wollen Sie mit den Kommunen in der Randlage zu anderen Bundesländern umgehen? Wie werden Sie der besonderen Situation im ländlichen Raum Rechnung tragen? - Sie haben auf all das keine Antworten und schaffen eine Form von Ungleichbehandlung. Selbst der Landesrechnungshof moniert in seiner Stellungnahme unbestimmte Rechtsbegriffe.
Meine Damen und Herren, die kommunale Selbstverwaltung wird zu einer Farce, Entscheidungen können schon jetzt nicht mehr getroffen werden, weil die zur Umsetzung notwendigen Mittel schlicht und einfach nicht mehr vorhanden sind. Dadurch, meine Damen und Herren, wird der Willkür des Innenministeriums Tür und Tor geöffnet.
Meine Damen und Herren, was Sie hier planen, ist eine Scheinlösung. Meine Fraktion lehnt die Beschlussempfehlung des Ausschusses und somit dieses Gesetz ab.