Protokoll der Sitzung vom 17.08.2010

Wir sollten heute nicht so tun, als sei bereits ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens für die Entstehung einer Region Braunschweig vorhanden. Das ist mitnichten so, Herr Kollege Bachmann.

Ich sage Ihnen dann noch mal eines: Es nutzen keine Parteitagsbeschlüsse, wir müssen vielmehr auch die Menschen mitnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, schließlich hat der Gutachter vier mögliche Handlungsoptionen beschrieben, wobei er für die Bildung einer Region auf zahlreiche funktionale wie rechtliche Vorbehalte hingewiesen hat. Das sollte man deutlich sehen. Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann, bekennender Befürworter einer Regionslösung, hat sich deutlich zu diesen Vorschlägen geäußert. Er lehnt sie ab und begrüßt zugleich ausdrücklich die Linie unseres Innenministers Uwe Schünemann.

Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass große Gebilde nicht per se effizienter und kostengünstiger operieren und dass es bei den viel beschworenen Synergiepotenzialen durchaus Obergrenzen gibt, deren Überschreitung nicht zu weiteren Einsparungen, sondern zum Gegenteil, nämlich zu mehr Bürokratie und mehr Kosten führt, sollte man tunlichst nicht aus den Augen verlieren. Die Variante „teilräumliche Fusionen“, bei der wiederum verschiedene Modelle denkbar wären, macht deutlich, dass es in diesem Kontext noch einen erheblichen Bedarf an Beratungen gibt, die - das sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit - von unten nach oben und nicht umgekehrt zu führen sind. Ohne einen breiten Konsens vor Ort wird es Veränderungen dieser Gebietskörperschaften wohl nur schwerlich geben können.

Meine Damen und Herren, bekanntermaßen sind Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen nicht teilbar. Alles, was man jemandem zubilligt, muss man jemand anderem wegnehmen. Jeder, der etwas anderes behauptet, will Doppelzuständigkeiten, aber auch die sind ineffizient und teuer. Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen: Geteilte Verantwortung ist häufig überhaupt keine Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sehen in der Verlagerung weiterer Aufgaben auf den Zweckverband Großraum Braunschweig, wie Sie ihn in Ihrem Gesetzentwurf vorsehen, den falschen Weg, um moderne kommunale Strukturen zu schaffen. Niedersachsen gilt in der Fachöffentlichkeit mit Blick auf die Anpassung seiner Verwaltungsstrukturen zu Recht als reformorientiert und erfolgreich. Dies lässt sich an den bereits erfolgreich umgesetzten

Verwaltungsstrukturen wie z. B. der Abschaffung der Bezirksregierungen ablesen.

Ich möchte deutlich machen - das hat auch Herr Professor Hesse gesagt -: Wir haben einen verwaltungshistorisch mutigen und zudem erfolgreichen Schritt gemacht. Zugleich bilden, wie ich finde, der Zukunftsvertrag, die Freiwilligkeit und das Angebot von Entschuldungshilfen eine weitere gute Basis, um die Kommunalstrukturen in Niedersachsen zukunftsfähig zu machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Försterling von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich wird auch im Großraum Braunschweig gerade darüber diskutiert, wie man die kommunalen Gebietskörperschaften zukunftsfest weiterentwickeln kann. Wer die Diskussion im Braunschweiger Land verfolgt, der stellt fest, dass es dort in der Tat ganz unterschiedliche Ansätze gibt. Auf der einen Seite wird vorgeschlagen, drei bis vier Großkreise zu bilden; auf der anderen Seite gibt es aber auch jemanden, der eine Großregion bilden möchte. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, den Zweckverband Großraum Braunschweig mit weiteren Aufgaben auszustatten.

Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sieht eine Übertragung weiterer Aufgaben auf den Zweckverband Großraum Braunschweig vor und greift damit zwar die Diskussion auf, verkennt aus meiner Sicht aber den bisherigen Verlauf derselben; denn in der Diskussion werden ganz viele unterschiedliche Positionen vertreten, und zwar nicht nur zwischen den politischen Lagern und mitunter auch innerhalb der politischen Lager, sondern auch zwischen den Oberzentren, den Mittelzentren, zwischen den Landkreisen und den kreisfreien Städten.

Die ausführliche Diskussion der verschiedenen Positionen im Braunschweiger Land macht für mich eines deutlich: Wir sind erst am Anfang und nicht schon am Ende der Diskussion. - Deshalb ist es falsch, jetzt von Hannover aus das Ende des Diskussionsprozesses zu diktieren. Wer die Menschen im Braunschweiger Land kennt, der weiß doch, dass sie die inhaltlichen Fragen zwar sehr kontrovers diskutieren, sich in einem Punkt aber

immer einig sind, nämlich darin, dass sie sich aus Hannover nichts überstülpen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sosehr man eine solch pauschale Position vielleicht auch kritisieren kann, so wäre sie bei diesem Gesetzentwurf doch mehr als nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf sieht u. a. die Übertragung der Zuständigkeiten im Schulbereich vor, u. a. für die berufsbildenden Schulen. Er blendet aber völlig aus, wie das Eigentum an den Schulen auf den Zweckverband Großraum Braunschweig übertragen werden soll. Wie sollen z. B. die Landkreise für den Immobilienverlust entschädigt werden?

Es wird noch ein ganz anderes, ein praktisches Problem geben: Wie soll ein indirekt bestimmter Kommunalpolitiker aus der Zweckverbandsversammlung, der aus Braunlage kommt, über den Standort der BBS II Gifhorn, die in Hankensbüttel die Augenoptikerausbildung betreibt, eine vernünftige Entscheidung treffen können, wenn er sich mit dem Auto in einer eine Stunde und vierzig Minuten dauernden Fahrt erst einmal dorthin bewegen muss? - Das ist, glaube ich, weit entfernt von den Realitäten und zeigt, dass der Diskussionsprozess auch in der SPD noch weitergeführt werden sollte.

Angesichts der knappen mir noch zur Verfügung stehenden Redezeit möchte ich jetzt nur noch auf einen Punkt eingehen, nämlich auf die Förderung der kulturellen und der politischen Identität. Ich weiß nicht, wer den Gesetzentwurf innerhalb der SPD-Fraktion formuliert hat. Ich empfinde diesen Punkt in gewisser Weise aber schon als eine Beleidigung der Menschen im Braunschweiger Land; denn dort wird von vielen Einrichtungen und Menschen, die sich zum Großteil ehrenamtlich engagieren, eine hervorragende identitätsstiftende Arbeit geleistet.

Es gibt natürlich die durch Artikel 72 der Niedersächsischen Verfassung gesicherten heimatgebundenen Einrichtungen des Landes Braunschweig wie etwa das Braunschweigische Landesmuseum, das Staatstheater Braunschweig und das Staatsarchiv in Wolfenbüttel. Darüber hinaus gibt es die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, die Technische Universität und die HerzogAugust-Bibliothek.

All das sind Einrichtungen, die zur kulturellen Identität des Braunschweiger Landes beitragen. Natürlich gibt es auch noch die Braunschweigische Landschaft, die jedes Jahr mit dem Tag der Braun

schweigischen Landschaft einen Beitrag dazu leistet.

