Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

(Beifall bei der CDU)

Wirklich, das kann ich nicht verstehen. Entweder Sie nehmen Ihre Frage wirklich ernst und wollen Aufklärung haben, oder Sie wollen hier Klamauk machen. Ich will es Ihnen wirklich vernünftig beantworten.

Sitzblockaden sind, soweit sie Protest ausdrücken sollen und den Rahmen passiver Resistenz nicht überschreiten, grundsätzlich vom Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Sie sind damit nicht zwangsläufig rechtmäßig. Die Polizei kann mit den erforderlichen und angemessenen Maßnahmen gegen die Blockadeteilnehmer vorgehen, um unzumutbare Beeinträchtigungen Dritter abzuwehren oder zu unterbinden. Insbesondere Versammlungsauflösung, Platzverweis, zwangsweise Durchsetzung des Platzverweises durch Wegtragen sind, glaube ich, bekannt.

Von demonstrativen Blockaden streng zu unterscheiden sind sogenannte Verhinderungsblockaden, die nicht auf Protest, sondern auf die Verhinderung der Gegenveranstaltung gerichtet sind. Verhinderungsblockaden sind nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt. Vielmehr kann dies je nach Einzelfall ein ordnungswidriges oder sogar strafbares Verhalten sein.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Aufrufe genau anguckt - übrigens hat auch der DGB bei einer Pressekonferenz denen, die dazu aufgerufen haben, sogar eine Plattform gegeben; sie durften bei der Pressekonferenz sogar etwas sagen -, ist ganz klar zu erkennen, dass es sich um Verhinderungsblockaden handelt. Ich kann ja durchaus nachvollziehen, auch aus politischen Gründen, dass man meint, dass gerade so ein sogenannter Trauermarsch nicht stattfinden soll. Aber es ist doch hervorragend, dass wir unabhängige Gerichte haben und ein Rechtssystem haben, dass man so etwas eben trennen muss. Deshalb muss man eben auch solche Urteile akzeptieren.

Da kann ich noch einmal auf Herrn Thierse verweisen - Sie haben dies ja auch in Ihrer Anfrage zitiert -, der gesagt hat, dieses Urteil des Verwaltungsgerichts ist etwas, was man gar nicht akzeptieren kann, es ist grauenhaft usw. Er hat eigentlich dazu aufgerufen, dass man es nicht akzeptiert. Ich glaube, wenn das - die Proteste, die Demonstrationen von Rechtsextremen - dazu führt, dass die Gegendemonstranten aus einem berechtigten Gefühl heraus veranlasst werden, Rechtsverstöße zu begehen, dann ist das doch genau das, was diese Rechtsextremen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb bitte ich gerade Sie von Bündnis 90/Die Grünen. Ich unterstelle Ihnen doch wirklich nicht, dass Sie keine friedlichen Absichten hätten. Also, nun wirklich nicht. Das haben Sie immer so dargestellt. Das ist überhaupt kein Punkt. Auch dem DGB unterstelle ich das nicht. Wie käme ich denn dazu, dies so darzustellen!

Aber ich bitte, doch einfach mal ein bisschen innezuhalten und darüber nachzudenken, welche Signalwirkung diese Aufrufe zu Verhinderungsblockaden haben. Sie veranlassen gerade auch junge Menschen, die tatsächlich berechtigt demonstrieren wollen, Rechtsverstöße zu begehen. Die verstehen es dann gar nicht. Wenn z. B. Herr Wenzel - also wenn Sie dazu aufrufen würden -, der Fraktionsvorsitzender der Grünen hier im Landtag ist, das akzeptiert und sogar zu Blockadetrainings geht und dann anschließend die Polizei einschreiten muss und ein Verfahren eingeleitet wird, versteht das doch keiner der Jugendlichen, die sich dann fragen: Was ist denn das für ein Rechtssystem in unserem Land?!

(Beifall bei der CDU)

Genau deshalb macht es mir wirklich Sorge, wenn ich das Urteil des Verwaltungsgerichts mit der Begründung lese. Es ist eben nicht so; das ist nur ein Punkt in dem Urteil und in der Begründung. Da steht, die Rechtsextremen haben als Erste eine Demonstration angemeldet. Das ist immer so. Man kann nur eine Gegendemonstration machen, wenn man vorher eine erste Anmeldung hat. Das ist doch logisch.

Aber die Begründung, warum die Rechtsextremen eher zugelassen wurden als der DGB, ist, weil in dem Fall nicht kooperiert worden ist und zu Ordnungsverstößen aufgerufen oder diese zumindest akzeptiert wurden. Bei einem Erörterungstermin vor Gericht muss man das doch erkennen und sagen: Wir wollen kooperieren und so etwas nicht zulassen. - Wenn das nicht geschieht, dann kommen solche Urteile zustande; denn Gerichte müssen unabhängig sein.

