Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

Schwerverletzten - sieben Tage dienstunfähig - um 60 % zugenommen hat. Wir müssen sehen, ob es nicht auch im Strafrecht Veränderungen geben muss. Da kann ich die Justizministerin nicht ganz unterstützen. Frau Modder hat zu Recht darauf hingewiesen, mit welcher Äußerung sie darauf reagiert hat.

Es ist schon ein Unterschied, ob ich als Polizist eingreifen muss - ich habe ja keine Wahl - oder ob ich im Prinzip als Bürger Opfer von Körperverletzungen werde. Ob ich hier bei den Polizisten bzw. Vollzugsbeamten eine eigene Strafrechtsnorm einführe und dort eine höhere Mindeststrafe vorsehe, sollte zumindest diskutiert werden. Das haben wir noch nicht entschieden. Dies muss man sich aber in der Studie genauer anschauen.

Positiv ist, dass die Anzahl der besonders schwer Verletzten um fast 30 % zurückgegangen ist. Das kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen ist die Schutzausstattung, zum anderen ist das Training gerade in Niedersachsen verbessert worden. Hier können wir aber nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern ich will aus den weiteren Ergebnissen der Studie genau ersehen, ob wir unsere Ausbildung und unsere Fortbildung verändern müssen. Auch deshalb haben wir diese Studie in Auftrag gegeben.

Genauso interessant ist, dass zwei Drittel der Täter stark alkoholisiert waren. Deswegen ist unser Weg, den wir hier eingeschlagen haben, auch richtig, in dem Bereich mehr Prävention zu machen. Wenn die Täter immer jünger und immer betrunkener werden, heißt das, dass wir die Kontrollen gerade bei Jugendlichen ausweiten müssen. Die Testkäufe sind richtig. Aber in dem Bereich müssen wir sehr viel mehr Prävention machen. Das haben wir auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gebracht und werden wir insgesamt umsetzen.

Der andere Punkt ist: Wir haben gerade bei Demonstrationen, wenn es um politisch motivierte Gewalt geht, festgestellt, dass zwei Drittel der Täter linksextremistisch sind.

(Zuruf von der LINKEN)

- Ja, das ist einfach Fakt, und das ist nichts, worüber man lächeln muss. - Deshalb ist es richtig, dass wir hier immer darauf hingewiesen haben und auch mit den Gewerkschaften, mit den Unternehmern, mit allen versuchen müssen, ein Bündnis gegen diese linksextremistische Gewalt zu organisieren. Es ist meiner Ansicht nach ganz wichtig, uns hier nicht zurückzunehmen, sondern zu sagen:

Jede Form von Gewalt muss in unserer Gesellschaft geächtet werden. Ich wünsche mir da insgesamt ein besseres Zeichen in unserer Gesellschaft. Auch das haben diese Zahlen dargelegt.

(Beifall bei der CDU)

Ein ganz entscheidender Punkt, den ich auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt habe, ist Gott sei Dank beschlossen worden: die Fürsorge für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein.

Es ist aber auch richtig, in allen Bundesländern nachzuschauen, ob dann, wenn jemand Opfer von Gewalt geworden ist, wir die psychologische Betreuung in dem ausreichenden Maße anbieten. In Niedersachsen gibt es die Regionalberatungsstellen. Wir müssen sehen, ob tatsächlich auch erkannt wird, ob jemand psychologisch betreut werden muss. Da müssen wir noch nachbessern. Wenn finanzielle Folgen eintreten, müssen wir ganz unbürokratisch arbeiten. Deshalb haben wir im Ausschuss darüber gesprochen. Das werden wir insgesamt auch auf Bundesebene evaluieren. Denn es ist klar: Wir dürfen nicht nur darüber sprechen, dass wir Gewalt gegen Polizisten ächten, sondern wir müssen auch unsere Fürsorge wahrnehmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Deshalb wollen wir hier alles auf den Prüfstand stellen und Verbesserungen weiter umsetzen.

