Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle zwei Fragen, die die Arbeitsmöglichkeiten von Abgeordneten bei faschistischen Demonstrationen betreffen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es mir erfreulicherweise am 5. Juni in Hildesheim bei einem ähnlichen Anlass keine Probleme gemacht hat, mir nach Zeigen meines Abgeordnetenausweises von der Polizei vor Ort Informationen über die faschistische Demonstration zu verschaffen - der Hintergrund waren damals die rassistischen Äußerungen gegen Ministerin Özkan, die auf der Demonstration in Hildesheim gefallen sind und die auch Gegenstand einer Anfrage von uns sind -, und vor dem Hintergrund der damit kontrastierenden Tatsache, dass es Frau Zimmermann nicht möglich war, in dem völlig gleichen Verfahren - nämlich nach Zeigen ihres Abgeordnetenausweises und nach Erbitten der Möglichkeit, die faschistische Demonstration vor Ort in Augenschein zu nehmen -, sowie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Frau Zimmermann beim Zeigen ihres Ausweises gefragt wurde, welcher Partei sie denn angehört, habe ich zwei Fragen an die Landesregierung:
Erstens. Welche Anweisungen gibt es vonseiten des Ministeriums hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten von Abgeordneten bei der Beobachtung faschistischer Demonstrationen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Medien entnommen, dass sich Frau Zimmermann in dieser Sache beschwert hat.
- Sie hat sich erst einmal beschwert. - Ich habe mich deshalb erkundigt, wie der Vorgang tatsächlich vonstatten gegangen sein soll. Ich selber war ja nicht zugegen. Es ist so, dass Frau Zimmermann mit einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern zu einer Absperrung gegangen ist. Sie hat dort ihren Ausweis gezeigt und hat darum gebeten, sich das Ganze mit der gesamten Gruppe - so ist es mir geschildert worden - anzuschauen. Daraufhin hat der Polizeibeamte angeboten - so ist es mir berichtet worden; ich kann es nur so wiedergeben -, dass sich Frau Zimmermann als Abgeordnete in Polizeibegleitung die Strecke anschauen könne. Dies hat sie abgelehnt. So ist es mir dargestellt worden.
Ein zweiter Punkt. Ein Abgeordneter - Sie haben ja allgemein gefragt, Herr Dr. Sohn - hat übrigens keine anderen Rechte als jeder Bürger in unserem Land, wenn es um Demonstrationen geht.
Das heißt, Sie haben keinen Anspruch darauf, dass Sie, wenn Sie Ihren Abgeordnetenausweis zeigen, diese Absperrungen, die aus gutem Grund gemacht worden sind, tatsächlich durchlaufen bzw. durchbrechen können. Dies ist nicht erlaubt.
Wenn die Polizei dies ermöglichen will, wie wir das übrigens bei den Castortransporten machen - ich glaube, Herrn Wenzel und anderen haben wir das immer angeboten; das wird auch von Abgeordneten zumindest von dieser Seite des Hauses und auch von der SPD immer wieder angenommen -, dann begleitet die Polizei das und lässt es auch zu. Das ist natürlich richtig. Abgelehnt haben es,
- Okay, mir ist das so nicht erinnerlich. Sonst habe ich immer gehört, dass Sie dort allein unterwegs waren. Aber das ist eine andere Geschichte.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie müssten einmal an Ihrer Berichtsqua- lität arbeiten! - Weitere Zurufe - Unru- he - Glocke des Präsidenten)
Herr Minister, Sie haben das Wort. Es besteht noch in erheblichem Maße die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen. Das muss nicht zwingend vom Platz aus geschehen, sondern kann von hier vorn aus gemacht werden. Beim Kontingent der Fraktionen, Fragen stellen zu können, besteht kein Engpass. Aber im Moment hat der Minister das Wort.
Da es allgemein gilt, dass man keine Sonderrechte hat, Absperrungen zu überwinden, ist es völlig unerheblich, in welcher Fraktion man ist: Linke, SPD, Grüne, FDP oder CDU. Insofern ist die Frage völlig überflüssig gewesen. Deshalb hat das auch keine Auswirkungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Bedarf an Polizeikräften auf Basis der im Vorfeld erstellten Gefahrenprognosen eingeschätzt wird und dass diese Gefahrenprognosen auch die Grundlage für Gerichtsendscheidungen bilden - Herr Schünemann, das ist keine Unterstellung, sondern eine Tatsache -, vor dem Hintergrund, dass auch auf der Grundlage dieser Gefahrenprognosen die Auflagen für Gegendemonstrationen erteilt werden, die teilweise unzumutbar oder undurchführbar sind - für Bad Nenndorf umfassten sie 14 Seiten; neulich in Bad Wildeshausen war die Breite des Demonstrationszuges auf 2,5 m begrenzt, und es waren nur zwei Transparente erlaubt -, vor dem Hintergrund, dass das unzumutbar ist und bürgerliche Gegenproteste abschreckt, und vor dem Hintergrund,
dass sich bei diesen und anderen Demonstrationen die im Vorfeld erstellten Gefahrenprognosen als weit überzogen herausgestellt haben, frage ich die Landesregierung, auf welche Weise sie die Qualität des Verfahrens zur Erstellung dieser Gefahrenprognosen im Hinblick auf mögliche Verfahrensverbesserungen und die Erzielung einer höheren Treffsicherheit kontrolliert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gefahrenprognosen sind überprüfbar und hier über das Verwaltungsgericht auch überprüft worden. Ich habe Ihnen sehr ausführlich den Weg dieser Gefahrenprognose bei uns dargestellt. Das ist nicht nur Standard in Niedersachsen, sondern bundesweit.
