Protokoll der Sitzung vom 17.08.2010

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Pieper das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde

schon erwähnt: Am 1. Juli 1994 hat die damalige Landesregierung das Niedersächsische Gleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht. Man kann im Ergebnis sagen: Das war ein guter Schritt und auch ein wichtiger Schritt, um den Verfassungsauftrag umzusetzen.

Im Laufe der Jahre hat sich, wie die Berichte aus dem Januar 2000, aus dem Dezember 2004 und aus dem Januar 2010 ausweisen, der Frauenanteil in der öffentlichen Verwaltung deutlich erhöht. Allerdings sagt der jüngste Bericht auch deutlich aus, dass sich der Anteil der Frauen in den höheren Besoldungs- und Vergütungsgruppen nicht wesentlich verändert hat. Da muss ich meinen Vorrednerinnen Recht geben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann können Sie ja zustimmen!)

Eine Steigerung um lediglich 5,2 % in der Besoldungsgruppe A 16 und um nur 0,5 % in den Besoldungsgruppen B 5 bis B 11 ist zu wenig. Nur der Vollständigkeit halber, Frau Groskurt: Der Anteil der Frauen in der Besoldungsgruppe A 13 beträgt 49,1 %.

(Beifall bei der CDU)

Eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen in höheren und in Führungspositionen ist nach 16 Jahren leider noch nicht so erreicht, wie wir alle es uns vorgestellt haben.

Seit 1994 sind 16 Jahre vergangen. Sie, Frau Groskurt, haben nur die letzten sieben Jahre angesprochen. Die neun Jahre vorher haben Sie in Ihrem Redebeitrag leider vergessen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von daher ist es absolut richtig, dass unsere Sozialministerin Aygül Özkan im Mai das MentoringProgramm „Fit für Führung“ aufgelegt hat, um insbesondere unseren qualifizierten Frauen im gehobenen Dienst zusätzliche Qualifizierungsangebote zu unterbreiten, um sie in ihrem Karrierebestreben zu unterstützen und um ihnen auch ein wenig den Rücken zu stärken. Ebenso vorbildlich ist auch der ausgelobte Preis für familienfreundliche Unternehmen, also für die Privatwirtschaft, und für Kommunen, um hier ein deutliches Signal zu setzen.

(Beifall bei der CDU)

Der aktuelle Bericht benennt aber auch einige Tätigkeitsfelder, auf denen etwas zu verändern ist. Auf Seite 90 heißt es:

„Aktivitäten, die die Vereinbarkeit von familiären Aufgaben mit qualifizierter beruflicher Arbeit erleichtern (Kinder- betreuungsangebote, Teilbarkeit von Führungspositionen, Angebote zur familienfreundlichen Arbeitsplatzges- taltung) und die Ermutigung von Vätern zur Übernahme von Familienarbeit, z. B. durch gezielte Maßnahmen zur Förderung von Teilzeitarbeit von Männern...“

Das sind Anstöße, die auf jeden Fall zu bedenken sind.

Meine Damen und Herren, bereits bei der Einbringung der Novelle haben wir deutlich gemacht, dass, um die Unterrepräsentanz von Frauen abzubauen, die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit als gleichrangiges Ziel mit aufgenommen worden ist. Wir haben zum ersten Mal die Verpflichtung der Dienststellen aufgenommen, den Aspekt des Gender Mainstreamings - Frauen und Männer - einzubinden. Dies entspricht auch dem aktuellen Sachstand im Europäischen Parlament. In Kapitel 6.4 des europapolitischen Konzepts findet sich in dem Bericht der Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern eine entsprechende deutliche Formulierung.

Ich habe die Sätze noch deutlich im Ohr, die wir damals bei der Einbringung der Gesetzesnovelle gehört haben. Ich zitiere hier einmal aus dem Protokoll der Plenarsitzung vom 1. Juli 2008. Damals wurde von Frau Twesten ganz klar gesagt, dass Überlegungen in Bezug auf die Benachteiligung von Frauen nicht auf die Mutterrolle reduziert werden dürfen. Auf der einen Seite haben Sie recht. Auf der anderen Seite blenden Sie aber vollkommen die Realitäten aus. Gerade die Frauen, sie sich jahrelang um die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder gekümmert haben, sind doch diejenigen, die benachteiligt sind. Für sie müssen wir noch einiges tun.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Rahmenbedingungen verändern. Das heißt, die Betreuungsplätze müssen noch weiter ausgebaut werden. Das haben wir getan. Wir haben die Ganztagsschulangebote ausgebaut, um genau für diese Frauen bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier gilt es den Hebel anzusetzen. Es muss zielgerichtete Maßnahmen geben, die mehr Möglichkeiten eröffnen. Ich nenne als Beispiel die FIFA, Koordinierungsstelle „Frau und Wirtschaft“ usw. Es geht auch darum, in einem

ausgewogenen Zielkorridor zu operieren, z. B. mit einem modernen Managementsystem wie im Falle der Balanced Scorecard. Dies ist das Kernziel unserer Gesetzesnovellierung. Frau Groskurt, der jetzt eingebrachte Entschließungsantrag, der nur auf die Entfristung abzielt, ist nicht ausreichend. Wir wollen mehr. Wir wollen alles aus einem Guss. Wir wollen, dass für unsere Frauen eine zukunftsgerichtete Politik betrieben wird.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Pieper. - Zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Groskurt von der SPD-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Pieper, in diesem Falle behalte ich nicht gern recht. Sie haben eben den prozentualen Anteil der Frauen in der Besoldungsgruppe A 13 erwähnt. Auf Seite 69 des Berichtes steht leider, so wie ich es ausgeführt habe: A 13 16,8 %. Das ist bitter. In diesem Bereich müssen wir wirklich etwas tun.