Ich bitte, diesen Fall zum Anlass zu nehmen, sich die Praxis genauer anzusehen. Wir leisten unserer Demokratie keinen Dienst, wenn wir unseren Rechtsstaat nicht akzeptieren, auch wenn es aus dem Bauch heraus vielleicht anders dargestellt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb war ich nicht fassungslos - so schnell bin ich nicht aus der Fassung zu bringen -, bin aber

zumindest sehr nachdenklich geworden, als ich Ihre Einlassungen am 14. August gehört habe, als behauptet worden ist: Der Innenminister hat eingegriffen, um Demonstrationen von jüdischen Gesellschaften, DGB und anderen zu verhindern.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Das ist eine unfassbare Unterstellung. Was Sie damit suggerieren, ist auch unfassbar.

Deshalb lassen Sie uns gerade im Kampf gegen den Rechtsextremismus und rechtsextreme Gruppen an Rechtsstaatlichkeit orientieren und alles dazu beitragen, die jungen Menschen dazu zu bringen, dass sie dagegen aufbegehren, und zwar im Sinne unseres Rechtsstaates und nicht anders!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Hiebing stellt die nächste Zusatzfrage.

(Bernd-Carsten Hiebing [CDU]: Schon beantwortet!)

- Sie ziehen zurück. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Adasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass die Begründung des polizeilichen Notstandes vom DGB massiv kritisiert wurde, wie sich die Gewerkschaft der Polizei zu diesem Thema stellt; denn ich kann mich durchaus an vergleichbare Fälle erinnern, wo die GdP ganz ausdrücklich die Linie des Innenministers und auch der Gerichte mitgetragen hat. Vielleicht können Sie dazu eine persönliche Einschätzung abgeben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Er ist doch nicht der Pressesprecher der GdP!)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Adasch, mir sind die Pressemitteilungen nicht in Erinnerung, aber ich habe von keiner Polizeigewerkschaft gehört, dass in irgendeiner Weise zu Massenblockaden oder anderem aufgerufen wurde. Das ist völlig undenkbar. Ich

glaube, sie distanzieren sich ausdrücklich davon. Alles andere kann ich mir gar nicht vorstellen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Zimmermann, Fraktion DIE LINKE, stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gefahrenprognose hat 400 bis 500 gewaltbereite sogenannte linke Autonome vorhergesagt. Im Grunde ist alles ruhig verlaufen, das sehen die Bad Nenndorferinnen und Bad Nenndorfer auch so. Sie sagen, am Ende seien 300 linke gewaltbereite Autonome da gewesen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Wie kommen Sie zu der Zahl 300? Erstens: Das hätte auffallen müssen. Zweitens: Was sind nach Ihrer Definition „gewaltbereite linke Autonome“? Reicht es aus, dass man Mitglied von Campusgrün oder bei der Linksjugend organisiert ist?

Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Zitat aus einer NDR-Reportage bringen, in der es heißt:

„Hinter vorgehaltener Hand fragt man sich nicht nur, ob die Zahlen stimmen, sondern auch, wie mit Definitionen umgegangen werde -“

(Beifall bei der LINKEN)

„etwa, wenn es um die Eingruppierung sogenannter gewaltbereiter Demonstranten geht. Ein Beamter wundert sich im Gespräch mit dem NDR: ‚Dieses Instrument hinterfragt niemand, obwohl man damit wunderbar Politik machen kann.’“

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einstufung in linksextremistisch oder rechtsextremistisch, gewaltbereit und gewaltgeneigt ist bundesweit definiert. Es reicht nicht aus,

dass man einfach nur Anhänger irgendeiner Gruppierung ist, sondern es muss auch Auffälligkeiten gegeben haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Können wir diese Definition mal kriegen?)

- Die Definition werden wir gleich nachliefern, ich habe sie nicht direkt im Wortlaut. Es ist ein bundesweit abgestimmtes System, sodass man auch miteinander kommunizieren kann; denn die Demonstrationen sind - wie es sich immer wieder darstellt - eben nicht auf ein Bundesland begrenzt, sondern der Zulauf kommt bundesweit, sogar international. Deshalb gibt es ganz klare Definitionen, die anerkannt, sehr transparent und insofern bisher überhaupt nicht infrage gestellt worden sind.

Frau Kollegin Leuschner stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier eine Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Ich bitte darum, diese aus dem Internet auch zu Protokoll zu nehmen. Ich lese einmal vor: Evangelisch-lutherische Kirche, Kneipp Verein, Seniorengruppen Riepen, CDU Bad Nenndorf,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aha!)

SPD Bad Nenndorf, Kulturforum Bad Nenndorf, Schützenverein Horsten.

(Zuruf von den LINKEN: Schützen- verein?)

Das sind die Unterstützerinnen und Unterstützer des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“, das die DGB-Region Niedersachsen-Mitte koordiniert.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)