Meine Damen und Herren, das ist ein ernstes Thema. Ich freue mich, dass es hier im Parlament diskutiert wird. Hier ist nicht nur eine Antwort gefordert. Aber es ist genauso falsch, etwas auszuschließen. Ich hoffe, dass wir einen Konsens erzielen und ein klares Zeichen setzen, dass wir die Polizisten nicht nur unterstützen, sondern ihnen auch praktische Hilfe geben. Daran werden wir auf jeden Fall arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile Herrn Kollegen Oetjen das Wort. Er hat eine Restredezeit von 35 Sekunden.

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident, dass ich die Möglichkeit erhalte, noch einmal zu sprechen. Ich habe eben nämlich versäumt, auf die Frage des unterschiedlichen Strafmaßes für Polizisten und andere Menschen einzugehen.

Ich möchte hier deutlich machen, dass die FDPFraktion im Niedersächsischen Landtag die Position der Bundesjustizministerin teilt. Vor dem Gesetz sind alle gleich, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Beifall bei der FDP)

und das gilt auch für Polizisten. Trotzdem müssen wir gegen Gewalt gegen Polizeibeamte kämpfen.

(Beifall bei der FDP - Ralf Briese [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 14 b liegen mir nicht vor.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 14 c auf:

Minister Schünemann entscheidet, wen die Integrationsministerin Özkan integrieren darf - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2547

Dazu erteile ich Herrn Kollegen Bachmann von der SPD-Fraktion das Wort.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Der scharfe Wachmann!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unmittelbar nach der Überleitung der Integrationsabteilung vom Innenministerium auf das Sozialministerium nach der Regierungsumbildung haben wir als Fraktion im Innenausschuss eine Unterrichtung über die konkrete Ressortabgrenzung beantragt. Die Erkenntnisse waren niederschmetternd.

Wir mussten mit großem Befremden zur Kenntnis nehmen, dass Innenminister Schünemann, der sich in diesen grundsätzlichen Fragen nicht gerade durch große Liberalität ausgezeichnet hat, tatsächlich alle Entscheidungen trifft, welche gesellschaftlichen Gruppen, im Wesentlichen gefördert vom Land - wir sind uns darüber einig, dass das passiert; es ist nicht ausreichend, aber es passiert -, durch die aktive Integrationspolitik gefördert werden, und dass Innenminister Schünemann sozusagen allein über die Voraussetzungen entscheidet. Er ist zuständig für alle Fragen, die mit Flüchtlingen und Zuwanderung im Zusammenhang stehen, also in allen Einbürgerungsfragen, beim Aufenthaltsrecht, bei der Zuerkennung des Aufent

haltsstatus. Er bleibt auch für alle Härtefallfragen zuständig. Das heißt, meine Damen und Herren: Frau Ministerin Özkan darf sich nur um diejenigen Menschen ausländischer Herkunft kümmern, die einen gesicherten Status haben. Zudem - das ist hier insbesondere kritisch zu bemerken - bleibt für die Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern nach wie vor das Innenministerium zuständig.

(Zuruf von der CDU: Wir sind glücklich darüber!)

Es will doch wohl niemand bezweifeln, dass Menschen, die als Spätaussiedler zu uns kommen und die zum Teil aufgrund ihres Status einen Anspruch haben, von vornherein die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten, weil sie Deutsche sind, in der Praxis trotzdem die gleichen Integrationsprobleme in diesem Land haben. Sie kommen doch nicht allein. Es kommen Familienangehörige, Ehepartnerinnen und Ehepartner mit, die diesen Status nicht haben, sodass Integrationspolitik und Zuwanderungspolitik aus einer Hand in diesem Lande nicht mehr möglich sind.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie kennen unsere Alternativvorschläge. Wir haben gesagt, das ist eine Querschnittsaufgabe - das ist auch parteipolitisch unser Programm, und wir haben es zu Beginn dieser Wahlperiode deutlich gemacht -, die in die Staatskanzlei gehört und die dort als Querschnittsaufgabe wahrzunehmen ist. Das haben Sie anders entschieden. Das wird eine Auseinandersetzung mit dem Minister bei seiner bekannten Einstellung in den nächsten Monaten sein, die uns hier noch oft beschäftigen wird.