Meine sehr geehrten Menschen - - -

(Heiterkeit - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Das stimmt auf jeden Fall!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das zeigt doch, dass die Braunschweiger Zeitung mit ihrer im Teil „Braunschweiger Land“ heute verwendeten Überschrift „Die Region, das sind die Menschen“ absolut Recht hat. Die Region, das sind die Menschen und nicht ein Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Bachmann sehr dankbar dafür, dass er den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion eingebracht hat; denn nun ist die Katze wirklich aus dem Sack. Die Kommunen sowie die Bürgerinnen und Bürger im Lande wissen jetzt, wie die SPD, wenn sie tatsächlich wieder einmal Regierungsverantwortung übernehmen sollte, mit Gebietsreformen und interkommunaler Zusammenarbeit umgehen wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Genossen der SPD werden sich zurückziehen, werden ein Konzept erarbeiten und dieses Konzept anschließend über einen Gesetzentwurf hier in diesen Landtag einbringen und über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg beschließen. Das ist genau das, was wir den Bürgern jetzt sagen können, wenn es um Kommunalreformen und insbesondere um Gebietsreformen geht.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Es wundert mich schon, wie die Diskussionen insgesamt im Lande geführt werden.

(Johanne Modder [SPD]: Wir haben Ihnen zwei Mal die Hand gereicht!)

Uns wird immer vorgeworfen, dass wir vor Ort nicht die erforderlichen Angebote unterbreiten. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, dass dieser Weg auch der richtige ist.

Herr Bachmann, wenn Sie sich einmal anschauen, was der Gutachter Hesse zu Papier gebracht hat,

werden Sie feststellen, dass er für Braunschweig mehrere Varianten aufgezeigt hat.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ich weiß!)

Er hat gesagt, dass es notwendig ist, mit den Bürgern, mit den Unternehmern, mit den Gewerkschaften, insbesondere aber auch mit den Ratsmitgliedern insgesamt zu diskutieren, um den richtigen Weg einzuschlagen. Ihr Gesetzentwurf zielt aber darauf ab, dass Sie überhaupt keine Diskussion führen, sondern sagen: Das ist unser Konzept. Das müsst ihr umsetzen. Das ist die richtige Antwort. - So kann man mit den Menschen vor Ort nun wirklich nicht umgehen. Das, was Sie hier vorgelegt haben, ist entlarvend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe mich schon gewundert. Herr Dr. Sohn hat das, wie ich sagen muss, tatsächlich richtig gesagt: All das, was Sie jetzt gesetzlich verankern wollen, können Sie im Zweckverband schon heute umsetzen. Dann haben Sie, Herr Bachmann, sich hierhin gestellt und haben gesagt: Im Zweckverband ist man sich einig. Dort wird applaudiert, wenn genau diese Pläne vorgestellt werden. - Wenn nun alle applaudieren, wenn man schon Angst um die Tische und Stühle hat, dann wundere ich mich, meine Damen und Herren, warum Sie jetzt so einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der auf eine zwangsweise Umsetzung abzielt. Das macht doch keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es macht doch Sinn, jetzt die Diskussion zu führen und sich das, was Professor Hesse aufgezeichnet hat, ernsthaft daraufhin anzuschauen, ob wir teilweise über eine interkommunale Zusammenarbeit etwas erreichen oder über Teilfusionen bessere Strukturen hinbekommen können. Hier sind sehr gute Vorschläge gemacht worden. Es fängt gerade erst an.

Jetzt will ich Ihnen sagen, was die Landesregierung mit dem Hesse-Gutachten machen wird:

(Zuruf: Abheften!)

Wir werden genau in die Regionen gehen, in denen Stabilisierungsbedarf analysiert worden ist. Wir werden mit den Oberbürgermeistern, den Bürgermeistern, den Landräten, mit denjenigen, die sich in diesen Prozess begeben wollen, diskutieren, einen Weg aufzeigen, um dann möglichst bis zum Jahr 2013 eine Lösung zu haben. Damit hätten wir die Bürger tatsächlich mitgenommen. Das

ist der richtige Weg, nicht aber Zwangsübertragungen, die überhaupt keinen Sinn machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Welcher Weg?)

Ich möchte Ihnen meine Meinung zu einer Übertragung von noch mehr Aufgaben auf Zweckverbände mitteilen. Ist das tatsächlich der richtige Weg? Es macht doch Sinn, dass die gewählten Ratsmitglieder die Aufgaben direkt kontrollieren und auf den Weg bringen können und nicht die Umorganisation auf einen neuen Verband.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)