Ich kann sagen, dass die Prognosesicherheit des Verfassungsschutzes, des Staatsschutzes, aber auch der örtlichen Behörden in den letzten Jahren hervorragend gewesen ist. Wenn man bedenkt, welche Prognose hier vorlag, und vergleicht, wie viele Linksextreme und Rechtsextreme tatsächlich gekommen sind, dann kann man sagen, dass man nicht ganz falsch gelegen hat. Einfluss haben natürlich das Verbot und die sehr kurzfristige Wiederzulassung der Demonstration. Dass dann z. B. bei der DGB-Kundgebung nicht 2 000 Teilnehmer gekommen sind, ist, glaube ich, nachvollziehbar. Dass dann auch nicht ganz so viele linksextreme Autonome gekommen sind, ist wohl ebenfalls nachvollziehbar. Es waren 1 000 Demonstranten im Bereich der DGB-Kundgebung und etwa 300 Linksextremisten Gelb-Rot, die also durchaus gewaltbereit sind. Im Bereich der Rechtsextremen war die Prognose, dass etwa 300 oder 250 kommen. Da sind bis zu 150 oder 200 da gewesen.
Völlig daneben hat man also nicht gelegen, sodass man auch hieran sehen kann, dass die Prognose des Verfassungsschutzes und insbesondere auch des Staatsschutzes völlig in Ordnung ist.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich Ihre Gefahrenprognose als völlig falsch herausgestellt hat,
und auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es in den letzten vier, fünf Jahren in Bad Nenndorf nie eine Situation gegeben hat, die eine solche Gefahrenprognose rechtfertigt, die von - ich zitiere aus Schreiben Ihrer Behörden - Gefahr für Leib und Leben sowohl für die Versammlungsteilnehmer, unbeteiligte Dritte als auch für die eingesetzten Polizeibeamten spricht, kann ich überhaupt nicht erkennen, wie das mit den Einsatzlagen der vergangenen Jahre in Einklang zu bringen ist. Ich frage Sie, was dieses Mal so besonders und so anders war, dass Sie plötzlich 500 gewaltbereite Demonstranten für den Bereich der Gegendemonstration prognostiziert haben.
(Beifall bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Das hat er schon er- klärt! - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist alles schon gesagt worden!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis etwa vier Wochen vor der Demonstration - ich hatte Ihnen das Datum genannt - haben die Behörden die Lage so eingeschätzt wie auch in der Vergangenheit. Danach sind im Internet, aber auch in den einzelnen Szenebereichen massiv Aufrufe erfolgt. Das ist eindeutig. Aus dem Grunde musste man eine neue Prognose erstellen. Denn hier wurde massiv zu Rechtsverstößen aufgerufen, insbesondere auch zu Massenblockaden, die nicht vom Versammlungsrecht gedeckt sind. Das ist gerade auch für die letzten Wochen sehr ein
drucksvoll. Ich will Sie wirklich nicht langweilen und Ihnen die gesamte Liste vortragen, aber ich könnte dies zumindest dem Innenausschuss einmal darlegen. Ich will hier nur auszugsweise darstellen, welche Antifa-Gruppen in diesem Bereich tätig gewesen sind; denn das ist schon interessant: Antifa Weser/Deister/Leine, Wunstorf, Nienburg, Minden, Bückeburg, Hameln-Pyrmont, Barsinghausen, dann die Linksjugend Hannover,
dann z. B. Campus Grün Hannover etc. Ich könnte Ihnen das ganz in Ruhe noch einmal darstellen. Zum einen gibt es in diesem Bereich verstärkte Aufrufe, aber insbesondere von der autonomen Szene ist aufgerufen worden, Gewalt anzuwenden, und zwar gerade wenige Tage vor der Demonstration. Deshalb ist die Prognose angepasst worden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich anschauen, wie sich Demonstrationslagen gerade auch im letzten Jahr in anderen Bundesländern entwickelt haben - ich will nicht nur auf Berlin oder Hamburg hinweisen - und wie sich dort gerade auch die linksextreme Szene entwickelt hat, dann sehen Sie, dass es eben nicht nur darum geht, Blockaden zu errichten, sondern auch darum, friedliche Demonstranten anzugehen und insbesondere auch die Polizei zu attackieren und Verletzungen vorzunehmen. Deshalb ist es meiner Ansicht nach richtig, dass man solche Aufrufe ernst nimmt, in die Prognose mit aufnimmt und entsprechend handelt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, wenn ich Ihrer Argumentationskette folge, komme ich zu dem Ergebnis, dass das eigentlich heißt: Je mehr Aufrufe zu Demonstrationen kommen, desto mehr Gewaltbereite sind dabei. Die logische Folge wäre dann, Demonstrationen am besten immer ganz zu verbieten.
(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Frau Helmhold, was sollen solche Vorwürfe? Das ist völlig neben der Sache! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Die Frage, die ich Ihnen konkret stellen möchte: Sie haben uns eben Antifa-Aufrufe zum Demonstrieren vorgestellt und gesagt, dass sehr viele das gemacht haben. Ich finde das sehr lobenswert. Je mehr, desto besser!