Ich will Ihnen, Frau Özkan, ausdrücklich zubilligen, auch nach Ihrer Vorstellung in der Integrationskommission, dass Sie weiterhin gute Ansätze haben und dass wir das, was integrationspolitische Vorstellungen angeht, inhaltlich fachlich unterstützen, weil das auch unsere Zielsetzung ist. Aber Sie haben eben keinen Einfluss auf die Gruppe, die Sie damit erreichen können. Das allein wird in diesem Hause entschieden.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir geben dem Parlament die Möglichkeit, den Bereich wenigstens hier besser zu organisieren. Unser Antrag hier im Parlament, einen Querschnittsausschuss für Integrations- und Migrationspolitik einzurichten, liegt bereits vor. Lassen Sie uns hier im Parlament vorbildlich sein, durch sozu

sagen einen Querschnitts-Landtagsausschuss die Dinge zu bündeln und aus einer Hand zu betrachten.

Was ist seitdem konkret passiert? - Im Bundesrat haben am 7. Mai Abstimmungen über eine Initiative der Bundesländer Berlin, Bremen und Brandenburg zur Abschaffung des Optionszwangs bei sogenannten Doppelstaatlern stattgefunden, nämlich denen, die aufgrund unseres Staatsangehörigkeitsrechts mit der Geburt in Deutschland einen Anspruch auch auf die deutsche Staatsangehörigkeit neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern haben.

Ich habe hier in einer früheren Debatte schon einmal deutlich gemacht, wie schizophren es ist, wenn diese jungen Menschen mit 16 Jahren bei der Kommunalwahl auch aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit wahlberechtigt sind und dann nach einer einmaligen Wahl, wenn sie anders optieren wollen oder müssen, dieses Wahlrecht mit 18 Jahren wieder verlieren. Das ist das eine.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Das andere ist: Alle Integrationsfachleute in diesem Land betrachten diese Optionsregelung, diesen Optionszwang als Migrationshemmnis. Alle raten zur erleichterten Hinnahme von Doppelstaatlichkeit. Das würde auch entscheidende Vorteile bringen, um Integrationspolitik tatsächlich positiv zu gestalten.

Herr Kollege McAllister, ich habe in diesen Tagen der Zeitung entnommen, dass Sie stolz darauf sind, Doppelstaatler zu sein. Gönnen Sie diesen Stolz doch auch den Menschen, denen Sie das vorenthalten!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wenn Sie in nächster Zeit tatsächlich einmal die Gelegenheit haben sollten, hier eine Regierungserklärung abzugeben, dann werden Sie hoffentlich genau diese Forderung aufgrund Ihres eigenen, wie selbstverständlich hingenommenen Status aufgreifen und das auch den anderen Menschen anbieten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr McAllister, mindestens werden Sie uns folgende Frage beantworten müssen: Wenn dieses Recht bei Ihrem 18. Geburtstag auch für Sie Recht gewesen wäre, wie hätten Sie dann optiert? Könn

ten Sie dann hier antreten, oder könnten Sie hier nicht antreten?

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD - Wolfgang Jüttner [SPD]: Geh doch ins schottische Parlament! Da brauchen sie noch einen!)

Aber Frau Özkan, zu all diesen Debatten - und das macht das Dilemma deutlich - äußern Sie sich nicht. Sie befinden sich immer noch in der 100Tage-Frist, und wir unterstützen Sie aktiv. Aber Sie haben trotzdem die Gelegenheit, Dinge, die im Hause Schünemann entschieden werden, die Integrationshemmnisse und integrationsfeindlich sind, auch verbal zu begleiten.

Ich wünsche Ihnen drei Dinge: Ich wünsche Ihnen für die Zukunft den Mut zum Widerspruch, was diesen Innenminister angeht.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich wünsche Ihnen ein starkes Rückgrat, um Integrationsinteressen auch von den Menschen zu vertreten, die dieser Innenminister nicht integrieren will.