Zur Entfristung sei Folgendes gesagt: Die Zeit drängt. Wir haben jetzt August. Wir stehen vor den Haushaltsberatungen. Damit wäre für uns doch Spielraum gegeben, um über Ihren Gesetzentwurf in Ruhe zu beraten. Wir können jetzt entfristen und dann in Ruhe beraten und für die Frauen wirklich das Optimale herausholen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Pieper, auch Sie haben anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich zitiere jetzt einmal aus dem Bericht, den Sie ebenfalls bekommen haben. Auf Seite 4, wo es um den Frauenanteil in Hierarchiestufen geht, wird für die Besoldungsgruppe A 13 ein Anteil von 49,1 % ausgewiesen. Frau Groskurt, dies ist das Erste.

Zweitens frage ich Sie allen Ernstes, warum Sie den Gesetzentwurf erst jetzt eingebracht haben. Wir sind mitten in der Beratung. Die Anhörung der

Verbände hat stattgefunden. Die Unterrichtung durch das Sozialministerium hat stattgefunden. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst wird uns jetzt unterrichten. Wir sind auf der Zielgeraden. Was Sie betreiben, ist Aktionismus und nicht der Sache dienlich. Ich denke, wir sollten daran arbeiten, dass wir hier ein vernünftiges Konzept zustande bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Flauger das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauen bekommen in Deutschland fast ein Viertel weniger Gehalt als Männer. Mit diesem Wert steht Deutschland an viertletzter Stelle von 27 EU-Staaten. Dafür bekommt man in keinem Wettbewerb eine Medaille Es reicht höchstens für eine Teilnahmebescheinigung.

Der Anteil der Frauen im Topmanagement der größeren deutschen Wirtschaftsunternehmen beträgt nur 5,9 %. Vor Kurzem gab es eine Jubelmeldung. Es hieß, der Anteil der Frauen in Vorständen von DAX-Unternehmen hätte sich vervierfacht. Das ist mathematisch korrekt. Es gab eine Steigerung von einer Frau auf vier Frauen auf Vorstandsebene. Das ist kein Grund zum Jubeln. Das ist ein Trauerspiel.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehen wir uns nun einmal den Bericht der Landesregierung an, auf den die Vorlage auch Bezug nimmt. Darin findet sich u. a. die Aussage, dass Frauen in der öffentlichen Verwaltung - das haben wir gerade schon gehört - in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind. Es gibt in diesem Bericht noch mehr Aussagen in dieser Richtung. Auch in der öffentlichen Verwaltung in Niedersachsen gibt es also noch lange keine faktische Gleichberechtigung. Wir haben die Zahlen vorhin gehört. Ich zitiere eine Passage aus dem Bericht der Landesregierung:

„Vermutlich handelt es sich hierbei um eine Art Selffulfilling Prophecy. In der Arbeitswelt wird angenommen, dass Frauen sich aus familiären Gründen nicht beruflich engagieren können bzw. wollen. Dadurch werden Frauen

vermutlich in vielen Fällen bei der Besetzung von Führungspositionen übergangen bzw. nicht ermutigt, sich zu bewerben.“

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich teile diese Einschätzung in dem Bericht der Landesregierung. Solches Denken fußt auf tief verwurzelten Rollenbildern, die über Jahrhunderte, sogar Jahrtausende mehr oder weniger subtil weitergegeben wurden, oft unterhalb dessen, was wir bewusst reflektieren.

Was ist nun also zu tun? Abwarten, dass sich alles mit der Zeit von selbst bereinigt? - Das wird nicht passieren. Das passiert schon sehr lange Zeit nicht. Wir sind wohl auch alle zu sehr in unserer eigenen Sozialisation gefangen, als dass wir in der Lage wären, bei jeder einzelnen Entscheidung über Einstellung oder Beförderung von selbst ganz geschlechtsobjektiv zu verfahren.

Über die formale Gleichberechtigung hinaus braucht es deshalb einen Rahmen für solche Entscheidungen, eine Verpflichtung, sich ganz ausdrücklich mit der Frage „Frau oder Mann?“ zu befassen und Frauen zunächst vorzuziehen, bis das Ungleichgewicht beseitigt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Solche Prozentvorgaben oder Quotierungen wecken bei mir persönlich keine Begeisterungsstürme. Aber ohne solche Regelungen hat es viel zu lange Stillstand gegeben. Das Positive an solchen Quoten ist: Frauen kommen in größerer Zahl in gehobene Positionen und Gehaltsstufen. Damit tritt eine Normalisierung in solchen Positionen ein, was Frauen angeht, also ein positives Erleben der gleichberechtigten Zusammenarbeit von Frauen und Männern im Berufsalltag. So wird auch dem oft unbewussten Rollenverständnis etwas entgegengesetzt, statt es zu erhalten.

Uns ist natürlich klar, dass die Regelungen in den §§ 5 und 6 des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes nur ein Baustein für mehr Geschlechtergerechtigkeit sein können, aber sie sind ein Baustein. Deshalb dürfen die Regelungen in den §§ 5 und 6 auch nicht zum 31. Dezember auslaufen. Das Erreichte kann niemandem genügen.

Ich finde, es sollte in diesem Parlament keine zwei Meinungen darüber geben, ob Geschlechtergerechtigkeit gefördert werden soll. Wir sollten hier gemeinsam keinen Rückschritt zulassen und deshalb geschlossen für den vorliegenden Gesetz

entwurf stimmen. Sie können darüber hinaus selbstverständlich gerne jederzeit mehr tun, wie auch wir das tun werden. Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu.

Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Riese das Wort. Bitte schön!